„Mein Bestreben ist, eine unvergesslich schöne, würdevolle Trauerfeier für den Verstorbenen zu gestalten“: Interview mit Günzburgs Trauerredner Peter Steinhart-Neß

"Mein Hobby ist es, Trauerredner zu sein. Ungewöhnlich - aber wahr" | Foto: Peter Steinhart-Neß
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mh bayern: Herr Steinhart-Neß, wie kam es dazu, dass Sie als Trauerredner anfingen?

Peter Steinhart-Neß: In Günzburg und Umgebung gab es für Menschen, die bewusst auf eine religiöse Ausrichtung der Trauerfeier verzichten wollten, keine Alternative. Dieses hat mich schon immer nachdenklich gestimmt. Ich wollte dem entgegenwirken und bereitete mich mehrere Jahre intensiv darauf vor, diesen Dienst als freier weltlicher Trauerredner übernehmen zu können. Ich besuchte viele Beerdigungen, las viele Fachbücher, besuchte Rhetorik-Seminare und absolvierte ein nebenberufliches Studium mit dem Abschluss zum „Fachwirt für Organisation und Führung im Sozialwesen“ an der Valckenburgschule Ulm.
Ich fertigte früher schon Geburtstags- und Hochzeitsreden an, die immer gut ankamen. Nicht zuletzt waren es aber auch Voraussetzungen, wie z.B. der Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen, meine ehrenamtliche Tätigkeit als Ausbilder und Dozent für Erste Hilfe, der frühe Tod meines Vaters, ebenso der Tod meines besten Freundes in jungen Jahren, meine außerordentlich guten rhetorischen Fähigkeiten, die mich dazu befähigten. Ebenso kann ich von mir behaupten, authentisch zu sein und ich besitze die Gabe, zuhören zu können.

mh bayern: Wie gehen Sie mit der Gratwanderung zwischen Mitgefühl für die Angehörigen und dem nötigen Selbstschutz, Distanz zu wahren, um?

Peter Steinhart-Neß: Natürlich sehe ich diese Arbeit nicht nur als Dienstleistung an, sondern bezeichne sie auch als eine Art seelsorgerische Tätigkeit. Ich kann den Angehörigen den bitteren Verlust nicht ungeschehen machen, das kann leider kein Mensch. Mein Bestreben ist es aber, eine unvergesslich schöne, würdevolle Trauerfeier für den Verstorbenen und den Hinterbliebenen, Verwandten und Freunden zu gestalten. Reden weit über den Tod hinaus, sprechen wie ein guter Freund. Dieses gelingt mir sehr gut und davon ziehe ich auch die Kraft, den nötigen Selbstschutz zu wahren. Leben und Tod stehen eng beieinander, auch wenn wir Menschen uns dessen nicht immer bewusst sind.

mh bayern: Woher nehmen Sie die Motivation für Ihre Tätigkeit?
Ihre Arbeit ist ja auch stets mit der Auseinandersetzung von Trauer und Tod verbunden.

Peter Steinhart-Neß: Jemand fragte mich mal nach meinen Hobbys, da sagte ich, mein Hobby ist, Trauerredner zu sein. Ungewöhnlich - aber wahr.
Klar hört man als Trauerredner immer etwas vom Sterben, von der Endlichkeit unseres Seins. Man hört bis ins Detail von Schicksalsschlägen, von Trauer, Schmerz, vom Verlust eines geliebten Menschen… Dessen muss man sich im Vorfeld bewusst sein. Ich kann für mich damit umgehen.
Die größte Motivation geben mir aber immer wieder die Trauergäste, wenn sie sagen, diese Trauerfeier war etwas ganz Besonderes, so etwas kannten wir bisher noch nicht, so will ich meine Beerdigung auch mal gestaltet haben. Diese Bekundungen geben mir Gewissheit, das erreicht zu haben, was ich wollte.

mh bayern: Schreiben Sie jede Rede selbst und woher nehmen Sie den Stoff für Ihre Reden? Können auch Gott und andere christliche Motive in Ihren Reden vorkommen?

Peter Steinhart-Neß: Jede meiner Trauerreden ist ein Original. Ich habe kein vorgefertigtes Grundgerüst, in dem man einfach die Namen der Verstorbenen austauschen kann. Jede Rede ist ein Unikat, mit persönlichem Engagement geschrieben, pietätvoll vorgetragen und in schriftlicher Form den Hinterbliebenen überlassen.
So wie ich meine eigene Beerdigung gestaltet haben will, so läuft es ab. Meine Beerdigungen sind keine Routineveranstaltungen und verzichten bewusst auf christliche, religiöse Inhalte. Deshalb buchen mich die Menschen. Religion steht mir nicht zu, schließlich bin ich ja kein Pfarrer, sondern Trauerredner.
Ich sehe diese Tätigkeit daher auch nicht als Konkurrenz zur Kirche an, sie stellt lediglich eine andere Form der Verabschiedung dar. Trotzdem gab es auch schon Beerdigungen, die ich zusammen mit einem Geistlichen gestaltete.

mh bayern: Können die Angehörigen des Verstorbenen Einfluss auf Ihre Rede nehmen? Gab es auch schon mal Wünsche, die Sie ablehnten?

Peter Steinhart-Neß: Ich besuche die Angehörigen zu Hause, sie müssen sich in dieser schweren Zeit des Verlustes nicht außer Haus begeben. Wir unterhalten uns zeitlich unbegrenzt über den Verstorbenen, über seine Biographie, über sein Leben, über seine Krankheit, über die Umstände seines Todes… Die Angehörigen sollen sogar Einfluss auf die Rede nehmen, das ist meine Absicht und Sinn und Zweck einer weltlichen Trauerfeier.
Ich bin für vieles offen, kann fast alles ermöglichen, egal ob Musik von CD, Orgelspiel, Chor, Trompeter oder aber die musikalische Umrahmung eines Berufsmusikers, mit dem ich zusammenarbeite. Auch die Örtlichkeit der Trauerfeier ist variabel, es muss nicht zwangsläufig der Friedhof sein, so wie viele Menschen das noch kennen.
Alles geschieht nach den Wünschen der Angehörigen, hier stelle ich leidlich meine beratende Hilfe zu Seite. Die Organisation der Beerdigung obliegt dem Bestattungsdienst und dem Friedhof, für die Organisation der Trauerfeier bin ich verantwortlich.
Mittlerweile übernehme ich auch Vorsorge, Menschen nehmen zu Lebzeiten mit mir Kontakt auf und bestellen quasi im Voraus ihre eigene Beerdigung bei mir.

mh bayern: Herzlichen Dank für das Interview!

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Foto: Peter Steinhart-Neß
myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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