Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch erzählen Teil 8 Horst Leitner aus Nordrhein-Westfalen

Elisabeth Keller im Gespräch mit Opfern von sexuellem Kindesmissbrauch

Hans Georg van Herste, Autor, Schmerztherapeut, Lebensberater, Herausgeber, war selbst Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch, häuslicher Gewalt und Psychoterror. Seit seiner Jugendzeit macht er Übergriffe gegen Opfer von sexuellem Missbrauch und Diskriminierungen gegen Frauen und Homo- und Transsexuelle öffentlich.
Seine Bücher und Dokumentationen schlugen hohe Wellen, da er kein Blatt vor den Mund nimmt, Tathergänge nicht verniedlicht und eine deutliche Sprache spricht. Obendrein hat er die „Insel-Methode“ erdacht, um Opfern und Betroffenen vor Ort zu helfen.
Diese Vorgehensweise hat ihm nicht nur viel Anerkennung eingebracht, sondern auch viel Ärger, da sich Täter und ihre Helfer und Sympathisanten nicht gern auf die Schliche kommen lassen. Neben Beschimpfungen übelster Art wurde auch eine Verleumdungskampagne großen Stils gegen ihn losgetreten, um ihn unglaubwürdig zu machen. Diese Verleumdungsprofis wussten genau, dass die Worte „Sekte, Sex und finanzielle Ausbeutung“ ihr Ziel nicht verfehlen würden.
Trotzdem hat sich Hans Georg van Herste nicht von seinem Weg abbringen lassen. Die Entwicklungen der letzten Zeit haben ganz klar bewiesen, dass „seine“ Opfer nicht allein sind, dass sie keine Märchen erzählen, und dass seine Aussagen zur Häufigkeit und zur Vorgehensweise der Täter absolut der Wahrheit entsprechen.

Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, Opfer, die von Hans Georg van Herste begleitet wurden, die keine Angst vor der Öffentlichkeit haben und anderen mit ihrer Aussage Mut machen wollen, zu befragen.

EK Wie alt sind Sie heute?

HL Ich bin einundfünfzig Jahre alt.

EK Was machen Sie beruflich?

HL Ich arbeite als Pflegedienstleiter in einem Seniorenheim

EK Wer waren die Täter?

HL Eine Nachbarin, die sich angeboten hatte, auf Kinder aufzupassen.

EK Wusste Ihre Mutter davon?

HL Sie ahnte wohl etwas, hat sich aber nicht getraut, ernsthaft nachzuhaken.

EK Was hat man mit Ihnen gemacht?

HL Zuerst musste ich mit ihr aufs Klo und sie beim Urinieren betrachten. Später haben wir auch zusammen auf dem Sofa oder im Bett gelegen. Dabei musste ich sie streicheln und auch sie hat mich angefasst.

EK Welche Gefühle hatten Sie dabei?

HL Die waren sehr zwiespältig. Einerseits genoss ich ihre Aufmerksamkeit, die ich zu Haus nicht erfahren habe. Andererseits wusste ich mit dem, was da passierte, nichts anzufangen. Es tat nie weh, war mir aber nicht geheuer. Irgendwie war mir schon damals klar, dass das nicht sein durfte.

EK Ist Ihnen das allein passiert?

HL Nein, sie hat sich auch bei anderen Familien angeboten. Wie viele Kinder sie auf diese Weise benutzt hat, kann ich nicht sagen.

EK Wie alt waren Sie als alles begann?

HL Ich denke, dass ich so zwei oder drei gewesen sein muss.

EK Wann endeten die Übergriffe?

HL Als ich zur Schule kam, war es vorbei.

EK Haben Sie es jemandem erzählt?

HL Ich habe meiner Mutter davon erzählt. Sie hat wohl auch die Nachbarin angesprochen, weil ihr ähnliche Geschichten von anderer Seite zugetragen worden waren. Die Nachbarin erklärte, dass sie uns Kinder mit aufs Klo genommen hätte, um uns nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Alles andere sei aber frei erfunden. Meine Mutter und auch die anderen Nachbarn haben das geglaubt oder glauben wollen. Schließlich verschaffte ihnen diese Frau Freiraum.

EK Haben Sie die Täter konfrontiert?

HL Ja, ich habe die Frau konfrontiert. Allerdings war ich durch mein mieses Elternhaus – mein Vater hat gesoffen und dauernd rumgebrüllt, meine Mutter hat sich untergeordnet – und durch die Schul- und Ausbildungszeit total abgelenkt. Erst vor ein paar Jahren habe ich diese Frau aufgesucht. Allerdings lebte sie da schon in einem Altenheim und war hochgradig dement.

EK Was ist daraus geworden?

HL Nichts. Meine Mutter war über meine Aktivitäten gar nicht erbaut und meinte, das ganze sei schon so lange her und man solle nicht in alten Wunden wühlen. Ich denke, dass sie nur Angst vor dem Gerede der Nachbarn hatte. Das war schon immer ihre größte Sorge gewesen. Wenn sie inbrünstig in der Kirche betete, verschwand alles andere aus ihrem gedanklichen Dunstkreis.

EK Glauben Sie, dass die Täterin weitermachte?

HL Ich bin mir sicher, dass diese Frau im Laufe der Jahre viele Kinder missbraucht hat. Sie hatte wohl nach ihrer Aussage einen Freischein bei den Nachbarn. Ich denke schon, dass die alle etwas ahnten, da sie mehrere Kinder ausgepackt hatte, aber niemand sich traute, der resoluten Frau entgegenzutreten. Ich glaube auch, dass sie nicht die einzige war, die in unserer kleinen Stadt derartiges tat. Später hörte ich von einem Mann, der sich an Kindern vergriffen haben soll. Allerdings bin ich bei Nachfragen immer auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Das hängt wohl damit zusammen, dass viele Kinder nicht nur von außen stehenden Personen missbraucht werden, sondern hauptsächlich in der eigenen Familie. Meine Schwestern wurden auch von meinem Vater missbraucht. Und da meine Mutter davon wusste, hat sie wohl auch bei der Nachbarin den Mund gehalten. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Im Nachhinein ist mir erst klar geworden, wie viel Missbrauch es insgesamt gibt. Es ist erschreckend.

EK Warum sprechen Sie jetzt darüber?

HL Ich spreche seit vielen Jahren darüber, habe auch in einer Fernsehdokumentation mit Herrn van Herste mitgemacht, die sexuellen Missbrauch von Kindern zum Thema hatte. Hat viele positive und negative Reaktionen ausgelöst. Da meine Schwester von ihrem Missbrauch durch einen Lehrer und unseren Vater berichtet hat, sollten wir sogar von unserer Familie verklagt werden. Das ist dann allerdings im Sande verlaufen, weil die wohl Angst davor hatten, noch mehr Staub aufzuwirbeln. Wir hätten das durchgezogen und das haben die wohl gemerkt.

EK Vielen Dank für das Gespräch, Herr Leitner

Buchtipp
Viktoria Grantz
Die Prinzessin vom Leuchtturm
ISBN: 9783837069556
116 Seiten
8,80 Euro

Als Andrea zur Welt kommt, ist sie sofort der Sonnenschein der kleinen Familie. Zwei Nachbarsjungen kommen dem Mädchen näher als erlaubt und setzen damit eine Ereigniskette in gang, die zur Katastrophe führt. Spannender Roman nach Tatsachen im Schatten des Nordseedeiches.

Bürgerreporter:in:

Elisabeth Keller aus Gnarrenburg

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