Mein Vater, der Diakon – Buchvorstellung zieht heiße Diskussion nach sich

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Am Freitag, den 27. August 2010 trafen die ersten Stammhörer bereits kurz nach 19.00 Uhr in Gretels Lesestube im Restaurant Dobbendeel in Bad Bederkesa ein, um wieder einmal einer Buchvorstellung der besonderen Art beiwohnen zu können.

Vor mehr als zehn Jahren war der Ayur-Veda-Therapeut und Autor Hans Georg van Herste von einer Frau aufgesucht worden. Diese hatte ihm eine schier unglaubliche Geschichte erzählt. Als Mädchen von ihrem Vater, einem frömmelnden evangelischen Diakon, mit Wissen der Mutter sexuell missbraucht und später sogar an andere Kirchenmitarbeiter verliehen, hatte sie nun Probleme, ihrem Leben einen Sinn zu geben.

Da diese Geschichte absolut schlüssig klang, glaubte ihr van Herste sofort und unterstützte sie nach Kräften. Im Laufe der Zeit konnte er ihr vermitteln, dass die Täter heute keine Macht mehr über sie haben. Nach und nach wurde sie psychisch dermaßen stabil, dass sie ihre Eltern mit ihren Erinnerungen konfrontieren konnte. Ihre Familie versuchte daraufhin, sie mundtot zu machen und strebte sogar eine Entmündigung an. Dieses Unterfangen schlug natürlich fehl, da sie eine hochintelligente Frau ist und inzwischen in leitender Position im gehobenen Dienst arbeitet.

Nach dieser kurzen Einleitung stellte Frau Brigitte Winkel, die erste Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins TransBorderLes e.V., dessen Mitglieder es sich zur Aufgabe gemacht haben, Opfern von sexuellem Missbrauch und häuslicher Gewalt zu unterstützen, das Buch „Mein Vater, der Diakon“ vor. Die Autorin Viktoria Grantz hatte aus der wahren Geschichte – immer hautnah an der Realität – einen fesselnden Roman gemacht, der schon kurz nach seinem Erscheinen für viel Aufsehen gesorgt hatte.

Schon während der spannend vorgetragenen Buchvorstellung wurden erste Unmutsäußerungen laut. Die zahlreichen, überwiegend weiblichen Zuschauer hielt es kaum noch auf ihren Stühlen.

Kaum war Brigitte Winkel mit viel Applaus entlassen worden, brach eine äußerst emotionsgeladene Diskussion los. Van Herste hatte Mühe, diese in vernünftige Bahnen zu lenken. Sowohl die Kirche, als auch Polizei, Staatsanwaltschaft und Medien wurden attackiert.

Eine Besucherin aus Stade dazu:
„Ich bin empört darüber, wenn ich hier hören muss, dass Straftaten solcher Art nicht von der Polizei verfolgt und die Täter geschützt und die Opfer verleumdet werden. So etwas ist in meinen Augen ein Skandal ohne Ende. Die Politik ist gefordert und muss endlich die Verjährungsfristen für solche Verbrechen aufheben“

Eine Cushavenerin erzählte:
„Ich bin von meinem Onkel begrabbelt worden und habe meiner Mutter davon erzählt. Die hat mich zum Schweigen verdonnert. Wenn ich etwas erzählen würde, wäre die ganze Familie entehrt. Wie kann man da noch von Ehre sprechen?“

Eine Zuschauerin aus Bremerhaven erklärte:
„Ich finde es schlimm, dass das anfangs von den Medien hoch gekochte Thema „Missbrauch durch die Kirche“ langsam aber sicher wieder in der Versenkung verschwindet. Ich habe bei einem Radiosender angerufen und gefragt, warum nichts mehr darüber zu hören ist. Dort sagte mir ein Mitarbeiter, dass dieses Thema inzwischen abgedroschen sei.
Auch einen Zeitungsmitarbeiter habe ich danach gefragt. Er hat nur ausweichend geantwortet. Als ich ihm vorhielt, dass ganze Seiten mit Bagatellen, wie z. B. Schützenfesten gefüllt würden, über das weit verbreitete Verbrechen des Missbrauchs aber kaum etwas erscheinen würde, wurde er sogar ein wenig pampig. Er ließe sich nicht vorschreiben, was er zu schreiben hätte. Schließlich würden wir uns in einer Finanzkrise befinden und obendrein gäbe es überall auf der Welt hässliche Katastrophen, über die berichtet werden müsste. Daraufhin habe ich aufgelegt. Es ist ein Jammer, was da passiert, und niemanden scheint es wirklich zu interessieren.“

Erst nach über einer Stunde beruhigten sich die Gemüter langsam. Alle Anwesenden lobten den Mut der in dem Buch beschriebenen Frau und die Autorin und den Verein für ihr Engagement.

Buchtipp
Viktoria Grantz
Mein Vater, der Diakon
ISBN: 9783839133620
84 Seiten
5,90 Euro

Filmtipp
Lebenswege – Opfer von sexuellem Missbrauch berichten
http://www.youtube.com/watch?v=oRji15SO5-k

Bürgerreporter:in:

Elisabeth Keller aus Gnarrenburg

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