Umweltsünden, Zuckerfabriken und Pfisters Mühle

Ehemalige Steinbrücker Wassermühle
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Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung sind in aller Munde.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war Umweltverschmutzung kein Thema. Bäche und Flüsse hatten Trinkwasserqualität. Jede Menge Fische tummelten sich im Wasser. Das änderte sich mit der Gründerzeit (1870) grundlegend. Rauchende Schlote verpesteten die Umwelt, Industrieabwässer verunreinigten die Gewässer.

Bereits um 1880 war das Problem so groß geworden, dass der Dichter Wilhelm Raabe (*1831 †1910) sich veranlasst sah, die gesellschaftskritische Erzählung "Pfisters Mühle" zu schreiben (1883/1884). Er hatte damit aber nur mäßigen Erfolg. Verleger und Gesellschaft waren noch nicht sensibilisiert.

Raabes Erzählung hatte einen realen Hintergrund:
Die Zuckerfabrik Rautheim bei Braunschweig verschmutzte während der Rübenkampagnen in erheblichem Ausmaß die Gewässer Mittelriede/Wabe/Schunter. Gegen die dadurch entstandenen Betriebsbeeinträchtigungen ihrer Wassermühlen hatten die Mühlenbesitzer Ernst Müller aus Bienrode und Carl Lüderitz aus Wenden am 29.12.1881 vor der 3. Zivilkammer des Herzoglichen Landgerichts Braunschweig Klage erhoben (siehe Nieders. Landesarchiv Wolfenbüttel NLA 37 A Neu FB. 4 NR. 30). Sie bekamen zwar Recht (Urteil 174,9 vom 14.03.1883), unterlagen aber in der Berufungsverhandlung vor dem Reichsgericht Leipzig (20.05.1884).

Laut Raabes Dichtung wurde die Jahrhunderte alte Pfistersche Wassermühle aufgegeben, weil sich der ursprünglich saubere Mühlbach wegen der Zuckerfabrik Krickerode in eine stinkende Kloake verwandelt hatte. Der als Ausflugslokal beliebten Mühle blieben die Gäste fern. Sie war nicht mehr zeitgemäß und musste auch deswegen modernen Industriebauten weichen.
Von Wilhelm Raabe wird das beliebte Ausflugslokal der „Grüne Jäger“ zum Handlungsort seiner Erzählung gemacht. In der Nähe soll sich einst eine Wassermühle befunden haben, eine von vielen, die damals an Wabe und Schunter lagen. Raabes Werk gilt als der erste deutsche Umweltroman.

Mit derartigen Problemen hatte die uralte, 1022 erstmals erwähnte, an der Fuhse gelegene Groß Lafferder Schliermühle nicht zu kämpfen. Sie wurde bereits im dreißigjährigen Krieg (1626) zerstört und trotz vieler Bemühungen nicht wieder aufgebaut.

Der Fuhse erging es nicht viel besser als Mittelriede, Wabe und Schunter. Industrieanlagen und mehrere Zuckerfabriken verschmutzen ihren Lauf. Zu diesen Dreckschleudern gehörte auch die Groß Lafferder Zuckerfabrik. Ihre erste Kampagne begann am 12.11.1865 morgens um 6. Uhr. Die Abwässer gelangten ungeklärt in die Fuhse. Im Laufe der Zeit sorgten Schlammteiche (Absetzbecken) dafür, dass die gröbsten Produktionsrückstände zurückgehalten wurden. In den letzten Jahren ihres Bestehens wurde das meiste Brauchwasser nicht mehr direkt abgeleitet, sondern in einem geschlossenen Kreislauf mehrfach wiederverwendet. Eine Kläranlage war bis zum Produktionsende im Jahre 1976 nicht vorhanden.
Die Zuckerfabrik, ehemals wichtigster Industriebetrieb in Groß Lafferde, der zuletzt 140 Betriebsangehörige beschäftigte, war nicht mehr zeitgemäß. Der größte Teil der Gebäude wurde abgebrochen, Kalkofen und Schornstein im Januar 1983 gesprengt.

Durch die Beseitigung vieler Industrieanlagen, insbesondere durch den Betrieb von Klärwerken, wurde die Wasserqualität der Fuhse erheblich verbessert, obwohl der Düngereintrag durch die Landwirtschaft noch immer problematisch ist.

Die Wassermüller könnten aufatmen, wenn es sie denn noch gäbe.
Von der letzten Steinbrücker Wassermühle existiert noch das Mühlengebäude, das sich an der Nordseite der B 1 hinter der Steinbrücker Fuhsebrücke befindet.

Die verlassene Mühle

Das Wasser rauscht zum Wald hinein,
es rauscht im Wald so kühle;
wie mag ich wohl gekommen sein,
vor die verlassene Mühle?
Die Räder stille, morsch bemoost,
die sonst so fröhlich rumgetost.
Dach, Gäng und Fenster alle,
in drohendem Verfalle.

Allein bei Sonnenuntergang,
da knisterten die Äste,
da trippelten den Bach entlang,
gar wunderliche Gäste:
Vier Männlein grau, von Zwergenart,
mit dickem Kopf und langem Bart,
sie schleppten Müllersäcke
daher aus Busch und Hecke.

Und allsobald im Müllerhaus
beginnt ein reges Leben,
die Räder drehen sich im Saus,
das Glöcklein schallt daneben.
Die Männlein laufen ein und aus
mit Sack hinein und Sack heraus,
und jeder von den Kleinen
scheint nur ein Sack mit Beinen.

Und immer voller schwärmten sie
wie Bienen um die Zellen,
und immer toller lärmten sie
durch das Getos der Wellen.
Mit wilder Hast das Glöcklein scholl,
bis alle Säcke waren voll,
und klar am Himmel oben
der Vollmond sich erhoben.

Da öffnet sich ein Fensterlein,
das einzige noch ganze,
ein schönes bleiches Mägdelein
zeigt sich im Mondenglanze,
und ruft vernehmlich durchs Gebraus
mit süßer Stimme Klang hinaus:
„Nun habt ihr doch, ihr Leute,
genug des Mehls für heute!“

Da neigt das ganze Lumpenpack
sich vor dem holden Bildnis,
und jeder sitzt auf seinem Sack
und reitet in die Wildnis.
Schön Müllerin schließt`s Fenster zu,
und alles liegt in tiefer Ruh.
Des Morgens Nebel haben
die Mühle ganz begraben. –

Und als ich kam den andern Tag,
in banger Ahnung Schauern,
die Mühle ganz zerfallen lag
bis auf die letzten Mauern.
Das Wasser rauschet neben hin,
als wüßt´es was ich fühle,
und nimmermehr will aus dem Sinn,
mir die verlassne Mühle.

August Ferdinand Alexander Schnezler (*1809 †1853)

Quellen:
Reclam, Wilhelm Raabe Pfisters Mühle; Wikipedia; Siegfried Lohmann, Groß Lafferde ein Dorf mit Tradition, Erinnerungen an die alte Zeit, S. 112 ff; Zuckerfabrik Groß Lafferde, 100 Jahre Lafferder Aktien Zuckerfabrik

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Heise aus Ilsede

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