Tagebuch eines Sommers - Teil 2

In der Nähe des Südmährerdenkmals Unterretzbach an der österreichisch-tschechischen Grenze.
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  • In der Nähe des Südmährerdenkmals Unterretzbach an der österreichisch-tschechischen Grenze.
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Kapitel 38.: Freitag, der 26. Juli

"Zum Frühstück aß ich ein Stück Kuchen und trank eine Tasse heiße Schokolade. Wir spielten auch Tic Tac Toe. Antonia war dabei streckenweise so müde, dass sie auf der Bank einschlief. Sie hatte in der letzten Nacht schlecht geschlafen, da sie nur einen sehr dünnen Schlafsack hatte.
Am Souvenirstand draußen kaufte ich eine Menge Ansichtskarten und ein Mineral.
Kurz nach Drei fuhren wir mit der Lünerseebahn hinab zur Bushaltestelle. An einem Kiosk kaufte ich einen originellen Bleistift mit den Wappen der neun Bundesländer und je einem Landschaftsmotiv.
Die Busverbindung war ziemlich günstig. Wir mussten weniger als eine halbe Stunde warten. Der letzte Bus ging zwar erst 17:00 Uhr, aber das Risiko war mir zu groß.
Als Treffpunkt war der Bludenzer Bahnhof um 22:00 Uhr ausgemacht. Dort befand sich auch die Busendstelle. Unterwegs sahen wir noch eine Menge von der Landschaft. Das Wetter hatte sich überraschend wieder gebessert. Noch gestern Morgen war es unangenehm nasskalt. Erst ab dem gestrigen Mittag wurde es wärmer.
Am Bludenzer Bahnhof trafen wir die Anderen wieder. Sie waren kurz vor uns mit der Seil-bahn hinab gefahren. Wir tauschten Erlebnisse aus.
Die Abfahrt mit dem Nachtzug ist überraschend auf Dreiviertel Zehn vorverlegt worden, da im geplanten Zug nichts mehr frei war.
Wir gingen nun in eine Pizzeria, um die gelungene Woche zu begießen. Ich bestellte nur ein Glas Bier, da meine finanziellen Mittel zu Ende gingen. Johannes spendierte für alle eine Runde Weiß- und Rotwein. Diese Mischung wirkte sehr Rausch erzeugend. Der Bahnhof lag zum Glück gegenüber, so musste ich hinterher nicht allzu weit schwanken.
In der Bahnhofshalle war eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen über die Strecke Bludenz bis irgendwo zu sehen. Auf einer war ein Selbstmörder zu sehen, der sich an das Gleis gekettet hatte. Ich lief in der noch verbleibenden Wartezeit auf dem Bahnsteig auf und ab. Hinter den Gleisen entdeckte ich eine Lagerhalle von 'nestle', angeblich die geheime Regierung der Schweiz, und von 'milka'. Unser Zug ging, wie gesagt, gegen Dreiviertel Zehn. In Innsbruck mussten wir zwei Stunden später umsteigen."

Kapitel 39.: Sonnabend, der 27. Juli

"Dreiviertel Sieben trafen wir in Wien-West ein. Transportiert hatte uns eine Lokomotive der Deutschen Bundesbahn. Ich vermutete, dass in Salzburg getauscht wurde. Wir frühstückten auf der Terrasse der Ankerfiliale im Bahnhof. Ich hob vorher am Bankomat etwas Geld ab. Dann fuhren wir mit der U6 bis Floridsdorf, von wo aus wir schließlich nach Retz zurückfuhren.
Erwähnenswert wäre noch, dass Cornelius während der Wanderung ununterbrochen das 'Hupf in 'n Gatsch'-Lied von Georg Danzer aus dem Jahr 1976 gesungen hatte.

Wieder zuhause, setzte ich mich dann gleich an die Schreibmaschine. Thomas hatte den Plan gefasst, auch jüngere Leser für seine Zeitung zu begeistern. So war er auf die Idee gekommen, sporadisch eine Jugendseite zu veröffentlichen. Auf welcher Jugendliche selbst über ihren Alltag berichten sollten.
Ich hatte ihm daraufhin vorgeschlagen, als erste Geschichte unsere Bergwanderung zu nehmen. Thomas war einverstanden.

'Bergwoche

Eine Schülerin und vier Schüler der Klasse III. B der HAK Retz, begleitet von der bergerfahrenen Retzer Pastoralassistentin Marlene Landmann und der Schwester einer Schülerin, zog es in diesen Sommerferien in die Alpen. So bestiegen die sieben Bergbegeisterten am späten Abend des 20. Juli den Nachtzug Richtung Feldkirch, um eine Woche lang abseits von Kitsch und Touristenrummel gemeinsam das Abenteuer Alpen zu wagen.
Auch die längste Reise beginnt mit einem einzigen Schritt. Ausgangspunkt unserer Reise war die kleine Ortschaft Brand in unmittelbarer Nähe der Schweizer Grenze. Dass der Schwung nach dem Start eines Marsches schnell nachlässt und der nachfolgende Teil am meisten strapaziert, stellten wir fest, als wir unsere erste Zwischenstation, die Douglasshütte, erreichten. Ihre romantische Lage am Ufer des Lünersees hatte sie zu einem beliebten Treffpunkt für Ausflugstouristen gemacht. Sie war zudem mit der Lünerseebahn, einer halbstündlich verkehrenden Seilbahn, bequem zu erreichen.
Fast unbemerkt änderte sich beim Gang um den See die Kulisse. Die ohnehin spärlich gewordene Vegetation verschwand bald völlig. Die Luft wurde dünner, verlangte von jedem von uns das Einsetzen einer richtigen Atemtechnik ab. Ein raues, von Geröllfeldern durchzogenes Bergland erwartete uns. Wir bekamen nun selbst vor Augen geführt, was uns einst die Geografielehrer über die Höhenstufen in den Bergen beibrachten. Auch die Zahl der Wanderer, die uns entgegenkamen oder überholten, verringerte sich drastisch. 'Jetzt begegnen wir den echten Naturfreunden', definierte es ein Mitglied unserer Gruppe treffend. Und am Ende des Tages wunderten wir uns schließlich gar nicht mehr, wie die einsame Hütte am Gipfel des Berges, in der wir die Nacht verbringen würden, zu dem Namen Totalphütte gekommen ist.
Nur eine halbe Stunde Fußmarsch trennte uns noch von der Schweizer Grenze. In diese Richtung brachen wir am nächsten Tag auf. Die steil ansteigende Lünerseealpe führte uns zum Gaffaljoch, einem geografischen Grenzübergang zur Eidgenossenschaft. Der Zoll, den wir beim Übertritt entrichten mussten, bestand folglich in einer Menge Schweißperlen und einem erhöhten Maß an Trittfestigkeit. Zum Lohn präsentierte sich uns die Schweiz beim Abstieg von ihrer schönsten Seite. Strahlend blauer Himmel über schneebedeckten Bergkuppen und saftige grüne Wiesen mit grasenden Kuhherden empfingen uns. Ein Bild, das uns den ganzen Tag begleitete. Es hätte uns wahrscheinlich nicht einmal mehr überrascht, unterwegs 'Heidi' und die 'lila Kuh' zu treffen.
Mit einem freundschaftlichen 'Krüizi' hieß man uns am Abend auf der Garschinahütte willkommen. 'Krüizi' gehörte übrigens zu den wenigen Worten des Schweizer Dialektes, die wir auf Anhieb verstanden. Häufiges Nachfragen und 'Reden mit Händen und Füßen' blieben uns nicht erspart. Jedoch scheint etwas Fremdes generell erst einmal merkwürdig, wenn nicht gar unheimlich zu sein. Das führten uns jene Schweizer Touristen vor Augen, die uns nach unserer Herkunft fragten. Wie sie erzählten, war es ihnen einfach nicht gelungen, u n s e r e n eigenartigen Dialekt geografisch einzuordnen.
Zur Erholung legten wir am dritten Tag eine kurze, Knochen schonende Strecke zurück. Ziel war die Tilisunahütte wenige Schritte hinter der österreichischen Grenze. Einer Grenze, die in diesem Abschnitt eigentlich mit nichts darauf hinwies, dass hier die Territorien zweier Staaten aufeinander stießen. Einzig allein eine gusseiserne Tafel mit den Aufschriften 'Österreich' beziehungsweise 'Schweiz' markierte den Verlauf der Demarkationslinie. Ein Lehrbeispiel, wie es überall in Europa funktionieren könnte?
An der Tilisunahütte trennten wir uns zum ersten Mal. Die Sportlichen unter uns erklommen die Sulzfloh. Die Fußmüden genossen die stille Behaglichkeit des Tilisunasees.
Ein Regenguss in den Alpen soll schon eingefleischte Atheisten zum Beten gebracht haben. Das ging uns durch den Kopf, als uns am Morgen des vierten Tages das bisher tadellose Wetter offenbar verlassen hatte. Strömender Regen hinderte uns einige Stunden am Weitergehen. Wir waren daher froh, die Lindauerhütte trocken in den Mittagsstunden zu erreichen. Überhaupt blieben uns unliebsame Überraschungen während der gesamten Woche erspart.
Am Abend kamen wir mit zwei Deutschen aus Nordhausen, einer Stadt am Rande des Harzes, ins Gespräch. Gemeinsam vertrieben wir uns die Zeit bei 'Uno' und 'Pasch'.
Eine Reise in die Grenzregion eines Landes bietet auch eine gute Gelegenheit, die kulturellen Einflüsse des Nachbarstaates zu untersuchen. Ein einfaches und praktisches Studienobjekt dafür ist die Umgangssprache der jeweiligen Region. Gleich zwei Sprachformen übten Einfluss auf die Zunge des 'Ländles' aus: das Schwyzerdütsch und das Französische. So bedanken sich viele Vorarlberger zum Beispiel mit 'Merchsi'. Ebenfalls typisch schweizerisch ist die Floskel 'An Guatn' zu Beginn einer Mahlzeit.
Im Nu brach der fünfte Tag an, was für uns bedeutete, an den Ausgangspunkt unserer Reise, den Lünersee, zurückzukehren. Dort angekommen, teilten wir uns wieder auf. Alle, die nicht mehr in der körperlichen Verfassung zum Weitermarschieren waren, verbrachten den Rest des Tages in der Douglasshütte. Nur die ganz Mutigen wagten noch den Aufstieg in die Stein- und Eiswüste der Schesaplana, einem Gipfel von nahezu 3.000 Metern Höhe.
Am Freitag, dem 26. Juli, trafen wir uns alle in Bludenz wieder, wo wir die gelungene Woche in einer Pizzeria ausklingen ließen.'

Am Abend besuchten wir den Retzer Musiksommer. 'Vienna Police Brass' trat auf. In der zweiten 'Halbzeit' unterhielten wir uns mit der Mutter von Wilhelm auf der Terrasse des Althofrestaurants."

Kapitel 40.: Sonntag, der 28. Juli 1996

"Heute ging es gleich weiter mit Presseterminen. Um 14:00 Uhr fand die Segnung der erneuerten Pieta der Thomermarter in der Kirchberggasse statt. Frau Schulrat Löscher erklärte etwas über die Geschichte der Marter. Pater Max Svoboda von den Dominikanern und Stadtpfarrer Groll gestalteten eine Messe. Von der Lokalprominenz waren der Bürgermeister sowie die Stadt- und Gemeinderäte anwesend.
Bei der Eingliederung des Dominikanerarchivs in das Stadtarchiv entdeckte der Retzer Heimatforscher Prof. Anton Resch die Originalstiftungsurkunde. Daraus geht hervor, dass die vier Brüder Mathias, Joseph, Johannes und Marthin Löscher am 11. September 1714 bei dem Dominikanerweingarten 'in Thomern' eine gemauerte 'Creuz-Säule' zum 'seeligen Gedächtnis' ihres Vaters Simon Löscher setzten. Dieser war Grundrichter der Trautsonischen Untertanen und wohnte Fladnitzerstraße Nr. 27 (heute 55). In einer tiefen Nische der Marter stand bis zur Renovierung 1990 eine ausdrucksstarke Pieta aus Holz. Damals wurde sie gestohlen.
Von den vier Brüdern wurden bis jetzt die Nachkommen des Joseph und des Marthin in lückenloser Reihenfolge erforscht."

Kapitel 41.: Montag, der 29. Juli

"Heute fuhren Mutter und ich nach Znaim, um etwas zur Stabilisierung der politischen Lage in Mitteleuropa beizutragen – durch die Unterstützung der tschechischen Wirtschaft.
Vom Znaimer Bahnhof fuhren wir mit dem Stadtbus bis zum Platz der Freiheit.
Wir gingen als Erstes in einen kleinen Schmuckladen in der Horní Česká, wo Mutter sich einige Ketten kaufte. Ich kaufte ein Mineral und zwei Maisfiguren für meinen Glasschrank.
Und damit es dort nicht so leer aussieht, holte ich aus einem Geschäft am Oberen Hauptplatz eine Maulwurfsfigur aus der bekannten Trickfilmserie.
Dann kauften wir im Lederwarengeschäft an der Ecke zur Fußgängerzone eine neue Sporttasche für mich.
Gefrühstückt haben wir im Bistro in der Fußgängerzone, wo wir im vorigen Herbst mit der Klasse während der Exkursion gegessen haben.
Bei Straßenhändlern in der Passage kaufte Mutter sich einen Pullover.
Dann entdeckten wir die Krämergasse. Es war eine Atmosphäre wie in der k.u.k.-Zeit. Die Straße wurde ihrem Namen gerecht – kleine Geschäfte im alten Stil reihten sich dicht aneinander. In einem Antiquariat kauften wir eine Butterglocke und eine kleine Büste vom Kaiser. Am Ende der Gasse gegenüber vom Kloster holten wir einen Film aus dem Fotofachgeschäft.
Als Letztes gingen wir in den Lebensmittelladen in der Nähe des Oberen Hauptplatzes, der uns immer so sehr an einen Konsum in der DDR erinnert.
Mit dem Wetter hatten wir Glück.
Auf dem Bahnhof hatten wir dann noch Zeit, bevor der Zug kam. Wir setzten uns auf eine Bank auf dem Bahnsteig und tranken etwas.

Am Nachmittag sah ich in den Kirchenpark, wo im Rahmen des jährlichen 'Retzer Ferien-spiels' der 'Flohmarkt für Kids' stattfand – in der dunklen Ahnung, dass jemand hinterher an Fotos von der Sache Interesse haben könnte. Tatsächlich war Marlene froh, als ich aufkreuzte.
Ich kaufte dann zwei Match-Box-Autos – aus diesem Alter komme ich einfach nicht heraus. Das muss wohl irgendwie DDR-bedingt sein.

Am Abend lief in ORF 1 der zweite Teil von 'Zurück in die Zukunft'."

Kapitel 42.: Dienstag, der 30. Juli 1996

"Heute ging ich mit Kräuterpfarrer Hermann-Josef Weidinger auf eine Kräuterwanderung rings um die Retzer Windmühle. Diese fand im Rahmen des 'Retzer Ferienspiels' statt. Zuletzt sah ich Weidinger vor zwei Jahren im Kulturkeller Unterretzbach.
Die Veranstaltung begann am Hauptplatz vor der Raiffeisenkasse, welche das finanzierte. Da ihm die Lauferei hinauf zu viel gewesen wäre (Er muss schon 79 oder 80 sein.), standen Autos für den Transport bereit. Raiffeisenkasse-Geschäftsführer Grünauer nahm ihn und mich mit hinauf. Es war ein tolles Gefühl, mit einer Person im Auto zu sitzen, von der man jetzt schon wusste, dass sie dereinst in den Geschichtsbüchern stehen würde.
Oben begann die Führung auf dem Parkplatz hinter der Mühle, führte vorbei am Soldatenfriedhof und ging zurück über den geteerten Weg zur Windmühle. Alle waren begeistert, wie viele Kräuter mit heilender oder vorbeugender Wirkung der Pfarrer auf einem kleinen Feldrand entdecke. Jemand bemerkte sehr treffend: 'Jetz, wo ma waß, wofia dös oalles guat is, traut ma si goa nimma meah draufzusteigen!' Zu den beschriebenen Kräutern gehörten Spitzwegerich, Breitwegerich, Johanniskraut, Schaafgarbe, Hagebutte, Silberdistel, Melde und Beifuss, um nur einige zu nennen.
Hinterher gab es im Garten des Windmühlheurigens Bewirtung mit ofenfrischen Semmeln und Traubensaft.
Zurück in die Stadt fuhren wir mit dem Kleinbus von Herrn Langenbrock aus der Raiffeisenkasse. Vorher schoss ich ein Pressefoto vom Kräuterpfarrer und Geschäftsführer Grünauer.

Am Abend rief Marlene vom Pfarrhof aus an, wo sich unsere Alpenfahrt-Runde versammelt hatte. Ich marschierte sogleich hin.
Isolde, Paula und Georg waren mit der Zusammenstellung einer Lagerzeitung für das diesjährige Jungscharlager beschäftigt, das eine Woche vor unserer Bergwoche stattfand. Ich bekam auch die Fotos von der Woche zu sehen."

Kapitel 43.: Mittwoch, der 31. Juli

"Heute fuhren wir nach Brünn. Ich hatte das Mutter schon länger versprochen.
Wir nahmen den Zug nach Znaim kurz nach Sieben. In Znaim hatten wir wie üblich eine Stunde Aufenthalt. Ich kaufte am Kiosk in der Bahnhofshalle einen Hamburger und eine Rolle Opavia-Kekse. Dann setzten wir uns auf eine Bank vor der Halle.
10:53 Uhr kamen wir in Brünn an. Gleich auf dem Bahnsteig erwartete uns eine Überraschung. Die Lautsprecherdurchsagen wurden auf Tschechisch, Deutsch und Englisch gesprochen. Wahrscheinlich will man wieder mehr in das Zentrum Europas rücken.
Vor der Tür der Bahnhofshalle begann die Unterführung, die im gegenüberliegenden Altstadtviertel endete. Geschäft an Geschäft reihte sich dort unten. Uhren und Schmuck, Lebensmittel, Ziergegenstände, Kleidung und vieles mehr gab es zu kaufen.
In der Fußgängerzone erkundigte ich mich nach einer Wechselstube, wo wir anschließend etwas eintauschten.
Anschließend kaufte sich Mutter bei einem Straßenhändler ein neues Portemonnaie.
Danach setzten wir uns in ein Straßencafé. Wir tranken eine Sprite.
Hinterher bemühte ich mich in einem Fotofachgeschäft vergeblich um Retuschierfarben. Das Problem lag an der Fremdsprache.
Beim McDonalds nahm ich Hamburger fürs Abendessen mit. Vor dem Eingang kreiste uns eine Gruppe Zigeunerfrauen ein und eine Hand wanderte in Mutters Tasche. Es ging noch mal gut aus, obwohl sie ziemlich geschickt operierten. Offenbar stimmt das Vorurteil, dass diese Volksgruppe das Arbeiten nicht erfunden hat, doch. Ich kann es ja auch irgendwie verstehen. Mit Arbeiten versaut man sich den ganzen Tag, es ist mordsanstrengend und in einem Monat verdient man auch nicht auf Anhieb so viel wie beim 'Geldbörslziehen'.
Auf dem Hinweg haben wir in mehreren Geschäften nach Herrentaschentüchern gefragt. Es gab überall nichts.
In der Unterführung kaufte sich Mutter eine neue Armbanduhr.
Auf der Rolltreppe versuchte eine herumstreunende Zigeunerbande gleich wieder ihr Glück. Aber sie wagten es doch nicht, ihre Masche bis zum Ende durchzuziehen.
Ich kaufte inzwischen in einem der kleinen Geschäfte Fanta und Sprite für die Heimreise. An einem Kiosk neben den Gleisen besorgten wir noch zwei Rollen Kekse und stiegen in den Zug.
Der Anschluss in Znaim klappte ausgezeichnet."

Kapitel 44.: Freitag, der 2. August

"Heute Nachmittag sahen wir vom Verein uns im EFEU-Laden die neuen Waren vom Lieferanten Gurtner an. Bei der Gelegenheit legte ich mir gleich etwas zu:
1 weißer Pullover mit dem 'TransFair'-Gütesiegel als Motiv,
1 weißer Pullover mit dem Logo 'Shopping for a better world', beide aus der Türkei,
1 knallbuntes Oberhemd aus Nepal,
1 Buch mit dem Titel 'Liebesgedichte und andere Lyrik' von der chilenischen Autorin Gabriela Mistral."

Kapitel 45.: Sonnabend, der 3. August

"Heute Abend trat im Althof im Rahmen des Retzer Musiksommers der Männerchor der Stadt Pulkau auf. Sie sangen Volkslieder, Operettenmelodien und Oldies. Die Pause nach der ersten 'Halbzeit' musste aus meteorologischen Gründen vorverlegt werden. Es begann in Strömen zu regnen, da wurde das Programm im Stadtsaal weiter ausgetragen, der für einen solchen Fall schon vorbereitet war.
Danach gingen Mutter und ich in den 'Goldenen Hirsch'."

Kapitel 46.: Sonntag, der 4. August

"Heute Vormittag hatte die 'Barrelhouse Jazzband' ihren Auftritt im Schloßgasthaus. Die Retzer Wirtschaft und einige Weinbauern hatten das finanziert. Das Ganze geschah im Rahmen der Frühschoppenserie, die bis inklusive Oktober jeweils am ersten Sonntag in einem Retzer Gastronomiebetrieb abgehalten wird. Zum Essen bestellte ich ein Kesselgulasch.

Am Nachmittag Bungee-Springen bei der Mühle oben. Ich schrieb darüber:
'Die Retzer Windmühle war am 4. August Treffpunkt für Leute mit starken Nerven und Sinn für Action. Einen Nachmittag lang konnten furchtlose Bungee-Jumper den Sprung aus dem Korb eines 26 Meter hohen Baukranes wagen. Organisiert wurde der Freizeitspaß von der Weinviertler Sparkasse. Am Abend heizte die Gruppe 'Wild Thing' mit Rock'n Roll Songs die Stimmung ein.'"

Kapitel 47.: Montag, der 5. August

"Am späten Nachmittag traf ich mich mit Äns bei der Bushaltestelle am Bahnhof. Er teilte mir mit, wie er es anstellen will, die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Per Zufall kam etwas später Johannes mit dem Fahrrad vorbei.
20:15 Uhr lief in ORF 1 der dritte Teil von 'Zurück in die Zukunft'."

Kapitel 48.: Dienstag, der 6. August

"Heute Nachmittag traf ich mich mit Antonia und Georg, um eine arbeitsfähige Grundlage für die geplanten Zeitungsartikel zu Papier zu bringen. Da der Pfarrhof abgesperrt war, setzten wir uns vorerst in den Garten vom 'Poseidon' und besprachen später im Pfarrhof zu Ende."

Kapitel 49.: Donnerstag, der 8. August

"Heute Nachmittag hatte ich Dienst im EFEU-Laden. Ich erzielte einen Rekordumsatz von fast 11.000,-- Schilling. So ganz allein mein Verdienst war das allerdings nicht, weil schon während der Woche einiges für eine große Feier gekauft worden war. Außerdem bin ich dem Vorurteil, dass die EFEU-Mitglieder selbst ihre besten Kunden sind, gerecht geworden. Ich kaufte nämlich eine Stabpuppe aus Indonesien, die schon im alten EFEU-Laden im Verderbertor, wo jetzt der Caritas-Flohmarkt ist, ein Ladenhüter war, eine Weste aus Nepal, für die das Gleiche galt sowie zwei afrikanische Holzfiguren aus Ebenholz, die ganz im Gegensatz dazu erst heute mit der neuen Lieferung gekommen waren. Die Weste ist übrigens die ideale Journalistenweste. In den vielen kleinen Taschen kann man Stifte, Visitenkarten, Notizzettel und Ähnliches verschwinden lassen.

Am Abend trat im Rahmen des 'Retzer Musiksommers' die Gardemusik Wien im Althof auf. Der Hof war brechend voll.

Hinterher gingen Mutter und ich in den 'Goldenen Hirsch'. Da staunten wir wieder einmal über eine Essgewohnheit. Als Service des Hauses bekamen wir zum Nachtisch ein Glas Salzstangen mit einem Schüsselchen Liptaueraufstrich hingestellt. Die Kombination war für uns ungewöhnlich, aber geschmeckt hat es trotzdem."

Kapitel 50.: Sonnabend, der 10. August

"Heute Abend ging ich nach Zehn mit Magda ins 'Liebl'. An drei Abenden im August trat 'The Jazz Syndicate' im Rahmen von 'Liebls Jazz Summer' auf.
Eigenartigerweise sahen Magda und ich uns in den Ferien fast seltener als in der Schulzeit."

Kapitel 51.: Sonntag, der 11. August, bis Sonnabend, der 17. August 1996

"Ägypten-Reise. Dies alles aufzuschreiben wird etwas länger dauern."

Kapitel 52.: Sonntag, der 18. August

"Heute fand das traditionelle Südmährertreffen am Heimatdenkmal Unterretzbach statt. Ich berichtete für Thomas darüber.
Den Weg nach Unterretzbach machte ich zu Fuß. Ich startete Halb Acht. Ich war einigermaßen ausgeruht von meiner Ägyptenreise, nachdem ich am Tag zuvor fast nur geschlafen hatte.
Vor der Retzer Stadtpfarrkirche traf ich Georg. Ich nahm den Weg Richtung Kleinhöflein, der hinter der Wieden beginnt. Ich stoppte ab dem Stadt-Ende die Zeit, die ich bis Retzbach brauchte. Bequeme 35 Minuten. Zwischendurch regnete es ein bisschen.
Hinter der Eisenbahnbrücke nahm mich Herr Winter vom Heurigen in seinem Kleinbus mit. Er hatte mich schon öfters bei Veranstaltungen mit der Kamera gesehen, erzählte er mir.
Seit der Errichtung des Heimatdenkmales in der Nähe des Grenzübergangs Kleinhaugsdorf finden sich jeden August ehemalige Bewohner der gesamten Region Südmähren ein, um der Geschehnisse bei Kriegsende zu gedenken sowie alte Freundschaften aufrechtzuerhalten.
Prälat Univ.-Prof. Dr. Karl Hörmann zelebrierte eine Festmesse. In seiner Predigt gab Hörmann einen kurzen Überblick über die Geschichte der christlichen Besiedelung Mährens.
Der stellvertretende Landschaftsbetreuer Josef Geidosch betonte das Bemühen der Vertriebenen um Aussöhnung mit unseren nördlichen Nachbarn. Nur auf diese Weise könne verhindert werden, dass zukünftige Generationen nochmals das durchlittene Grauen erleben müssen.
Die politischen Umwälzungen 1989 eröffneten nicht nur neue Gesprächsmöglichkeiten, sondern brachten auch die alte Heimat wieder ein Stück näher. So wurde am Tag zuvor erstmals seit 51 Jahren wieder eine deutsche Messe in der Kirche in Nickelsburg abgehalten.
Bezirkshauptmann Hofrat Dr. Adolf Wegl berichtete von einer kürzlich abgelaufenen Ausstellung zum Thema Vertreibung im NÖ Landesmuseum.
Alle zwei Jahre ehrt der Heimatkreis Znaim Personen oder Institutionen, die sich bei der Unterstützung der Südmährerinteressen besondere Verdienste erwarben, mit dem Felix-Bornemann-Gedächtnis-Wanderpreis. Zuletzt ging die Auszeichnung, die von einem ehemaligen Kreisbetreuer gestiftet wurde, an die Gemeinde Retzbach. Neuer Preisträger wurde das Kreisratsmitglied Karl Richter in Anerkennung seines lebenslangen Einsatzes für die Rechte der Vertriebenen.
Tourrrrrrrrrrismusstadtrrrrrrat Dir. Reinhard Gruber moderierte die Veranstaltung. Er wurde selbst in Šatov geboren.
Eine Gruppe Südmährer kam mit dem Bus aus Deutschland her. In den ersten Jahren kamen die Gäste zum Teil sogar aus Australien und Kanada, wie ich hinterher erfuhr.
Herr Hörmann, der gleichnamige Bäcker, nicht der Prälat, nahm mich mit dem Auto bis nach Retzbach zurück. Ich wurde zum Essen eingeladen in den Garten des Gasthauses Schleinzer. Gegen Gutschein bekam ich ein Schnitzel, einen Almdudler und eine Melange hinterher. Ich kam im Zuge des Recherchierens mit dem Retzbacher Bürgermeister Rubak ins Gespräch. Er kannte uns bereits vom Hörensagen. Er erzählte mir unter anderem, wie er den 13. August 1961 erlebt hatte. In weiteren Gesprächen mit Südmährern lernte ich ehemalige Schulkollegen von Peter Alexander kennen, der, als er noch Peter Alexander Neumayr hieß, das Znaimer Gymnasium besuchte.
Bürgermeister Rubak fuhr mich gegen Vier mit dem Auto nach Retz zurück."

Kapitel 53.: Montag, der 19. August

"Live vom Retzer Hauptplatz begrüßte heute Peter Rapp die Fernsehzuschauer. Ein Team von 'Willkommen Österreich', das in der täglichen Vorabendshow jeweils eine andere österreichische Stadt vorstellt, widmete einen Drehtag der Weinstadt. Das mehrstündige Programm bot Unterhaltung und Wissenswertes über die Region. Wir hatten Peter Rapp vorher noch nie im Fernsehen singen gehört.
Althofgeschäftsführerin Christa Rabl erläuterte die vielfältigen Funktionen des 4-Sterne-Hotels.
Erfreuliche Neuigkeiten vom Retzer Erlebniskeller konnte Tourrrrrrrrrrismusstadtrrrrrrat Dir. Reinhard Gruber vermelden. Die Zahl der Besucher lag im Juni um 600 Personen höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Konditormeister Felix Wiklicky sprach über die Marketingoffensive 'Niederösterreichischer Weinherbst'.
Der Landtagsabgeordnete Karl Moser aus Yspertal erläuterte das Tourismuskonzept 'Urlaub am Bauerhof', das Aktivitäten mit Kindern besonderes Augenmerk schenkt.
Interessiert erkundigte sich Rapp auch nach dem Fortschreiten des Großprojektes Hauptplatzerneuerung.
In jeder Sendung werden die Bewohner der Stadt, aus der ausgestrahlt wird, dazu aufgerufen, sich bei der Ermittlung eines Rekords zu beteiligen. Die Frage für Retz lautete: Wer hat den größten Kürbis? Als Sieger ging Fritz Grolly aus Obermarkersdorf hervor. Sein 'Bluza' brachte unglaubliche 27,7 Kilogramm auf die Waage.
Der Kameramann hatte gerade 'den Schnitt gemacht', und ich schoss ein Bild von 'Wein-schlößl'-Betreiber Otto Hammerschmidt hinter seiner 'Gulaschkanone', aus der er Kürbis-creme-Suppe verteilte, da fing es von einem Moment zum anderen an mit Regnen. Wir rannten in den Althof und blieben in der Torfahrt erst einmal stehen.
Herr Wiklicky lud dann ein paar Leute von der Tourismuswerbung, die die Veranstaltung mit organisiert hatten, zu einem Rundgang durch den Althof ein. Ich schloss mich an.
Anschließend saß ich mit Peter Rapp und dem ORF-Team beim Abendessen im Althof-Restaurant."

Kapitel 54.: Dienstag, der 20. August

"Nach dem Motto 'Jeden Tag ein Pressetermin' ging es heute wieder in den Althof. Die Kindergruppe Krems-Lerchenfeld, die der Organisation der Kinderfreunde angehört, führte das Stück 'Die kleine Hexe' auf. Organisiert wurde die Veranstaltung im Rahmen des Retzer Ferienspiels vom Althof, der Volksbank und der Caritas. Deshalb schaute auch eine Gruppe Heimbewohner mit zu.

Für eine andere Zeitung, nämlich die 'Brücke', war ich am Abend tätig. Ich interviewte zum Thema 'Die Arbeit eines Religionslehrers'."

Kapitel 55.: Mittwoch, der 21. August

"Der Wetterbericht hatte die letzten beiden schönen Tage für diesen Sommer angesagt. Da entschloss ich mich kurzfristig, nach Brünn zu fahren.
Ich startete in Retz gegen Neun.
In Znaim tauschte ich etwas Geld auf der 'spořitelna'.
In Brünn trieb ich mich erst einmal in Bahnhofsnähe herum. Auf dem Kleidermarkt, der mit seiner alten Bezeichnung 'občerstvení' - Erfrischungen über seinen heutigen Zweck hinwegtäuscht, deckte ich mich mit Krawatten ein. Die Preise allerdings waren wirklich erfrischend: 20,-- Kronen das Stück. Ich nahm fünf Stück.
Dann nahm ich die Geschäfte in der Unterführung unter die Lupe.
Anschließend kümmerte ich mich um ein Quartier für die Nacht. Gleich gegenüber vom Bahnhof lag eine Filiale vom Čedok-Reisebüro. Ich bekam ein Privatzimmer im Neubauviertel der Stadt, in einer Seitenstraße, die vom Mendelplatz abzweigt. Die meisten Hotels waren völlig ausgebucht, da gerade Messe war.
Ich fuhr mit der Straßenbahn zum genannten Ort. Auf der Suche nach der Straße traf ich einen Touristen aus Magdeburg. Er kommt mit seiner Frau seit vielen Jahren hierher, erzählte er.
Das Zimmer lag im sechsten Stock eines typischen sozialistischen Neubaus. Man hatte einen guten Blick auf den Stadtrand.
Nachdem ich mich einquartiert hatte, fuhr ich mit der Straßenbahn hinaus zum See. Dort wanderte ich einige Ufer weit und fuhr dann mit der Fähre zurück. Dann setzte ich mich an das erste Ufer."

Kapitel 56.: Donnerstag, der 22. August

"Eine tolle Stadt, dachte ich beim Aufwachen, als ich aus dem Fenster sah und die Straßenbahn vorbeifuhr. Wahrscheinlich stimmt die alte Weisheit, dass einem eine Stadt immer dann gefällt, wenn die erste Begegnung in Ordnung war. Oder es ist der Reiz der Anonymität, eine Art Südamerika vor der Haustür.
Mit der Straßenbahn fuhr ich ins Stadtinnere zurück. Am Bahnhofskiosk kaufte ich zum Frühstück ein langes, belegtes Baguette, dessen Teig zwar fürchterlich trocken war, das jedoch satt machte.
Dann sah ich mich noch einmal in der Unterführung um, bevor ich ins Altstadtviertel ging. Auf dem Krautmarkt, wo bis zum heutigen Tage Gemüsemärkte stattfinden, kaufte ich eine Melone. Ich wollte ausprobieren, ob die Melonen noch so sind, wie wir sie von früher kannten und nicht so wie die mutierten Stachelbeeren in westlichen Supermärkten. Tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht, wie sich zuhause herausstellte.
Ich sah mir auch die Peter-und-Pauls-Kirche von innen an.
Zuletzt setzte ich mich in das Straßencafé am Platz der Freiheit und trank Tonic.
13:00 Uhr fuhr ich mit dem Zug nach Znaim zurück.
In Znaim hatte ich etwas Aufenthalt. Ich hielt mich auf dem Masarykplatz und am Thayaufer auf. In einem kleinen Geschäft in der Velká Mikulášská kaufte ich einen Stadtplan für Brünn. In Brünn selbst hatte ich mir am Vormittag schon im Straßenverkauf einer Buchhandlung einen Stadtführer gekauft."

Kapitel 57.: Freitag, der 23. August

"Heute Abend ging ich zum 'Öko-Stammtisch' ins 'Liebl'. Geleitet wurde die Sache vom 'Retzer Land'-Regionalmanager. Bekannte waren folgende da: Frau Schöbinger, Christian Übl und 'Plattform'-Aktivist Peter Steirer. Ich erfuhr unter anderem, dass Christian zum Weinlesefestumzug einen Wagen zum Thema 'Nationalpark Thayatal' plant."

Kapitel 58.: Sonnabend, der 24. August

"Heute Nachmittag ging ich mit Äns in Richtung Windmühle wandern. Ich zeigte ihm besondere Orte rund um Retz. Es waren dies der Kalvarienberg, der Soldatenfriedhof sowie der Holzapfelberg.

Am Abend fand im Schloss Gatterburg das Abschlusskonzert vom '6. Kulturfestival im Weinviertel' statt. Hochkarätige Künstler aus unserem Nachbarland hatten die Organisatoren für das diesjährige Abschlusskonzert der Veranstaltungsreihe eingeladen, das traditionell im Schloss abgehalten wird. Das tschechische Adamus-Trio trug weitgehend unbekannte Werke barocker und klassischer Meister vor.
Nach dem Konzert trommelte ich die Künstler nochmals zum Pressefoto zusammen.
Unten im Hof gab es Buffet unter Sternenschein mit Weinen aus der Gatterburg'schen Schlosskellerei.
Wie ich recherchierte, sind Jan Adamus, Jitka Adamusová und Květa Novotná ehemalige Absolventen der Prager Akademie der musischen Künste und konzertieren seit 1985 gemeinsam durch ganz Europa. Das Außergewöhnliche an ihrem Spiel ist die eher unorthodoxe Kombination der Instrumente Oboe, Englischhorn, Violine und Cembalo."

Kapitel 59.: Montag, der 26. August

"Heute fuhren wir zum zweiten Mal in den Ferien zum Einkaufen nach Znaim.
Wir nahmen wie schon das letzte Mal den Zug um 7:11 Uhr.
Am Bahnhof Znaim bestellten wir ein Taxi und ließen uns bis zur Burg bringen. Diese öffnete allerdings erst Um Neun. Wir besichtigten die nähere Umgebung, ich zeigte Mutter das Südmährische Museum, die Handelsakademie und die Brauerei.
In den Straßen um den Oberen Hauptplatz herum schauten wir in verschiedene Porzellangeschäfte nach einem Kerzenhalter für dicke Kerzen, fanden aber nichts Passendes.
Dann ging Mutter in den Wolleladen, der bei unserem letzten Besuch noch renoviert wurde, und kaufte Wolle und Rundstricknadeln. Ich wartete derweil vor der Tür.
Dann gingen wir wieder ins Frühstückslokal.
In der Gasse zwischen Obroková und Zelenářská kauften wir bei Straßenhändlern zwei Gürtel für mich.
Mutter legte sich einige Ketten aus einem Geschäft in der Obroková zu.
Als Letztes ging es zum Thayaufer. Velká Mikulášská, U brány, Žleby.
Über die Dyská marschierten wir zurück zum Bahnhof, über den Platz der Republik.
In der Rudoleckeho wurde Eis verkauft. Da konnten wir nicht widerstehen. Manche Dinge sind eben doch nur im Ostblock das Wahre.

Am Abend traf ich mich mit Georg, Antonia und Isolde im Jugendraum im Pfarrhof. Eigentlich wollten wir etwas für die Ausgestaltung des Raumes tun, aber irgendwie kam es nicht dazu.
Von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr begleitete ich Georg auf den Holzapfelberg."

Kapitel 60.: Dienstag, der 27. August

"Heute musste ich für den EFEU-Verein Fotos machen. Der Verein gestaltete nämlich eine Folge des Ferienspiels. 'Auf dem fliegenden Teppich nach Afrika' hieß das Ganze und fand im Pfarrhof statt. Roberta, Cornelia und Franziska zeigten den Kindern, wie man Stoff bedruckt, getöpfert wurde auch. Die Mutter von Isolde spielte draußen auf der Wiese im Volksschulhof mit den Teilnehmern auf afrikanischen Instrumenten."

Kapitel 61.: Donnerstag, der 29. August

"Heute Vormittag klingelte Äns bei mir. Er hielt sich in Retz auf, um in der Schule ein letztes Mal für seine CRW-Nachprüfung zu üben. Er hatte eine Video-Kamera dabei. Wir gingen nach Obernalb in den Steinbruch, wo wir ein extrem krankes Video drehten.

Am Nachmittag traf sich unsere Runde wieder im Jugendraum im Pfarrhof."

Kapitel 62.: Freitag, der 30. August

"Die Rugia Retz feierte in diesem Sommer ihr 75-jähriges Bestehen. Zum Ausklang der zahlreichen Jubiläumsveranstaltungen las Sepp Mohr ab 17:00 Uhr im Cafe Wiklicky Textproben aus Erzählungen und Gedichten von Verbindungsmitgliedern.
Einige der zitierten Rugendichter erlangten unter Insidern bereits große Popularität, wie zum Beispiel Lois Schifferl. In seinen humorvoll geschriebenen Lebenserinnerungen gewährt er Einblick in das Burschenschaftsleben annodazumals.
Ebenfalls mit den Menschen ihres Umfeldes beschäftigten sich Josef Pazelt und OSR Franz Schwinner in vergnüglichen Mundartgedichten.
Im scharfen Kontrast zu den überwiegend heiteren Texten standen die Gedanken von Cornelius über Existenz und Vergänglichkeit.
Und dass Rugen sehr aufmerksame Beobachter ihrer Zeit sind, zeigten die Passagen aus Herwig Brauneis' politischer Reiseschilderung 'Die Türme von Znaim'."

Kapitel 63.: Sonnabend, der 31. August

"17:00 Uhr holte ich Äns vom Bahnhof ab. Er kam mit in den Jugendraum im Pfarrhof, wo Georg und Antonia bereits warteten.
Nach der Messe, heute durfte ich zum ersten Mal die Kollekte einsammeln, ging ich mit Mutter zum Brandstetter-Heurigen. Die Temperaturen erlaubten es gerade noch, dass wir uns in den Garten setzen konnten."

Kapitel 64.: Sonntag, der 1. September

"An jedem ersten Sonntag im Montag veranstaltete jeweils ein anderer Retzer Gastronomiebetrieb einen Frühschoppen. Heute war das Bahnhofslokal an der Reihe. Die 'Boogi-Woogi-Jazz-Band' spielte. Dazu hatte sie sich auf einem Tieflader auf den Schienen platziert. Sah originell aus. Ich aß ein Paar Frankfurter Würstchen und trank eine Cola.
Viel Zeit blieb nicht, denn Halb Eins musste ich schon wieder in die Schnellbahn nach Hollabrunn. Nachdem ich dort alles geregelt hatte, setzte ich mich noch eine Stunde lang ins 'Jordan'.

Im Althof lief unterdessen ein Mozartkonzert mit dem Mödlinger Orchesterverein, welcher auf Einladung der Stadtgemeinde ein Gastspiel gab. Die Musiker hatten sich ganz den Werken Mozarts verschrieben. Zur Aufführung gelangten die Ouvertüre zu 'Figaros Hochzeit', das Konzert für Klarinette und Orchester in A-Dur sowie die 'Prager Symphonie'.

Am Abend gingen wir wieder zum 'Brandstetter'. Wir setzten uns auch heute wieder in den Garten."

Kapitel 65.: Montag, der 2. September

"Am Morgen wurde ich ins Retzer ÖVP-Büro bestellt. Wie in jedem Jahr führten die ÖVP-Frauen die Aktion 'Sicherer Schulweg' durch. Das sieht in der Praxis so aus, dass die Autofahrer mit auffälligen Plakaten zu Vorsicht und Rücksichtnahme aufgerufen werden und an die Volksschüler werden Leuchtaufkleber für die Schultasche verteilt. Außerdem wird unter den Erstklässlern ein Quiz durchgeführt. Die Lösung ist 'sehr kompliziert': Ein Feuerwehrmann, ein Polizist und ein Sanitäter mussten ihren Fahrzeugen zugeordnet werden. Sinn und Zweck der Sache ist, dass die Kinder Vertrauen in die Arbeit der Sicherheitsorgane gewinnen. Die Hauptpreise sind Fahrradhelme mit dem Niederösterreich-Logo.
Zunächst schoss ich im Hof auf der Treppe zur Bibliothek ein Pressefoto von der Abgeordneten Rosemarie Bauer, Hauptbezirksleiterin Leopoldine Neubauer sowie einigen Schulkindern. Danach bekam ich im Büro eine Tasse Kaffee spendiert.

Heute war auch Laurenzimarkt auf dem Hauptplatz. Wir kauften eine neue Jeans für mich.

Am Abend traf ich mich mit Antonia und Georg zum x-ten Male in diesem Sommer im Jugendraum im Pfarrhof."

Kapitel 66.: Mittwoch, der 4. September

Erster Schultag nach den Ferien. Traditionell nur eine Stunde. Der "Tag" war bei uns allen geprägt von dem Bewusstsein, dass die Zielgerade unserer Schullaufbahn langsam, aber sicher in die Nähe rückte.

Kapitel 67.: Mittwoch, der 6. September

"Gleich nach der Schule ging ich zur Jubiläumsfeier vom Weltladen. Hinterher schrieb ich folgenden Artikel:
'Der EFEU-Laden Retz feierte am 6. September sein fünfjähriges Gründungsjubiläum. Als einer von 77 österreichischen Dritte-Welt-Läden bietet er ein reichhaltiges Sortiment an Lebensmitteln, Schmuck, Musikinstrumenten und Gebrauchsgegenständen aus den benachteiligten Ländern des Südens an, das den strengen Kriterien des fairen Handels unterliegt. Zum Angebot zählt auch eine Vielfalt von Kaffeesorten, die während des Feiertages im Rahmen kommentierter Verkostungen interessierten Gästen präsentiert wurden. Verkaufsleiter Gerhard Eggert von der 'Entwicklungszusammenarbeit mit der Dritten Welt GesmbH' (EZA) aus Wien sprach über Besonderheiten bei Anbau und Zubereitung der vorgestellten Sorten. Die lateinamerikanische Gruppe 'Ayamara' sorgte mit feurigen Rhythmen aus ihrer Heimat für Stimmung.
Die Idee der Dritte-Welt-Läden kam in den Siebziger Jahren in Europa auf. Heute sind über 2.500 solcher Geschäfte in 11 verschiedenen Staaten als Partner der Bauern und Handwerker in den Entwicklungsländern tätig. Ein Mütterseminar der Katholischen Frauenbewegung Retz über dieses Thema gab im Jahre 1991 den Anstoß zur Eröffnung eines Weltladens in Retz. Als Verkaufslokal wurde vorerst ein nur sechs Quadratmeter großer Raum im Verderberhaus adaptiert, der heute den Caritas-Flohmarkt beherbergt. Aufgrund des ständig steigenden Kundeninteresses an fair gehandelten Produkten übersiedelte der Laden Ende letzten Jahres in einen größeren Geschäftsraum im Haus Znaimerstraße Nr. 2.'

Am Abend Vernissage im Althof. Schrieb für Thomas dazu Folgendes:
'Am 6. September wurde im Althof Retz eine Ausstellung mit Aquarellen der Wiener Künstlerin Margarete Varga eröffnet. Motive aus der Region sind das zentrale Thema der Künstlerin, die sich seit ihrer Kindheit autodidaktisch mit dem Malen und Zeichnen beschäftigt. Die Bilder sind noch bis Ende des Monats zu besichtigen.'"

Kapitel 68.: Sonntag, der 15. September

"War am Nachmittag in Unternalb anlässlich der Zehn-Jahr-Feier des Caritasheimes.
Schrieb hinterher folgenden Artikel:
'Seit 10 Jahren wird im Caritasheim Unternalb therapeutische Betreuung für geistig und mehrfach Behinderte angeboten. Anlässlich dieses Jubiläums wurde am 15. September in der Pfarrkirche der Retzer Katastralgemeinde gemeinsam mit den Heimbewohnern eine Messe zelebriert. Pater Markus Klammer hielt in seiner Predigt Rückblick auf die Höhepunkte der erfolgreichen Integrationsarbeit seit 1986. Caritas-Diözesan-Direktor Dr. Michael Landau betonte die Wichtigkeit des Voneinanderlernens im täglichen Umgang miteinander.
Das Heim, welches in einem ehemaligen Gutshof des Stiftes Göttweig untergebracht ist, beherbergt zurzeit 44 Behinderte. 14 von ihnen konnten aufgrund ihrer fortgeschrittenen Entwicklung bereits einen geschützten Arbeitsplatz im Raum Retz aufnehmen. Die 30 Anderen sind in einer der landwirtschaftlichen Einrichtungen des Heimes beschäftigt, wo im normalen Acht-Stunden-Tag Lebensmittel für den Eigenbedarf hergestellt werden. Eigene Ställe, eine Fleischhauerei und Obst- und Gemüsegärten sorgen daher nicht nur für Arbeitsmotivation, sondern auch für zweifelsfreie Qualität der Produkte. Für kleinere Reparaturen steht eine Werkstatt zur Verfügung. Die Betreuer mussten aus diesem Grund zusätzlich zu ihrer normalen Ausbildung noch eine Fachausbildung in der jeweiligen Sparte abschließen. Und dass die Bewohner durchaus in der Lage sind, ihrerseits wieder etwas für Benachteiligte zu leisten, stellt die Beteiligung an der Aktion 'Essen auf Rädern' unter Beweis.'"

Bürgerreporter:in:

Christoph Altrogge aus Kölleda

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