Erlebnisse von Reinecke Fuchs (1)

Die Situation zu Hause im elterlichen Bau ist wirklich unerträglich! Nein, das hält Herr Fuchs nicht mehr lange aus. Mama Fuchs - die bisher immer zu ihm gehalten hat - ist ungewöhnlich gereizt, sogar zu ihm. Na ja, es ist verständlich, sie ist trächtig und es wird höchstens noch 1 bis 2 Wochen dauern, bis sie wieder wölft. Danach wird Reinecke wohl ganz abgeschrieben sein, dann dreht sich alles nur noch um die jungen Bälger. Reinecke hat nicht die leistete Ahnung, wie das wohl gehen soll, der Bau ist jetzt schon zu klein. Je länger er darüber nachdenkt, desto deutlicher wird ihm bewusst, dass er dringend eine Lösung finden muss - nur welche? Das ist hier die Frage.

Bei seinen nächtlichen Jagdzügen kommt Herr Fuchs ganz schön weit herum und er hat schon mehrere Plätze gefunden, die ihm für einen Fuchsbau geradezu ideal erscheinen. Obwohl er genaue Vorstellungen hat, wie der Bau aussehen soll, konnte er bislang nicht mit dem Ausgraben beginnen. Der Boden in diesem Jahr war ungewöhnlich lange zugefroren und erst in den letzten Märztagen war es warm genug geworden, um mit dem Graben zu beginnen. Doch die Zeit drängte, die Niederkunft von Mama Fuchs stand bevor. Nein, in der Kürze der Zeit war das auf keinen Fall zu schaffen. Sollte er zu Hause bleiben und die Streitereien in Kauf nehmen. Der Gedanke erfüllte ihn mit Grausen!

Doch, wer wird ihm helfen, einen Bau auszugraben? Fragen über Fragen. In dieser auswegslosen Situation beschließt Reineke, nichts zu überstürzen.

Und so widmet er sich wieder der Jagd. Es ist eine Vollmondnacht und Reineke weiß, dass er da nicht auf dem freien Feld jagen kann. Die Hasen und die Rehe kommen viel zu spät aus dem schützenden dunklen Wald heraus, der ihnen Deckung bietet. Diese Tatsache will er sich zu nutze machen und entscheidet, sich ganz tief drinnen in einer Fichtenschonung auf die Lauer zu legen. Wenn er dort Witterung von anderem Wild aufnimmt, dann wird er sich auf leisen Sohlen anschleichen und im geeigneten Moment einen Überraschungsangriff starten. Diese Strategie hat ihn schon oft zum Erfolg geführt.

So schnürt er nun aufmerksam vor sich hin, seine feine Nase immer in den Wind gerichtet. Dabei kommt er tiefer in den Wald hinein als jemals zuvor. Gerade als er unverrichteter Dinge aufgeben will, nimmt er Witterung auf. Sie ist schwach - kaum wahrnehmbar - und er muss sich auf's äußerste konzentrieren, um den Geruch zuordnen zu können. Schnell ist ihm klar, es ist weder Reh noch Hase. Doch worum handelt es sich? Bevor er sich dessen so recht bewußt wird, sträuben sich seine Nackenhaare. Das kommt nur bei Gefahr vor und Reinecke ist plötzlich in höchstem Maße alarmiert! Gedankenfetzen jagen ihm durch sein Gehirn - Hund: nein, Hund ist es nicht - aber wer oder was um alles in der Welt ist es dann?

Auf einen Schlag wird ihm bewusst: Grimmbart, der Dachs! Ja, es riecht nach Dachs. Oh, da hat er schon üble Geschichten gehört! Grimmbart ist ein höchst unangenehmer Geselle, dem alten Nachbarn hat er mit seinen scharfen Zähnen die Nase derart demoliert, dass diese danach wochenlang geeitert hat und der Altfuchs seither nichts mehr riecht.

Mit einem raschen Satz springt Reineke zur Seite und findet Schutz in einem Baumwipfel, der da zufällig am Boden liegt. Noch beim Hineinhechten bemerkt er, dass der Gipfel schon ganz dürr ist und ihm die ganzen Tannennadeln ins Fell hineinpieksen. Nicht dass das besonders weh tut, aber wie soll er die jemals wieder rauskriegen - o Schreck lass nach! Doch immerhin ist er zunächst hier sicher und kann die Lage beobachten ohne selbst entdeckt zu werden.

Die Ohren gespitzt, die Augen zu ganz engen Schlitzen zusammengekniffen kauert er sich tief auf den Boden, um nur ja nicht entdeckt zu werden. Obwohl er alle seine Sinne geschärft hat, kann er keine Veränderung wahrnehmen, seine ausgezeichnete Nase riecht auch dann nicht mehr, als eine starke Windböe ihm die Witterung direkt zuträgt. Das Gehirn von Herrn Fuchs arbeitet fieberhaft. Was ist die Ursache dafür? Hat er so etwas schon einmal gehört?

Klar, jetzt fällt es ihm wieder ein. Die Geruchsquelle bewegt sich nicht. Vielleicht kommt die Witterung gar nicht von einem Tier, das da irgendwo in der Nähe ist, sondern von der Losung. Je länger er riecht, desto sicherer wird er: Es handelt sich nur um
Dachslosung (so nennt man das, was bei einem Dachs aus dem Darm herauskommt). So schwach, wie der Geruch ist, muss das Ereignis schön längere Zeit zurückliegen.

Mit dieser Erkenntnis ist Reinecke wieder ganz entspannt und gleichzeitig auch neugierig geworden. Der Sache muss er auf den Grund gehen und er wagt sich aus seinem Versteck heraus. Doch die nächste Überraschung folgt auf dem Fuße, er stolpert nämlich in eine Kuhle im Waldboden hinein. Zu allem Überdruss verstaucht er sich dabei seine rechte Vorderpfote.

Kaum hat er den ersten Schmerz und die Verärgerung überwunden, macht er eine wunderbare Entdeckung. Er ist direkt in die Öffnung eines Dachsbaus hineingestolpert! Die Freude steigert sich noch, als er feststellt: dieser Bau ist schon seit längerer Zeit nicht mehr befahren. Na ja, die Menschen verwenden anstelle des korrekten Ausdrucks "befahren" das unpassende Wort "bewohnt" - warum auch immer sie solch seltsame Begriffe verwenden. Bei einem genutzten Bau würde es ziemlich unangenehm nach Dachs riechen! Außerdem müsste eine frische Fährte vorhanden sein.

"Yippih!" jubelt Herr Fuchs und die Schmerzen an seiner Pfote sind auf einmal wie weggeblasen. Wenn sich diese Annahme bestätigt, kann Herr Fuchs demächst hier einziehen. Den Dreck und Schmutz seiner Vorbewohner wird er schon noch rauskriegen - Dachse stehen ja doch in dem Ruf, nicht besonders reinlich zu sein.

Aber gemach - wir wollen die Dinge mit Bedacht angehen - es will alles wohl überlegt und geplant sein. Beobachten wir den Bau doch noch ein paar Tage - vielleicht sind die alten Bewohner nur im Winterurlaub und kommen womöglich bald zurück.

Mal sehen, wie es weitergeht!

Bürgerreporter:in:

Angelika Böck aus Günzburg

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