Momentaufnahmen: „Nachweihnachtlicher“ Lichterglanz in Wien

Kohlmarkt
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Es hat sich mal wieder gezeigt, dass trotz einiger Unkenrufe die Planung einer Städtereise nicht unbedingt von der Jahreszeit abhängt. Jede Stadt versprüht ihren Charme individuell, egal zu welcher Jahreszeit. Die Vorstellung, dass Wien Anfang Januar eigentlich im Schnee versinken müsste, ist zumindest für 2011 widerlegt. Kalt, aber (Schnee) aufgeräumt, ein erholsames Glück für eine viertägige Städtetour.

Es gibt in Wien so viel Interessantes zu sehen, aber man wird nur einiges Wenige schaffen. Wien, die Hauptstadt Österreichs, mit ihren 1,7 Mio. Einwohnern, wird in so manchem Reiseführer als eine der schönsten Städte Europas bezeichnet. Ob das tatsächlich so ist, bleibt dahingestellt, zumindest weiß die Stadt ihren Besucher nachhaltig, nicht zuletzt durch Gastlichkeit und einen eigenen Charme zu beeindrucken. Allgegenwärtig ist die geschichtsträchtige imperiale Vergangenheit. Bedeutende Kunstschätze sind u.a. in den 326 Museen der Stadt zu begutachten und die Musik Mozarts, Strauß, Haydn und etlichen anderen Künstlern begleitet überall. Wien ist alt, aber ebenso neu, eben aufgeschlossen modern und trendy!

Dies spiegelt sich gleich am Anfang unseres Streifzuges in der Altstadt mit Wiens Wahrzeichen, dem 137 Meter hohen Stephansdom in der gegenüberliegenden Glasfassade des postmodernen Haas-Hauses wieder. Moderne Ladengeschäfte rund um den Graben und die belebte Kärntner Straße sind in die barock anmutig hohen Gebäude integriert. Die historische Altstadt vermittelt ein wunderschönes Flair, wo noch immer stimmungsvoll die weihnachtliche Beleuchtung in Form von überdimensionalen Lüstern über der Einkaufsmeile oder geschmackvollen Lichtbehängen an den Häusern erstrahlt. Ich muss zugeben, solch eine bezaubernde Atmosphäre habe ich in noch keiner Stadt erleben können. Der eingefrorene Finger ist stets am Auslöser der Digitalkamera, so dass Aufwärmung in einem der berühmten Wiener Kaffeehäuser gerade recht kommt. Allerdings, der Geldbeutel sollte in Wien für Kultur in jeglicher Form gut gefüllt sein!

Entschieden haben wir uns für das in einer Seitenstraße Nahe des „Steffls“ gelegene Wiener Kaffeehaus „Hawelka“, das als erste amerikanische Bar Wiens im Jahre 1906 unter dem Namen „Je t´aime“ eröffnet worden ist. Das aus der Zeit des Jugendstils stammende Café ist klein und gemütlich, die Wände sind dunkel vertäfelt. Holztische und zierliche Holzstühle, sowie die rot gestreiften in die Jahre gekommenen Samtsofas erzählen Geschichten. Seit Jahrhunderten ist das Wiener Kaffeehaus eine Institution, wo sich Künstler und Literaten treffen. Es darf politisiert werden, „aber bittschön nicht laut“! Bereits seit 1683 gehören die Kaffeehäuser zur Wiener Kultur. Damals wurde dem Polen Franz Georg Kolschitzky das erste kaiserliche Kaffeesiederprivileg verliehen. Angeblich hatte er einen Kaffeesack gefunden, den die Türken nach der zweiten Belagerung in Wien vergessen hatten. Zwei Jahre später eröffnete das erste Wiener Kaffeehaus seine Türen. Bei einem „Melange“ und einem Stück „Sacher“ fällt das Aufwärmen leicht. Gedanken schweifen in vergangene Tage, man fragt sich wie es wohl war, damals!?

Bevor sich die Gedanken immer weiter in die Vergangenheit verirren, tauchen wir lieber wieder in die Kälte der Gegenwart ein, und setzen gestärkt unsere Entdeckungstour durch die beleuchtete Abenddämmerung fort.

Sozusagen auf dem Weg, liegt vor uns der gotische Stephansdom. Während der 68 Meter hohe Nordturm unvollendet geblieben ist, muss man seinen Hals schon ziemlich strecken, um den sich nach oben verjüngenden Südturm, eines der höchsten Kirchtürme in Mitteleuropa, in ganzer Pracht begutachten zu können. Seit dem 12. Jahrhundert haben die Baumeister verschiedener Epochen den Sakralbau beherrscht. So ist es nicht verwunderlich, dass der „Steffl“ in dieser Form einzigartig ist. Im Sog vieler anderer Besucher, lassen auch wir uns in die Finsternis der Kirche ziehen. Eine Andacht, abgesperrt vor ungebetenen Gästen, erhellt den Innenraum in der Mitte ein wenig und lässt einen Blick auf die wertvollste Statue, die Madonnenstatue, erhaschen. Etwas Enttäuschung macht sich breit, die imposante äußere Erscheinung des Doms, kann mich hier im düsteren Innern nicht mitreißen. Das auch am Stephansdom die Zeichen der Zeit nicht Halt machen, spiegelt sich deutlich an der Außenfassade wieder. Es wird viel dafür getan, um den Schadstoffbelastungen aus der Luft Einhalt zu gebieten. So wurden Waschungen ohne chemische Zusatzstoffe mit reinem Wasser und weichen Wurzelbürsten vorgenommen, davon kann so manch einer nur träumen!

Überhaupt ist es erstaunlich, wie gut die historischen Gebäude und Denkmäler in Wien erhalten sind. Das kostet den Bund allerdings auch eine kleine Stange Geld von immerhin 45 Millionen Euro im Jahr. Es hat sich gelohnt, dass steht für mich fest.

Über die Kärntner Straße geht es weiter in Richtung Staatsoper. Hell erleuchtet und perfekt in Szene gesetzt, wird man erstmal auf das herrschaftliche „Hotel Bristol“ aufmerksam. Dem gegenüber erstrahlt die Staatsoper etwas verhaltener, aber nicht wesentlich unattraktiver. Sie ist eines der ersten Prachtbauten, die an der Ringstrasse errichtet (1863 bis 1869) worden sind. Auch die Wiener Staatsoper kann sich damit rühmen, zu einer der musikalischen Topadressen der Welt zu gehören.

Die Musikbesessenheit der Wiener schlägt sich nicht zuletzt in kritischen Verschmähungen als auch begeisterter Verehrung des stetig wechselnden Opernrepertoires nieder. Viele bekannte Direktoren wie Gustav Mahler, Richard Strauss, Herbert von Karajan …, durften sich hier gekonnt präsentieren. In der Faschingszeit werden alljährlich die Bühne und der Saal zu einem großen Tanzboden umfunktioniert. Dann findet hier nämlich der „Wiener Opernball“ statt, den hundertachtzig Debütantenpaare eröffnen.

Wir entscheiden uns gegen eine Führung, da die Bilder von unserem letzten Aufenthalt in Budapest mit der Führung durch die Budapester Staatsoper doch noch sehr präsent sind. Weiter geht´s auf der Suche nach einem echten „Wiener Beisl“, vorbei am Wiener Rathaus. Ein gewaltiger neogotischer Gebäudekomplex erstrahlt in ganzer Pracht. Mit seinen offenen Arkaden, Spitzbogenfenstern und Schmuckelementen erinnert mich dieser Bau ein bisschen an das Rathaus in Brüssel am „Grottchen Markt“. Schade, wir sind zu früh für das bevorstehende Wintermärchen. Ab dem 20. Jänner 2011 wird der gesamte Rathausplatz einschließlich des Parks zur weltgrößten Eislauffläche umfunktioniert. Man kann nicht alles haben, wir träumen aus der Ferne gerne mit. ;-)

Neben dem Rathaus haben wir unser Ziel, das „Cafe Bierbeisl Einstein“ erreicht. Das Beisl ist eine typische wienerische Erscheinungsform eines Esslokals. Der Begriff selbst stammt wahrscheinlich aus dem Jiddischen, abgeleitet von „bajiss“, dem Haus. Wir finden uns in gemütlicher Atmosphäre und einladender Gastlichkeit durch den engagierten Kellner wieder. Die typisch klassische Ausstattung mit dunkel gestrichener Holzvertäfelung, einfachen Holztischen und Stühlen passt. In der Karte erwartet den Besucher die traditionelle Vorstellung österreichischer Schmankerl, was sich bei der Bestellung mit einem „Wiener Schnitzel mit Reis und Erdäpfel-Vogerlsalat“ niederschlägt. Zur Begrüßung gibt es einen „Pfiff“ Zwickl = 1/8 Bier zum Aufwärmen, wir bevorzugen jedoch eher das „Krügel“, denn da ist wenigstens was drin. Das Essen und das österreichische Bier schmecken bestens, so dass wir uns gut gestärkt kurzerhand beschwingt entschließen, noch einen Abstecher zum Prater zu machen.

Schon von Weitem streckt sich das 67 Meter hohe Riesenrad zwischen Donau und rechtem Donaukanal in die Lüfte. Es ist spät und eine beschauliche Ruhe liegt in der Luft. Einige Hürden musste das Riesenrad in seiner über 100jährigen Geschichte schon nehmen. Im Jahr 1897 wurde es zur Feier des 50. Thronjubiläums Kaiser Franz Joseph I. errichtet. Im 2. Weltkrieg 1944 durch einen Brand zerstört, wurde das Riesenrad ein Jahr später zeitgleich mit dem Staatstheater, der Staatsoper und dem Stephansdom wieder aufgebaut. 2002 finden sich acht verschollene Waggons zurück in ihrer Bestimmung, so dass der Besucher jetzt bei der Fahrt zu einer Zeitreise in die Geschichte aufbrechen kann. Vielleicht oder gerade wegen der Ruhe ist das Riesenrad beleuchtet und unbemannt einfach schön anzuschauen, auch wenn es sich gerade nicht dreht.

Bürgerreporter:in:

Ines Peters-Försterling aus Marburg

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