Giftgas in Syrien: Das Schweigen im (Presse-) Walde - Ein Lehrstück

Was haben wir Deutsche doch für ein Glück. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem jeder – laut Grundgesetz - das Recht hat, »sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten« (Artikel 5 GG). Pressegesetze der Bundesländer regeln Einzelheiten. Die Einhaltung der publizistischen oder journalistischen Sorgfaltspflicht bei der Berichterstattung gilt darin als oberste Maxime. Danach muss Inhalt, Herkunft und Wahrheitsgehalt von Nachrichten vor der Veröffentlichung überprüft und die Nachrichten dürfen nicht sinnentstellend wiedergegeben werden..

Der Vorwurf

Um das Glück der Deutschen zu vergrößern, halten sich natürlich die bundesdeutschen Medien an diese Vorgaben. Anfang April wurde getitelt: »Mutmaßlicher Giftgaseinsatz in Syrien: Trump nennt Assad ein ›Vieh‹« (Die Welt), »US-AUSSENMINISTERIUM SPRICHT VON ›BEWEIS‹. Syrien steckt hinter Giftgasangriff in Duma« (Bild), »Die zynische Chemiewaffenbruderschaft. Bei der Chlorgasattacke auf die Stadt Duma sterben mindestens 50 Menschen. Die tödliche Bombe hat wohl ein Armeehubschrauber abgeworfen.« (Frankfurter Rundschau), »Ganze Familien erstickt. Russland bestreitet Giftgas-Einsatz im syrischen Ost-Ghuta« (Berliner Zeitung).

Die Reaktion der NATO

Russland und Syrien dementierten. Dennoch folgte die verdiente Strafe auf dem Fuß: Die USA, Frankreich und Großbritannien griffen am 14. April Syrien an und feuerten rund 110 Luftbodenraketen und Marschflugkörper gegen angebliche syrische Chemiewaffenzentren. Die »journalistische Sorgfaltspflicht« gebar Schlagzeilen wie diese: »Krieg in Syrien. Endschlacht mit C-Waffen« (taz), »LUFTSCHLAG GEGEN SYRIEN. Das Protokoll einer Strafaktion« (Die Welt), »Angriffe auf Syrien. Donald Trump: ›Perfekt durchgeführter Luftschlag‹« (Stuttgarter Nachrichten), »SO LIEF DER SYRIEN-ANGRIFF AB. Trumps Blitz-Attacke gegen Assad« (Bild), »LUFTSCHLAG GEGEN ASSAD: Begrenzte Angriffsfläche« (FAZ). Angela Merkel und Heiko Maas begrüßten die Luftschläge als »erforderlich und angemessen«.

Die Fakten

Am 26. April fand in Den Haag ein Pressebriefing der „Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW)“ statt. Zur Erinnerung: Die OPCW ist die unabhängige internationale Organisation, welche durch die Vertragsstaaten der Chemiewaffenkonvention begründet wurde. Sie überwacht die Einhaltung und Umsetzung dieser Konvention und legt die Rahmenbedingungen für die Vernichtung von Chemiewaffen fest. Dutzende Delegationen von Mitgliedsländern nahmen an der Veranstaltung teil. Die USA, Frankreich und Großbritannien glänzten durch Abwesenheit. Warum wohl?

Nun: 17 Augenzeugen des Vorfalls berichteten in aller Öffentlichkeit, dass der Giftgasangriff ein Fake war. Unbekannte Personen hätten Panik ausgelöst und das Video gedreht, das von den „Weißhelmen“ als Beweis für die angebliche Schandtat im Internet veröffentlicht wurde. Auch der elfjährige Hassan Diab aus dem Video war in Den Haag. Die Ärzte unter den Augenzeugen sagten, dass es keine Todesfälle gegeben habe. Und keinen Giftgasangriff. Trotz der angeführten und mit Videos und Fotos belegten Fakten fiel einigen westlichen Journalisten nichts anderes ein, zu fragen, wie viel Geld den Augenzeugen für den Besuch in Den Haag »versprochen wurde«. Die Augenzeugen antworteten kurz und bündig, sie seien gekommen, um die Wahrheit zu sagen. Der Giftgasangriff sei eine einzige Lüge.

Übrigens hatte der Generalstab der russischen Streitkräfte bereits am 13. März vor einer in Ost-Ghuta vorbereiteten Provokation mittels Inszenierung eines C-Waffen-Einsatzes gewarnt. Dreieinhalb Wochen später fand sie statt, 19 Tage danach wurde sie entlarvt.

Und wie reagieren die deutschen Leitmedien und die übergroße Mehrzahl der sonstigen Publikationsorgane? Sie machen es sich einfach und verschwiegen die außerordentlich bedeutsame Presseveranstaltung. Wieder einmal: Schweigen im Pressewalde. Allerdings, ganz so zufällig war das nicht.

Der US-Vertreter bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) tat alles nur Mögliche, um seine Kollegen sowie Korrespondenten aus NATO-Staaten von einer Teilnahme an der Veranstaltung abzuhalten. Nicht ohne Erfolg. Auch in schweren Momenten gilt es, das Banner der Bündnistreue hochzuhalten.

In DIE ZEIT-Medienkunde steht über die Aufgabe der Medien: Der Journalismus hat den rechtlichen Auftrag, eine Kritik- und Kontrollfunktion in der Gesellschaft wahrzunehmen: Also Missstände aufzudecken, Gegebenheiten zu hinterfragen und Kritik zu üben

Frage: Werden unsere Medien dieser Aufgabe noch gerecht?

Ich meine: Nein. In weiten Teilen ist die Berichterstattung zu einem Propagandainstrument des aggressiven Militärbündnisses NATO herabgesunken.
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Dies ist eine Nacherzählung von Ralph Hartmanns Artikel "Das Schweigen im Pressewalde" in Ossietzky, einer Zweiwochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft.

Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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