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Luft-Eklektoren geben Aufschluss über Diversität in Baumkronen

  • Forscher nutzen oft Malaise Fallen - benannt nach ihrem Erfinder - um Fluginsekten in Bodennähe zu fangen. Hier baut Insektenforscher Dr. Esser eine Falle auf der Dreiborner Hochfläche auf.
  • Foto: Nationalparkverwaltung
  • hochgeladen von Karl-Heinz Huber

Erstmals Insektenleben zwischen Baumwipfeln erforscht

Schleiden-Gemünd - Hoch hinaus gingen Forscher im Nationalpark Eifel, um erstmals das Insektenleben in den Baumwipfeln zu untersuchen.

In bis zu 20 Meter Höhe sammelten sie Fluginsekten mit so genannten Lufteklektoren in der Zeit zwischen März und September in den Baumwipfeln von Buchen, Eichen und Kiefern. Unter ihnen erwarten die Wissenschaftler hoch spezialisierte Arten. Ende September wurde die letzte Falle abgebaut. Bis zu neun Forscher arbeiten nun an der Auswertung des mehr als 10.000 Insekten umfassenden Fanges.

Seit mehreren Jahren untersuchen Biologen das Vorkommen verschiedener Insektengruppen im Nationalpark Eifel. Meist bodennah fingen sie per Hand oder in so genannten Malaise-Fallen ein breites Spektrum an Arten. Die Welt in den Baumkronen, dort wo sich zahlreiche spezialisierte Arten tummeln, blieb ihnen bislang verborgen. In Mitteleuropa gehen Forscher nur selten in diese Höhen, um Tiere zu kartieren, wie es aus artenreichen Tropenwäldern bekannt ist.

Doch die Wissenschaftler des Nationalpark Eifel wollten es wissen: „Erst das Wissen über die Artenvielfalt auch dieser Waldbereiche kann Aufschluss über die aktuelle Ausstattung der Nationalparkwälder geben“, erläutert der Leiter des Fachgebietes Forschung und Dokumentation, Dr. Michael Röös. Außerdem seien die Daten wichtig, um die Entwicklung der nicht mehr einer menschlichen Nutzung unterliegenden Wälder, auch im Zuge der weltweiten Klimaerwärmung, verfolgen zu können.

2012 sollten nun erstmals durch das Anbringen fünf dieser Fallen Einblicke in das Leben in den Baumkronen von Eichen- und Buchenwäldern in Kermeter und Hetzinger Wald gewonnen werden.

Die Nationalparkverwaltung beauftragte Dr. Jürgen Esser aus Dormagen: Seit 2008 kartiert der Biologe im Nationalpark. Im vergangenen Winter baute Esser eigenhändig die Lufteklektoren zum Fang flugaktiver Insekten. „In den Baumkronen tummeln sich hoch spezialisierte Insekten, die beispielsweise nur dort nach Nahrung für ihren Nachwuchs suchen“, erläutert Esser. Seine Spezialität sind Wildbienen und Wespen („Stechimmen“), die sich aufgrund ihrer oft engen Bindung an bestimmte Lebensräume, Nistplätze und Nahrungspflanzen in besonderem Maße als Bioindikatoren eignen. Das heißt, aufgrund ihres Vorkommens ist eine Aussage über den Zustand eines Lebensraumes möglich.

Im März hingen Baumkletterer der Nationalparkverwaltung die Anflug-Fallen in fünf bis 20 Metern Höhe auf. Die Fallen bestehen aus übergekreuzten Plexiglasscheiben, die anfliegende Insekten nach oben oder unten über Trichter in alkoholgefüllte Fanggefäße leiten. Mittels Schnüren an einem im Baum angebrachten Holzgalgen befestigt, lassen sich die Fallen einfach herunterseilen und leeren. Als Standorte wurden Baumkronen in Eichen-, Buchen- und Kiefernwaldrändern sowie in trockenwarmen mit Felsen durchsetzten Eichenwäldern im Kermeter und Hetzinger Wald gewählt.

Alle zwei Wochen leerten Ranger die Becher. „Ohne die tatkräftige Unterstützung der Nationalpark-Mitarbeiter vor Ort wären diese aufwändigen Untersuchungen nicht möglich.“ so Esser. Die Fangphase 2012 ist nun beendet. Neben den Tieren aus den diesjährigen Lufteklektoren warten noch bis zu 100.000 Insektenfunde der vergangenen vier Jahre darauf untersucht und bestimmt zu werden.

Erste Auswertungen ergaben beispielsweise, dass 24 der bis jetzt im Nationalpark nachgewiesenen Stechimmen-Arten sich auf der Roten Liste der in Deutschland gefährdeten Arten befinden, 59 auf der entsprechenden Liste für Nordrhein-Westfalen.

„Im Nationalpark ist vor allem die Entwicklung spannend. Schließlich greift der Mensch in den größten Teil der Fläche nicht mehr ein, das heißt, die Natur ist einer fortlaufenden Veränderung unterzogen, bei der sich die Artenzusammensetzung mit jeder Phase ändert“, so Dr. Esser.

Bereits in den ersten Jahren der Untersuchungen habe sich herausgestellt, dass im Nationalpark Eifel noch Arten vorkommen, die andernorts in NRW gefährdet oder bereits ausgestorben sind, wie die Berg-Feldwespe Polistes biglumis. Sie wurde an den trockenwarmen Hängen des Odenbachtals erstmals wieder seit 1952 in NRW nachgewiesen. Die Zahl der im Nationalpark nachgewiesenen Wildbienen und Wespen hat sich bis Ende 2012 ohne die noch auszuwertenden Eklektorfänge aus diesem Jahr auf 259 Arten erhöht, das entspricht 60 Prozent der bekannten Eifel-Fauna.

Geplant ist es, die Auswertungen und Erkenntnisse dieser Untersuchungen im nächsten Jahr zu veröffentlichen.

Hintergrund:
An der Auswertung des Insektenfundes sind bis zu neun Spezialisten beteiligt. Bearbeitet werden verschiedenste Insektengruppen: neben den äußerst artenreichen Hautflüglern, wie Wildbienen, Wespen, Ameisen, Pflanzenwespen unter anderem auch zahlreiche Zweiflügler wie die Schwebfliegen, Hummelschweber oder Bremsen sowie Schmetterlinge, Käfer, Kamelhalsfliegen und Wanzen.

Biologe Dr. Jürgen Esser sortiert den gesammelten Fang vor. Er selektiert die Insekten, auf die er spezialisiert ist und genauer untersuchen wird: Allein zirka 6.000 Hummeln, Bienen und Wespen fand Dr. Esser in den Proben der vergangenen Jahre. Dann wird der restliche Fundus an andere Experten weitergereicht, die sich ihre jeweilige Artengruppe herauslesen.

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