Eine türkische Erfolgsgeschichte

Tagesplanung mit Tochter Büsra (Bildmitte) und Ehemann Murat
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  • Tagesplanung mit Tochter Büsra (Bildmitte) und Ehemann Murat
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Zur Zeit gibt es in unserem Land eine Diskussion über die Rolle der Frau in der Berufswelt. Es wird bemängelt, dass dort zu wenig Frauen leitende Positionen bekleiden. Um eine Führungsposition zu erlangen, müssten sie viel mehr leisten als ihre männlichen Kollegen. „Erfolgsfrauen“ seien rar in unserer männerdominierten Arbeitswelt. Dem Pressemann liegt es fern, sich darüber ein Urteil zu bilden. Er möchte aber gerne eine Frau vorstellen, die zwar nicht zur Chefetagen -Eminenz in unserem Land gehört, über die es dennoch eine kleine „Erfolgsgeschichte“ zu berichten gibt. Am Anfang ihres Weges stand Belgin Erdogan einer fremden Kultur mit all ihren Ausprägungen wie Sprache, Religion oder Gesellschaftsordnung gegenüber. Sie hat diese Herausforderungen mit Bravour gemeistert. Heute kann sie sich über ihr kleines, selbstgeschaffenes „Reich“ freuen, das sie gut im Griff hat.

„Griff“ insofern, weil sie sich auf das Verschönern von Köpfen versteht, darunter dem des myheimat-Mannes. Sie ist gelernte Friseurmeisterin mit in Deutschland abgelegter Prüfung und betreibt seit 2005 einen Salon in der Donauwörther Straße, Gersthofen. Sie ist „Chefin“ von den Töchtern Büsra und Asya sowie Sohn Baran, in enger Kooperation mit Ehemann Murat. Sie beschäftigt außerdem die Friseurmeisterin Nicole. Und, die Namen verraten es vielleicht schon, sie ist türkischer Abstammung. Belgin, kaum anzusehende 44 Jahre alt, lebt sei 1980 in Gersthofen. Den Pressemann interessiert, wie sie sich in unserer Wohlfühlstadt zurecht findet und sich dort einen Platz in der üppigen Friseurlandschaft erobert hat. Gleichzeitig bewegt ihn die Frage, wie „Türken“ uns „Deutsche“ sehen; eine Frage, die angesichts der traurigen Aktualität des NSU-Terrors und der Prozessbegleiterscheinungen nicht unberechtigt ist.

Zuerst: Ein Großteil ihres Erfolges beruht auf das ausgezeichnete Beherrschen der deutschen Sprache. Die Unterhaltung mit ihr macht Spaß; sie hat viel Humor und lacht gerne. Sie fühlt sich wohl und zeigt das auch. „Ich lebe gerne in Gersthofen. Meine Familie und ich fühlen uns von Nachbarschaft und der Stadt Gersthofen gut aufgenommen.“ Die Kinder hatten keine Problem in der Schule. Freundschaften mit deutschen Familien werden gepflegt. Es wird keine Angst vor rechten Umtrieben empfunden; den NSU-Prozess in München verfolgt sie nur am Rande, denn es fehlt ihr an der Zeit. Ihren Beruf bezeichnet sie als „Traumjob“. Sie gehe gerne mit Menschen um und höre aufmerksam zu, wenn Kunden von ihren Sorgen und Nöten erzählen. „Ich interessiere mich eben für Menschen“, erklärt sie und freut sich, wenn ihr so viel Vertrauen geschenkt wird und dabei schon fast „Psychotherapeut“ sein darf. Sie hat ein gutes Gedächtnis und die Kunden sind angenehm überrascht, wenn sie sich beim nächsten Besuch nach ihren Problemen erkundigt. Sie habe sogar schon von einer Kundin aus Frankfurt/Main einen Dankesbrief erhalten mit dem Kompliment, sie hätte in Gersthofen „ihren besten Haarschnitt samt Gesprächsbegleitung“ bekommen.

Integration also gut gelungen. Achtet sie noch auf ihre türkischen Wurzeln? „Ja, ich werde meine Wurzeln nie vergessen. Sie sind ein Bestandteil meines Lebens und haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin.“ Dazu hat auch wesentlich die Erziehung durch das Elternhaus beigetragen. „Meine Eltern waren sehr liberal und haben mir und meinen fünf Geschwistern viel Freiheit gelassen. Sie haben uns aber auch das Achten religiöser Gebräuche an das Herz gelegt. Dazu gehöre z. B. das Feiern des „Ramadan“, das sie mit ihrer Familie allerdings etwas moderat feiere, wie sie augenzwinkernd gesteht. Dann gibt es den „Tag des Kindes“, vergleichbar mit einem großen Kinderfest. Ernst genommen würde auch die Verpflichtung des Islams, die Armen zu unterstützen. Beim „Opferfest“ spenden die Erdogan`s einen größeren Geldbetrag. Sie senden Geld an Angehörige in der Türkei. Von diesem Geld wird auf ihren Namen ein Lamm oder Schaf gekauft und geschlachtet. Das Fleisch wird dann an Bedürftige verschenkt. Diese wiederum bedanken sich mit intensivem Beten für die Spender im fernen Deutschland. Fühlt sie sich nun mehr als „Türkin“ oder „Deutsche“? Nach kurzem Überlegen: „Ich bin tief in meinem Herzen Türkin geblieben, trotz eines deutschen „Anstriches.“ Käme es zu einem Fußballländerspiel zwischen Deutschland und Türkei, würde sie für die türkische Mannschaft jubeln. Ebenso würde sie natürlich ihren Mann und Sohn Baran, beide Fußballspieler beim TSV Gersthofen, unterstützen. Ihre Familie betrachtete sie als das „Wichtigste“. Zuhause wird türkisch und deutsch gesprochen. Spontanität und Emotionen bestimmen die Sprachwahl. „Da kommt es dann schon vor, dass kräftig türkisch geschimpft wird und auf deutsch wieder der Familienfriede hergestellt wird“, verrät sie lachend. Unterm Schlussstrich also: Spagat zwischen Pflegen türkischer Tradition und Leben nach westlicher Modernität gelungen.

Während des Interviews, gesellt sich Ehemann Murat dazu. Er führt in Langweid ebenfalls einen Friseursalon. Die Gelegenheit wird genutzt für einige Bilder, bevor er zu seinem Betrieb fährt. Abschied auch langsam von der sympathischen Interviewpartnerin. Zeit für eine letzte Frage: Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? Nach kurzem Überlegen: „Ich habe Respekt vor jedem Menschen, egal ob Kunde oder nicht.“ Dazu gehört auch, dass man aufeinander zugeht. Hier empfiehlt sie ihren Landsleuten sich sprachlich mehr an ihre deutsche Umwelt anzupassen. „Ich lehne außerdem Vorurteile auf beiden Seiten ab – die Klischees sind überholt.“ Um das Ganze zu bekräftigen zitiert sie eine alte indianische Weisheit: „Großer Geist, bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin.“ Dem kann man nichts mehr hinzufügen...

Bürgerreporter:in:

Gerhard Fritsch aus Gersthofen

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