Momentaufnahmen: Wien Tag 2 - <i>Im Reich der Toten</i> – Beschwingter Auftakt im Mozarthaus – Makaberes Mittelstück in der Kaisergruft – Imposanter Abgang in der Karlskirche

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Auf den Spuren Mozarts verlaufen wir uns in kleinen Gassen mit Kopfsteinpflaster, die solch eigenwillige Namen wie der Blut-, Essig- und Schönlaterngasse tragen, bevor wir letztlich in der Domgasse 5 landen. Hier befindet sich das „Mozarthaus“, die einzige von einem Dutzend noch erhaltener Wiener Wohnungen, in der Mozart mit seiner Frau und den Kindern von 1784 bis 1787 seine schönsten und produktivsten Jahre verbrachte.

Mit dem „Flüsterer“ am Ohr bewaffnet, kann keine wichtige Information verlorengehen. Wir werden auf eine musikalische Zeitreise mitgenommen, wo eindrucksvoll die kreative Schaffenszeit, das gesellschaftliche Leben und das Privatleben des Musik-Genies Mozart in seinen erfolgreichsten Jahren in Wien dargestellt werden. Beim Rundgang vom 3. Stock kämpfen wir uns über den 2. Stock, wo die Räume selbst durch Stuckdecken und bei Restaurierungsarbeiten freigelegten historischen Wanddekorationen zu Ausstellungsteilen werden. Die Räume sind erfüllt von Musik. Mozart war ein gefeierter Künstler, der in den Adelshäusern im Wien der späten Barockzeit viele Konzerte gab. Hier in seiner letzten Schaffensstätte gelingen ihm die besten Kompositionen, darunter die Oper „Die Hochzeit des Figaro“. Ein überdimensionales Theatermodell zeigt in einer wunderbaren Multimediainstallation spielerisch Szenen aus der „Zauberflöte“. Der Besucher wird in ein vierminütiges Szenenspektakel aus verschiedenen Inszenierungen einfach mitgerissen.

Neben seinen Gönnern und Freunden wie Joseph Hadyn, der oft im Hause zu Gast war, wird auch über seine musikalischen Kontrahenten gesprochen. Die Erinnerung des Betrachters stößt schnell auf den italienisch-österreichischen Hofkapellmeister Antonio Salieri. Doch räumt die Dokumentation eindeutig mit dem Gerücht auf, dass es keine einschlägigen Hinweise für die Behauptungen gibt, dass Salieri aus minderbegabtem Neid seinerzeit Mozart vergiftet haben soll. Nun denn, wieder was gelernt.

Wir sind im 1. Stock angelangt und betreten über den Dienstboteneingang die für damalige Verhältnisse überaus herrschaftliche Wohnung Mozarts mit vier Zimmern, zwei Kabinetten und einer Küche. Spielerisch wird die Vorstellungskraft des Betrachters gefordert, da Möbel und Zweckbestimmungen der einzelnen Räume nicht mehr vorhanden und nachzuvollziehen sind. Es hat etwas ganz Eigenes aus demselben Fenster in die kleine Blutgasse nach unten zu blicken, aus dem einst Mozart blickte. So viele Spekulationen und Gerüchte ranken sich um das bewegte Leben Mozarts und seinen plötzlichen Tod, dass die Gedanken galoppieren. Man ist versucht in vergangene Zeiten einzutauchen und die leeren Räume mit musikalischem Leben, Lust und Leidenschaft zu füllen. Vieles bleibt spekulativ und unbeantwortet, aber wir sind durch den äußert interessant gestalteten Rundgang durch das „Mozarthaus“ dem Musik-Genie ein wenig näher gekommen.

Nach Verlassen des Mozarthauses halten wir uns rechts und gehen durch den offenen Durchgang des Hauses Domgasse 2, einfach idyllisch, und gelangen auf den Stephansplatz. Auf der Rückseite des Stephansdoms, ganz rechts, stoßen wir auf die kleine Kruzifixkapelle. Von hier aus wurden am 06. Dezember 1791 die sterblichen Überreste Mozarts im Sarg mit einer Kutsche zum St. Marx-Friedhof gefahren. Der Biedermeierfriedhof erlangte seine Berühmtheit nicht zuletzt durch das Armenbegräbnis von Mozart. Dieser wurde in einem „Schachtgrab“, so wie es die Josephinischen Begräbnisordnung vorsah, mit vier bis fünf weiteren Toten ohne Verabschiedung und Grabkreuz beigesetzt.

Wo wir schon mal beim Thema sind. Ich hätte es mir nicht träumen lassen, dass ich für die Anschauung von Särgen je in meinem Leben Eintritt bezahlen werde. Es kommt immer anders als man denkt. Nach anfänglicher Gegenwehr lasse ich mich in das habsburgerische Totenreich unter der Kapuzinerkirche, in die „Kaisergruft“ (Kapuzinergruft) hineinziehen. In 138 Metallsärgen „ruhen“ die einbalsamierten Körper von den Mitgliedern des habsburgerischen Herrschaftshauses, die hier seit dem 17 Jh. bestattet werden. Unter ihnen ist auch die letzte Österreichische Kaiserin Zita, die 1989 verstarb. Für mich bestätigt sich mein Widerstreben, ist es nicht überaus makaber, dass sich zwar die toten Körper in den Särgen „befinden“, allerdings ohne Herzen. Diese wurden den Toten, genau wie die Eingeweide, zuvor entnommen. Während die Herzen einen schönen Platz in der Augustinerkirche haben, werden die Eingeweide in den Katakomben von St. Stephan aufbewahrt. Da konzentriere ich mich lieber auf die verschiedenen „schaurig schönen“ Aufbauten auf den Sarkophage, die einem den Kunststil verschiedener Epochen nachvollziehen lassen. Neben trompetenden Engeln bis hin zum „gekrönten“ Totenschädel findet sich hier alles wieder. Dem gegenüber steht die Schlichtheit eines kleinen Kindersarges, der mich innehalten lässt. In der 1909 eingerichteten Franz-Josef-Gruft findet man dann auch die Särge von Kaiser Franz Josef I. (gest. 1916) und Kaiserin Elisabeth, besser gekannt als „Sisi“, die 1898 in Genf ermordet worden ist.

Nach soviel Gruft, brauche ich erstmal frische Luft!

Der krönende Abschluss des geschichtlich durchwachsenen Tages findet sich bei einem Besuch der Karlskirche, die für mich auch das Highlight unseres Aufenthalts in Wien darstellt. Der Nachteil des Winters, die Tage sind kurz. Es dämmert, aber dadurch oder gerade dadurch, lässt sich diese für mich einmalige Atmosphäre schon von Weitem, noch auf dem Weg zu dem gekonnt in Szene gesetzten Sakralbau einfangen. Bevor wir jedoch auf Tuchfühlung mit der barocken Kunst gehen, streifen wir direkt auf dem Karlsplatz vorbei am „Wagner-Stadtbahn-Pavillon“, einer permanenten Dokumentation zum Leben und dem Werk des berühmten österreichischen Baukünstlers. Die Wiener Stadtbahn wurde vor 100 Jahren zu Zeiten des Jugendstils eröffnet. Seinerzeit erkannte Otto Wagner den ästhetischen und städtebaulichen Reiz des neuen Verkehrssystems und gestaltete mit. Der mit Marmor und Goldauflage ausgestattete Pavillon dient heute noch als Zugang zur U-Bahn.

Mit einer 180 Grad Kehrtwendung lassen wir den Jugendstilpavillon hinter uns und überqueren die Gartenanlage direkt vor der auffälligen Karlskirche. Es lässt sich im Vorfeld darüber streiten, ob man für die Besichtigung der Kirche einen sogenannten „Erhaltungsbeitrag“ zahlen muss oder nicht. Doch sollte man die Meckerei vielleicht auf nach den Besuch des „Erlebnis Karlskirche“ verschieben, ich denke, sie erübrigt sich!

Der Bau der Karlskirche wurde als das letzte große Werk der barocken Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach und Sohn gestaltet, und 1739 aufgrund eines Gelübdes von Kaiser Karl VI. anlässlich des Pestjahres vollendet. Die Kirche wurde dem Namenspatronen des Habsburgerkaisers, dem Heiligen Karl Barromäus, geweiht.

Beim Eintritt in den Kirchenraum der hell erleuchteten Karlskirche, fällt der Blick unweigerlich als erstes auf den gläsernen Panoramalift. Mit diesem gelangt man auf eine in 32 Meter Höhe befindliche Plattform, die einem eine ungeahnte Perspektive auf die sich über eine Fläche von 1250 qm erstreckenden Kuppelfresken von Johannes Michael Rottmayer ermöglicht. Die Faszination des Augenblicks lässt sich nicht in Worte fassen, das muss man erlebt haben, um den Moment nur annähernd nachvollziehen zu können. Farbenfroh sind die üppigen Fresken, die zwischen 1725 und 1730 entstanden sind. Sie setzen sich mit der Pest und dem Fürbitten um Abwendung auseinander.

Es wird wackeliger! Ein Schild weist darauf hin, dass den folgenden Stiegenaufstieg in die mittige Kuppellaterne nur 10 Personen gleichzeitig benutzen dürfen. Diese einmalige Gelegenheit nutze ich ganz allein, man muss schwindelfrei sein. Langsam bewege ich mich über die wacklige Gerüststruktur in die 60 Meter hohe Laterne hinauf. Immer wieder halte ich an, um noch ein weiteres Bild von dieser überwältigen Anmut mit nach Hause zu nehmen. Oben angekommen, erstreckt sich ein grandioser Rundblick über das beleuchtete Wien in der Abenddämmerung. Es ist ganz still hier, ein Blick an die Decke der Kuppellaterne könnte fast den Eindruck erwecken, man ist im Himmel! Einen wunderbaren unvergesslichen Augenblick nehme ich mit.

Bürgerreporter:in:

Ines Peters-Försterling aus Marburg

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