Lumpenabend - Fleppenlude schmeisst Freibier

Anno 1904, Hugo Hartmann wird zum Alt-Gesellen ernannt. Frau Gudrun Barnbeck, Tochter des Hüttenbruders Hartmann, erlaubte die Veröffentlichung des Dokuments
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  • Anno 1904, Hugo Hartmann wird zum Alt-Gesellen ernannt. Frau Gudrun Barnbeck, Tochter des Hüttenbruders Hartmann, erlaubte die Veröffentlichung des Dokuments
  • hochgeladen von Bernd Sperlich

„Lumpenabend! Hütte 24.II. 1911 9Uhr-Sie werden im Keller zum Blutigen Knochen erwartet! Fleppenlude schmeisst Freibier“, so steht es auf einer Einladungskarte, die anlässlich einer Faschingsveranstaltung versandt wurde, Absender: „ Bauhütte zum weißen Blatt“. Dieser Männerbund ließ sich im November 1880 auf Initiative des Architekten und Hochschullehrers Conrad Wilhelm Hase (auch Begründer der „Hannoversche Schule", bevorzugter Baustil: Norddeutsche Backstein-Gotik) in das Vereinsregister der Königlichen Residenzstadt Hannover eintragen. Aufnahme fanden nicht nur Architekten, sondern auch andere Kunstschaffende wie beispielsweise Maler, Bildhauer und Schriftsteller, aber auch Studenten kontaktierten die Versammlungen. Die Mitglieder schrieben sich die Leitsätze „Gleichheit vor der Kunst“, „Wahrheit in der Kunst“, „ Freundschaft in der Hütte“ und „Festhalten am Alten“ auf die Fahne. Über die Rangordnung schreibt der hannoversche Bauhistoriker Prof. Dr. Günther Kokkeling in „Geschichte und Architektur der Bauhütte Hannover“, Jubiläumsschrift zum 100-jährigen Bestehen, auf Seite 13:
„An oberster Stelle standen die ‚Altmeister‘, ‚Ehrenmeister‘ und ‚Vorsitzenden Meister‘ (später: ‚Führender Meister‘. Darauf folgte die größte Mitgliedergruppe der ‚Meister‘. Außerdem gab es die Gruppe der ‚Altgesellen‘ (junge Hochschulabsolventen) und der ‚Junggesellen‘ (Studenten)“.
An den Hüttenabenden wurden mustergültige Bauentwürfe der zahlreichen Meister vorgestellt, gesammelt vom Meister Gustav Schönermark (1854-1910). Durch diese Vorauswahl ersparte man sich langwierige Diskussionen über das Für und Wider einzelner Werke.
In den ersten Jahren nach der Gründung hatte die Bauhütte noch kein festes Vereinslokal. Man traf sich zunächst bei Eilers im Restaurant „Zum Gesellschaftshause“, Lange Laube 27 (später 46), dann im „Haus der Väter“, Lange Laube 3 (damals noch Langelaube geschrieben) und später im Restaurant Wilhelm Thormann“, Brühlstraße 13. Alle Lokalitäten lagen mehr oder weniger im Dunstkreis der „,Königlichen Hochschule“. Somit hatten es die Meister und cand. arch. nicht weit zum Versammlungslokal. Im Jahr 1903 baute sich die Hütte aus Spendengeldern hinter dem Künstlerhaus an der Sophienstraße ein eigenes Haus, das bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg ihr Treffpunkt bleiben sollte.
An dieser Stelle sei eine Anmerkung des Berichterstatters erlaubt: Im Gegensatz zu anderen Künstler-Vereinen (u. a. Architekten- und Ingenieur-Verein, gegr. 1851, Sophienstraße 2, und Architekten-Gilde, gegr. 1900, Sophienstraße 2) war die „Bauhütte zum weißen Blatt“ im hannoverschen Adressbuch zunächst nicht zu finden. Vermutlich wurde die Hütte durch eine Anordnung der NSDAP, Jahrzehnte nach der Gründung, an das Licht der Öffentlichkeit gezerrt, denn erst Mitte der 30-er Jahre findet sich unter der Straßenanschrift „Sophienstraße 2“, aber auch im Vereinsteil, eine Eintragung, die so angegeben ist: Bauhütte z. weißen Blatt 2 (die „2“ steht für 2. Etage). Eigentlich müsste die Eintragung so lauten: Bauhütte z. weißen Blatt H („H“ steht für Hinterhaus). Aber dort ist eine „Christengemeinschaft Hannover“ zu finden. Wer versteht das?
Apropos NS-Zeit: Noch einmal soll aus der Jubiläumsschrift aus dem Jahr 1980 zitiert werden. Architekt und Stadtplaner Peter Dellemann schreibt in seinem Beitrag „Aus der Geschichte der Bauhütte“ auf Seite 30: „Im 3. Reich ist die Bauhütte nicht verboten worden - ihre in der Satzung formulierten Ziele erschienen den damaligen Machthabern unverdächtig“. Aber war es wirklich so? Konnten sich die Hüttenbrüder der Gleichschaltung entziehen? Dellemann fährt weiter fort: „Es läßt sich in allen Programmen bis Kriegsende kein Vortragsthema finden, mit dem ‚Gedankengut‘ der Nazis in der Hütte verbreitet worden wäre, und alle Programme enden nicht mit ‚Heil Hitler‘, sondern mit dem ‚Hüttengruß‘“.
Doch zurück zu den Anfängen der Hütte. Zur ersten Hüttengeneration zählen zahlreiche, in Hannover sehr bekannte Architekten, Bildhauer und Maler. Einige sollen hier Erwähnung finden, zunächst die Architekten, in Klammern ihre Werke: Conrad Wilhelm Hase (u.a. Künstlerhaus, Sophienstraße 2, Sakralbauten > Christuskirche und Apostelkirche, Marienburg bei Nordstemmen, sowie Wohn- und Geschäftshäuser in Hannover und Hildesheim); Hubert Stier (u.a. Neubau Hauptbahnhof, Flußwasserkunst, Landesmuseum); Karl Börgemann (u. a. Backsteinbauten „Döhrener Wolle“ und „Lindener Gilde-Bräu“, Bauleitung "Apostelkirche"). Auch bedeutende Bildhauer waren Mitglieder der Hütte. Karl Gundelach und Otto Lüer schufen Marktbrunnen, Hölty-Denkmal und Hase-Denkmal am Künstlerhaus. Als bedeutender Maler muss Hugo-Friedrich Hartmann, siehe „Alt-Gesellen-Urkunde, genannt werden. Er illustrierte das Schulbuch „Fibel für Niedersachsen“ und schuf viele Bilder, die der Stilrichtung „Impressionismus“ zugerechnet werden müssen.
Nach Hase‘s Tod (1902) wurde Architekten-Kollege Karl Mohrmann Leiter der Hütte. Ihm folgten - bis zum 2. Weltkrieg - Architekt, Hochschullehrer u. Archäologe Prof. Dr. Udo Hölscher und Innenarchitekt Prof. Dr. Halmhuber (1924). 1928 übernahm Prof. Dr. Ing. Friedrich Fischer aus Danzig „das Ruder“. Wie seine Vorgänger Hase, Mohrmann und Hölscher, füllte er auch das Amt eines Konsistorial-Baumeisters aus.
Nach dem 2. Weltkrieg findet die Hütte zunächst im 1. Stock einer Schulruine (Gebäude der Mädchenmittelschule I, vorher und nachher Lotte-Kestner-Schule), Meterstraße 47, ein neues Zuhause. In den nächsten Jahren musste man sehr häufig umziehen: Künstlerhaus an der Sophienstraße, Privatwohnungen der Altmeister (bis 1963), dann Nikolaistraße 15 (altes Fabrikgebäude), dort bis 1967, anschließend (bis 1970) Treffpunkt in einer ehemaligen Gaststätte, Oberstraße 8 (nahe am alten Judenkirchhof), von 1970-1976 wiederum kein eigener Hüttenraum. Seit 1976 ist der Backsteinbau in der Braunstraße 28 die „Heimstatt der Bauhütten-Jünger“. In den obersten Geschossen wurden „Studentenbuden“ eingerichtet, im Erdgeschoss ist der große Hüttenraum, den man sich heute allerdings mit dem „Bürgerbüro Stadtentwicklung Hannover“ teilen muss. Dem Bauhistoriker Dr. Sid Auffarth dürfte dieser Umstand wenig ausmachen, ist er doch in beiden Vereinen ein führendes Mitglied.
Zum Ende dieses Beitrags sollen noch einige Hütten-Leiter aufgezählt werden, die nach dem 2. Weltkrieg die Geschicke des Vereins wesentlich beeinflussten (Aufzählung ist willkürlich und unvollständig): Prof. Kurt Sohns, Prof. Dr. Georg Hoeltje, Prof. Dr. Stefan Schwerdtfeger und last, but not least, Prof. Dr. Günther Kokkeling.

Nachtrag

Professor Dr. Günther Kokkeling verstarb am 21. November 2013

Bitte auch diesen Beitrag beachten:

http://www.myheimat.de/hannover-bothfeld/kultur/ei...

Bürgerreporter:in:

Bernd Sperlich aus Hannover-Bothfeld

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