Reineke Fuchs in Gefahr

Reinecke Fuchs hört schon den Hetzlaut von Hunden, als es ihm gerade noch gelingt, seine Brante aus der Schlagfalle zu herauszuziehen. Doch noch ist er nicht gerettet, das Bellen scheint immer näher zu kommen. Er kennt dieses helle, heißere Gebell nur zu gut, es ist so typisch dafür, wenn die Bestien mit Feuereifer und Begeisterung bei der Sache sind. Nun ist einer von ihnen hinter ihm her. Gerade noch mal ist er der Falle entronnen, soll das sein Ende sein – von Hunden zerfetzt zu werden?

Das schiere Grausen erfasst ihn, lässt den Schmerz für einige Zeit vergessen und verleiht im neue Kraft. Schnell wie der Wind rennt er zum nahe gelegenen Bach, um sich an einer Stelle, an der reichlich stark duftender Giersch die Böschung überwuchert, in die Fluten zu stürzen und gegen die Strömung flussaufwärts zu schwimmen. Nun hat der Hund keine Chance mehr, der Strom wird die Witterung des Fuchses und seiner verletzten Pfote flussabwärts treiben und so den Geruchssinn des Hundes irritieren. Zusätzlich wird die frische Würze des Giersch die schwache Witterung überdecken, die der verletzte Fuchs abgibt.

In dem Augenblick, als Reinecke freudig erkennt: „nun bin ich gerettet“, meldet sich in seiner verletzten Brante ein pochender, zuckender Schmerz zurück. Noch hat sich das Wasser vom Winter her nicht erwärmt und er weiß, die Kälte verschafft ihm etwas Linderung. Doch wie soll er danach den Schmerz betäuben, er kann schließlich nicht ewig im Bach schwimmen.

Das Bellen des Hundes ist nur noch schwach zu vernehmen. Der blutrünstige Killerhund ist die Labradorhündin „Fides vom Kartheuserhof“, welche alle jagdlichen Prüfungen mit „sehr gut“ bestanden hat. Nur bei einer Sache verweigert sie permanent die gewohnt gute Leistung: Wenn sie einen Fuchs verfolgen soll. Da zieht sie angewidert ihre Nase hoch, läuft zwar in die richtige Richtung, aber langsam genug, dass ihr die Füchse leider immer wieder entkommen. Sie läuft jedoch gerade schnell genug, damit ihre Abneigung nicht erkennbar wird und sie nicht getadelt wird. Heute war sie schon in den frühen Morgenstunden mit Herrchen beim Joggen, was ihr sehr viel Freude bereitet. Mit dem heißeren Bellen wollte sie nur ihren Begleiter animieren, etwas schneller zu laufen…

All das weiß Herr Fuchs natürlich nicht. Ihn plagen andere Sorgen, als er ermattet aus dem Bach klettert und sich erst mal unter einem uralten Weidebaum etwas ausruht. Die weit herabhängenden Äste und Zweige des knorrigen Rießen sind eine perfekte Tarnung und schützen ihn vor Feinden und neugierigen Blicken. Was nur soll er gegen seine Schmerzen tun, wie eine Entzündung und Vereiterung der Wunde verhindern? Wovon wird er sich ernähren? Auf seinen drei gesunden Beinen wird er mehr humpeln als laufen. Wenn er nicht irgendwo ein totes Tier findet, sieht es schlecht aus für Reineke. Auch für kranke Tiere wird es ein leichtes sein, ihm zu entkommen.

Während er so überlegt, fällt er in einen unruhigen Schlaf. Traumfetzen jagen durch sein Gehirn. Er ist findet sich in seiner Kinderstube wieder, wo er von seinem frechen Cousin gebissen wird. Oma Fuchs eilt herbei und leckt seine Wunde, tröstet den Kleinen, als er vor sich hin wimmert und klagt und gar nicht mehr damit aufhören will – ein bißchen, weil es wirklich weh tut und andererseits, weil es so schön ist, wenn sich alles um ihn dreht. Großmutter ist eine weise Füchsin und verfügt über das jahrhundertealte Wissen ihrer Vorfahren um die Heilkraft der Kräuter, das leider fast verloren gegangen ist. Und sie weiß, sie muss ihren Enkel ablenken. Im Traum führt sie ihn zu einem Weidenbaum, erzählt, dass die Weidenrinde eine schmerzlindernde und fiebersenkende Substanz hat, diese Eigenschaft auch im botanischen Namen „Salix – Salicaceae“ wiederzufinden sei. Gleichzeitig ermahnt sie Reinecke, nur soviel Weidenrinde zu essen, wie notwendig ist um den Schmerz erträglich zu halten, weil der Wirkstoff außerdem auch eine blutverdünnende Eigenschaft hat und damit schlecht für seine Wunde ist. Herr Fuchs öffnet die Augen, blinzelt gegen die aufgehende Sonne und weiß nicht, ob er geträumt hat oder Grußmutter wirklich hier war – schließlich liegt er direkt unter einem Weidenbaum und alles schien so real zu sein. Nun, das Problem der Schmerzen scheint ja gelöst.

Während Reinecke Weidenrinde knabbert, bereut er, bei Großmutters Erzählungen oft so unaufmerksam gewesen zu sein und er beschließt, all das Wissen seiner Großmutter, an das er sich noch erinnern kann, an seine Kinder weiterzugeben. Wie nützich das sein kann, hat er eben selbst erlegt.

Bürgerreporter:in:

Angelika Böck aus Günzburg

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