Mitten in der Gesellschaft, mitten in Landsberg - Zehn Jahre Sozialtherapeutische Einrichtungen der AWO

Glück- und Segenswünsche nahm Einrichtungsleiter der Sozialtherapeutischen Einrichtungen, Erich Berchtold (3. vorne links), von vielen Seiten entgegen, darunter Ursula Bittner (2. vorne links), stellvertretende Bezirkstagspräsidentin, Oberbürgermeister Mathias Neuner (4. vorne links) und stellvertretende Landrätin Ruth Sobotta (5. vorne links).
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  • Glück- und Segenswünsche nahm Einrichtungsleiter der Sozialtherapeutischen Einrichtungen, Erich Berchtold (3. vorne links), von vielen Seiten entgegen, darunter Ursula Bittner (2. vorne links), stellvertretende Bezirkstagspräsidentin, Oberbürgermeister Mathias Neuner (4. vorne links) und stellvertretende Landrätin Ruth Sobotta (5. vorne links).
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Eine psychiatrische Einrichtung zeigte sich im schönsten Festtagskleid: Klienten, Mitarbeiter, Freunde und Förderer feierten jetzt den 10. Geburtstag der Sozialtherapeutischen Einrichtungen (STE) in Landsberg. Viele Amts- und Würdenträger waren gerne der Einladung von Einrichtungsleiter Erich Berchtold gefolgt. Bei strahlenden Sonnenschein füllten bald lebhafte Gespräche und Aktivitäten das AWO-Zentrum. Denn: Nach einer festlichen Feierstunde im Wiener Cafe mit vielen Grußworten und Glückwünschen, wechselten die Gäste bald in großer Zahl auf die Terrasse oder in den Garten...

Menschen mit psychischen Erkrankungen sollen in Landsberg ein Leben mit einer größtmöglichen Normalität führen. Das ist das erklärte Anliegen des STE-Teams unter Führung des Sozialpädagogen Erich Berchtold. Er ließ die Stationen der Umsetzung Revue passieren: Im Jahre 2002 wurde die psychiatrische Klinik des Bezirks im Klinikum Landsberg mit ihren Stationen und einer Institutsambulanz in Betreib genommen. Fast zeitgleich hat die AWO in der Pater Rupert-Mayer-Straße 34 im Westen der Stadt die Sozialtherapeutischen Einrichtungen eröffnet. Was wurde dort aufgebaut? Eine stationäre Langzeitwohngruppe mit Beschäftigungsangeboten, die 8 Plätze umfasst. Am 1. April 2002 und im Herbst kam noch eine zweite Wohngruppe mit 6 Plätzen dazu. 2003 wurde wieder um zwei Plätze erweitert und es kam die Ergotherapie zur Beschäftigung und Förderung der Klienten hinzu.

2005 eröffnete die STE die stationäre Außenwohngruppe mit 3 Plätzen in der Iglinger Straße 3. Sie ist geeignet für Klienten, die eine nicht so intensive Betreuung wie in den Langzeitwohngruppen benötigen und die unter tags einer Beschäftigung außer Haus nach gehen oder sich auch selbst beschäftigen können. Das erste Zuverdienstprojekt "Café Freiraum" kam zeitgleich dazu, ab Anfang 2008 auch das Antiquariat „Hören & Lesen“ im Pavillon des AWO-Zentrums.

Im Januar 2008 erfolgte dann der Umzug mit den Langzeitwohngruppen aus der Pater-Rupert-Mayer Straße ins AWO-Zentrum. Zwei Wohngruppen mit jeweils 9 Einzelzimmern sind hier eingerichtet worden. In der Gruppe im 1. Obergeschoß des Pavillons wohnen Klienten, die auf Grund ihrer Beeinträchtigung und ihres Alters eher langfristig bei der AWO eine Heimat finden. Im Erdgeschoss, in der sogenannten Verselbständigungsgruppe, leben jüngere oder weniger beeinträchtigte Klienten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nach einer Förderungsphase wieder in weniger betreute Wohnformen wechseln werden.

Die Räume in der Pater-Rupert- Mayer-Straße 34 wurden verkleinert und die Außenwohngruppe zog ein in diese Räume. Die zweite Wohnung in der Pater-Rupert-Mayer-Straße 28 in unmittelbarer Nachbarschaft wurde zur ambulanten therapeutischen Wohngemeinschaft mit 5 Plätzen bestimmt. An die Räume der Außenwohngruppe wurde ein 1-Zimmer- Appartement angegliedert, in dem ein Klient über Einzel- Betreutes-Wohnen unterstützt wird. Die STE hat einen weiteren Platz für Betreutes-Einzel-Wohnen. Hier ist der Klient selbst Mieter in einer Wohnung und wird stundenweise begleitet. Diese verschiedenen, von der Betreuungs-Intensivität sehr unterschiedlichen Wohnformen sind individuelle Antworten auf die Bedürfnisse der Klienten.

Wer sind die Menschen, die in der STE eine Heimat suchen? Häufig sind es ineurotische und psychotische Störungen, wie schwere Depressionen, schizophrene Psychosen, bipolare Störungen, Persönlichkeitsstörungen, Zwänge und Ängste, die die Bewohner beeinträchtigen. Ursachen sind biopsychosoziale Wechselwirkungen. Im Vordergrund der Arbeit stehen die psychosozialen Faktoren, auf die man Einfluss nehmen kann, um die psychische Stabilisierung der Betroffenen zu fördern. Menschen, die sich längere Zeit mit ungelösten psychosozialen Konflikten auseinandersetzten, reagieren mit Ausschüttungen von Stresshormonen. Wird das Problem nicht gelöst, kommt es zu langanhaltenden körperlichen Stressreaktionen. Manchmal kommt es dann zu unbewussten Problemlösungsversuchen über Symptome, die im sozialen Zusammenleben stören - den Betroffenen und andere auch! Die Bewältigung des Alltags gelingt daraufhin oft nicht mehr.

Während dieser Phase wird meist eine medizinische psychiatrische Behandlung und Beratung aufgesucht. Häufig erfolgt eine Stabilisierung. Manche Betroffene durchleben nur ein oder zwei Mal eine solche Krise. Mit adäquater Unterstützung kommen sie bald wieder in ihrem Leben zurecht. Wenn aber die Probleme nicht gelöst werden und es dadurch immer wieder zu unbewussten Lösungsversuchen durch Symptome kommt, können sich die Störungen verfestigen. Wenn nach mehrmaligen Klinikaufenthalten beim Sozialdienst der Klink oder bei den gesetzlichen Betreuern oder Angehörigen oder den Betroffenen der Eindruck entsteht, eine intensivere Unterstützung sei nötig, wird bei der STE nach einer geeigneten Wohnform und einem Beschäftigungsangebot Ausschau gehalten.

Die beschriebenen Phänomene gehören prinzipiell zur Erlebnismöglichkeit eines jedes Menschen. Jeder Mensch kann in eine psychische Krise geraten und benötigt dann Hilfestellung. Die Gesellschaft versieht diese Verhaltensauffälligkeiten mit einem Etikett und nennt sie Krankheit. Welche Bilanz zieht Erich Berchtold? "Zehn Jahre wohnen Menschen mit psychischen Erkrankungen nun schon mitten in Landsberg – bei uns in der STE," sagte er, "damit sind wir Teil unserer Stadt und haben nur ganz vereinzelt erlebt, dass es uns gegenüber ängstliche oder ablehnende Reaktionen von Mitbürgern gegeben hat. Im Gegenteil: Wir erfahren Interesse an unsere Arbeit. Es gibt vielfältige Kontakte mit den Menschen, die in unsere Einrichtung kommen, sei es über das Mehrgenerationenhaus oder die Praktikanten der Fachoberschule bzw. der Ergotherapie-Schule. Und: Wir konnten Ehrenamtliche gewinnen, die unseren Alltag teilen und bereichern. Das alles hilft Ängste und Vorurteile abzubauen und menschliche Erfahrungen weiterzugeben. Ein weiterer wichtiger Schritt zur Verbesserung der Begleitung von Menschen mit erheblichen psychischen Störungen wäre die Verbesserung der ambulanten Versorgung, damit so wenig wie möglich eine intensivere Unterstützung benötigen. Hier ist die AWO, wie in der letzten Ausgabe berichtet, mit AWOLYSIS im Rahmen der Integrierten Versorgung auf dem richtigen Weg".

Bürgerreporter:in:

Anke Wilk aus Landsberg am Lech

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