Antikriegstag 2022: DGB-Aufruf unterirdisch!

Am 1. September ist Antikriegstag. Wie jedes Jahr beteiligt sich der DGB an den Aktionen. Und veröffentlicht einen Aufruf.

Wikipedia schreibt zu „Antikriegstag“:

Erstmals wurde in der Sowjetischen Besatzungszone am 1. September 1946 ein „Weltfriedenstag der Jugend“ begangen.Seit Beginn der 1950er Jahre wurde in der Deutschen Demokratischen Republik der 1. September als „Tag des Friedens“ bzw. als „Weltfriedenstag“ bezeichnet, an dem die Öffentlichkeit in Versammlungen und Kundgebungen zum Eintreten für den Weltfrieden aufgerufen wurde.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde dieser Tag alljährlich als „Antikriegstag“ begangen. Er erinnert an den Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939. Die westdeutsche Initiative für diesen Gedenktag ging vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) aus, der erstmals am 1. September 1957 unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ zu Aktionen aufrief.

Die „Antimilitaristische Aktion 1957“ war ein Zusammenschluss von der sozialistischen Jugend Die Falken, der Naturfreundejugend, der Jugend des Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität und der Gruppe der Wehrdienstgegner. Nach Einführung der Wehrpflicht im Juli 1956 und den ersten Rekrutierungen von Soldaten im April 1957 hatten sich diese vier Jugendorganisationen verbündet, um vereint gegen die Wehrpflicht und die militaristischen Bestrebungen in der Bundesrepublik zu kämpfen.

Auf dem Bundeskongress des DGB 1966 wurde ein Antrag angenommen,
„‚… alles Erdenkliche zu unternehmen, damit des 1. Septembers in würdiger Form als eines Tages des Bekenntnisses für den Frieden und gegen den Krieg gedacht wird.‘ Auch in der Gegenwart ruft der DGB am 1. September zu Kundgebungen und Veranstaltungen anlässlich des Weltfriedenstages auf und organisiert Veranstaltungen.

Antikriegstag 2022: Aufruf DGB

Die Überschrift des Aufrufes, die Stellungnahme gegen den Rüstungswettlauf, die Forderung nach Waffenruhe und der erste Satz des Textes, „Nie wieder Krieg!“ – das ist und bleibt unsere Grundüberzeugung. Jeder Krieg ist ein Angriff auf die Menschheit und die Menschlichkeit, sind tadellos.

Die nächsten Abschnitte sind jedoch unterirdisch. Dort heißt es:

"Mit dem verbrecherischen Überfall der russischen Armee auf die Ukraine ist der Krieg zurück in Europa. Im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika und anderswo wüten weiterhin, teilweise seit Jahrzehnten, Kriege und Bürgerkriege. Tod, Zerstörung und Flucht – so lautet ihre fürchterliche Bilanz. Die Waffen müssen endlich schweigen – überall auf der Welt!

Russlands autokratisches Regime verfolgt eine brutale Politik der militärischen Konfrontation und Eskalation. Sein verbrecherischer Krieg zielt auf die Vernichtung der Ukraine ab. Selbst den Einsatz nuklearer Waffen schließt die russische Führung nicht aus. Die europäische und internationale Friedens- und Sicherheitsordnung liegt in Trümmern. Diese tiefe Zäsur zwingt uns, neue Antworten zu finden.

Die deutsche Bundesregierung hat darauf mit einer Reihe von Maßnahmen reagiert, um die Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit unseres Landes im Rahmen der NATO und der EU zu stärken. In den letzten Monaten haben Themen, wie das Sondervermögen für die bessere Ausrüstung der Bundeswehr oder die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, die öffentliche und politische Auseinandersetzung geprägt. Diese breite und offene Debatte ist notwendig. Sie hat sich aber immer stärker auf den Einsatz militärischer Mittel der Friedenssicherung verengt.“

In diesen Sätzen wird die Geschichte des Krieges einseitig und verkürzt erzählt. Der Krieg hat eine Vorgeschichte. Und er hat viele Väter. Hier einige Beiträge des Politmagazins Monitor, die einige Ursachen des Krieges beleuchten:

März 2014: *Krisenkatalysator: Wie mit dem Kampf um das Erdgas in der Ukraine Weltpolitik gemacht wird* - Welche Rolle Energiefragen beim geopolitischen Machtpoker spielen, können wir in der Ukraine gerade ziemlich gut beobachten. Westliche Energiekonzerne haben nämlich längst schon ihre Ansprüche angemeldet auf die Erdgasvorkommen des Landes. Und die US-amerikanische Politik spielt dabei mit.

Aug 2014:*Russland vs. NATO: Droht ein neuer Kalter Krieg?* - Im Ukraine-Konflikt scheint klar, wer gut und wer böse ist. Aggressiver Putin, friedliebender Westen. Doch der jetzige Konflikt hat eine lange Vorgeschichte.

Juni 2018: "Feindbild Russland - Wie der Westen die Konfrontation verschärft* - Es gibt sicher viel, wofür man Russlands Regierung und seinen Präsidenten kritisieren kann. Und trotzdem stellt sich die Frage, ob Deutschland und Europa Russland nicht viel dringender brauchen als je zuvor.

Nov 2020: *Rückkehr der US-Falken - Das Netzwerk von Joe Biden* -
Klar (?), gegenüber Donald Trump wirkt Joe Biden wie eine "demokratische" Lichtgestalt. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, welche Politik der aktuelle US-Präsident jahrzehntelang vertreten hat und wofür er vor allem außenpolitisch steht.

Zudem: Während Russlands Angriff zweimal als „verbrecherisch“ gebrandmarkt wird, heißt es zu den anderen Kriegen lapidar: „Sie wüten“, ohne Ross und Reiter zu nennen. Warum? Traut sich der DGB nicht, die Verantwortlichen zu benennen? Ich erspare es mir detailliert aufzuzählen, wann und wo der Wertewesten, allen voran die USA, sich einen Dreck um das Völkerrecht geschert haben, wenn es um Macht, Einfluss und Profit geht. Wer hat denn die europäische und internationale Friedens- und Sicherheitsordnung in der Vergangenheit immer wieder beschädigt und Russland einen Raum im gemeinsamen Haus Europa verweigert?

Im Übrigen wird die Grundhaltung des DGB, Russland die alleinige Verantwortung für den krieg in der Ukraine in die Schuhe zu schieben, den Grundsätzen der Friedenslogik nicht gerecht. Zu den Grundsätzen der Friedenslogik gehört, zu untersuchen, welche Ursachen zu dem Konflikt geführt haben. Und bei dieser Ursachenforschung sind die eigenen Konfliktanteile ebenfalls zu berücksichtigen. Russland als Schuldigen zu brandmarken, ohne auch nur in einem klitzekleinen Nebensatz die Interessen von USA, NATO, der EU und der ukrainischen Regierungzu benennen ist dreist. Und geschichtsvergessen.

Zudem muss der DGB erklären, wie er mit dieser Grundhaltung, die im übrigen von der Mehrzahl der Staaten und der Menschen dieser Welt nicht geteilt wird - sie verurteilen den Krieg, sanktionieren und dämonisieren Russland jedoch nicht -, die globalen Probleme lösen will. Beispielhaft dieses Interview mit Naledi Pandor, Außenministerin in Südafrika, im ZDF.

Für die globalen Probleme braucht es globale Kooperation. Eine „wertebasierte Außenpolitik“, die mehr schlecht als recht die ökonomischen und machtpolitischen Interessen des westlichen Hegemons USA verbrämt und dessen Kurs nach Vasallenart stützt, ist dabei sicherlich nicht hilfreich.

Ein anderer Aufruf tut not.


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Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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