Märchen zur Schule Wehrda

Die Schule im Lärchenwald
v. G. Fuhrmann

Vor langer Zeit, als die Menschen noch an böse Geister und gute Zwerge glaubten, da lebte im Lärchenwald am Ende des Tales, unsichtbar für alle Menschen, eine Zwergenfamilie. Sie beschützte das ganze Tal vor der Einwirkung der bösen Geister aus dem Teufelsgraben, die manchmal sogar im Sommer ihren kalten, garstigen Atem über die waldnahen Felder hauchten. Kein Unglück konnte so über Mensch und Tier kommen.
Am Ende des Tals, wo es sich zur Lahnebene öffnete, lag das damals noch sehr kleine Bauerndörfchen Wehrda, dem es unter dem Schutz der Wichte immer gut ging. Die Dorfleute dankten es den Zwergen dadurch, dass sie den Lärchenwald schützten und nicht mehr Holz in ihm schlugen, als nachwachsen konnte.
Manchmal versuchten, besonders im Herbst, wenn die Nebel die Wiesen bedeckten, die Geister aus dem Teufelsgraben zu entkommen. Sie wurden aber immer wieder von den kleinen Wächtern gejagt und in den Berg zurückgetrieben. Dabei gab es immer einen Sturm, der den Teufelsgraben hinunter fegte. Im Dorf sagte man dann "hört nur, wie der Teufel wieder klagt"! Sie wußten gar nicht, wie Recht sie damit hatten, aber immer schloss man dann die Fenster und Türen besonders gut.
Einmal aber, wollte sogar der Teufel selbst aus der kalten düsteren Waldschlucht in das Dorf hinab gehen um den Leuten bei einem Fest einen bösen Schabernack zu spielen um den Menschen das Lachen zu vertreiben, den dass war es, was ihn besonders ärgerte.
In Wehrda hatte der Kirchturm gerade ein neues Dach bekommen und es wurde Kirchweih gefeiert. Und Lachen und Freude war etwas, das der Teufel am liebsten überall auf der Welt verbieten wollte, denn nur mit Haß, Neid und Streit konnte er seine Geschäfte machen.
Die Zwerge hatten alle Hände voll zu tun, ihn wieder unter die Erde zu zwingen. Fast hätten sie es nicht geschafft, aber da klang mit dem Wind aus dem Tal plötzlich das Läuten der Kirchenglocken herauf und helles Kinderlachen ertönte. Mit einem grauslichen Fluch und Schwefelgestank verzog sich der Unhold zurück in den Teufelsgraben und über den Festplatz zog kurzzeitig eine kalte Wolke und ein Windstoß rüttelte am neuen Kirchendach.
"Wartet nur," drohte der Teufel den Zwergen, "in dem Jahr, wo im Herbst kein Kinderlachen mehr im Lärchenwald zu hören ist, und keine von den Lärchen mehr steht, komme ich zurück und werde ganz Wehrda mit mir in den Teufelsgraben und in die Hölle nehmen." Damit verschwand er dann unter der Erde.
Nun kam aber bald eine Zeit, in der man nicht mehr an böse Geister, Gnome und die hilfreichen Zwerge glaubte. Die Menschen nahmen keine Rücksicht mehr auf den Wald und seine Geschöpfe. Da zog die Zwergenfamilie fort in Länder, wo man ihre Hilfe achtete und wo sie bis heute in Ruhe wohnen dürfen.
Sie wollten aber Wehrda dennoch nicht dem Teufel überlassen und so sorgten sie dafür, dass es im Lärchenwald die schönsten Blaubeeren gab und im Herbst die besten Speisepilze. Butterpilze, Steinpilze und Pfifferlinge gab es jedes Jahr so reichlich, dass die Eltern mit ihren Kindern und die Großeltern mit ihren Enkeln in den Wald zum Sammeln zogen und so das Kinderlachen nie aufhörte.
Mit der Zeit wurde das Dorf aber immer größer und wuchs langsam das Tal hinauf. Die Häuser kamen dem Wald immer näher und der Teufel freute sich schon, dass demnächst auch der Lärchenwald abgeholzt würde. Wenn erst Häuser dort ständen und alle Lärchen weg wären, wollte er schon dafür sorgen, dass es Zank und Streit unter den Nachbarn gäbe und keiner sollte mehr einen Grund zum Lachen haben, dachte er sich.
Zu seinem Ärger aber wurde dann die Waldschule mitten in den Lärchenwald gebaut. Viele der Lärchenbäume blieben erhalten und nun war nicht nur im Herbst, sondern das ganze Jahr so viel Kinderlachen im Lärchenwald zu hören, dass der Teufel sich aus dem Teufelsgraben nicht mehr hinaus wagt. Niemand hat auch die Geister mehr gesehen außer vielleicht zu Mitternacht an Walpurgis, aber das ist wieder etwas anderes.
Den kalten Atem der Geister können wir aber auch heute noch manchmal spüren, wie er aus dem Wald das Tal hinunter kommt und als Nebel an Sommer- und Herbstabenden auf den Wiesen vor dem Teufelsgraben hin und her zieht. Wir sollen uns dann erinnern, dass wir besonders in der Waldschule das Lachen nicht vergessen dürfen.

Bürgerreporter:in:

Günther Fuhrmann aus Marburg

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