Müde und erschöpft - Gedanken zum 11. Sonntag im Jahreskreis

Es ist sehr schön, wenn wir mit anderen Menschen mitfühlen und Verständnis für sie haben. Von Jesus wird uns das immer wieder berichtet. Ein Beispiel dafür hören wir im Evangelium dieses Sonntags: Matthäus 9, 36-10,8. „Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft“ – so heißt es dort.

Es kann sein, dass wir uns da gerade selber angesprochen fühlen, weil wir zurzeit auch müde und erschöpft sind. Vielleicht haben wir Sorgen oder Ängste. Oder eine Krankheit macht uns das Leben schwer. Wir spüren, dass wir traurig oder kaputt sind. Es ist wichtig, dass wir da ehrlich mit uns sind und zu all dem stehen. Niemand von uns ist ein Übermensch. Wir können und brauchen nicht alles einstecken und uns möglicherweise selber fertig machen. Noch weniger müssen wir unsere schwachen und verletzlichen Seiten hinter einer Fassade verstecken. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus auch uns ansieht und dass er uns versteht. Er lädt uns ein, zu unsrem Leben zu stehen und uns auch mit dem Schwachen an uns anzunehmen. Das kann uns innere Freiheit schenken. Eine Form der Ent-Lastung kann auch das Gebet sein. Vor Gott können wir alles, was schwer ist, zur Sprache bringen. Sicher gibt es auch gute Menschen, die uns helfen und denen wir vertrauen. Dafür dürfen wir dankbar sein und in ihnen auch Gottes Nähe entdecken.

„Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft“. Es kann aber auch sein, dass wir eben an einen anderen Menschen denken, der unser Mitgefühl braucht. Wir sind auch selber berufen, einen Blick für unsere Mitmenschen zu haben. Sicher gibt es auch an unserer Seite manche Leute, die uns gerade brauchen. Es geht oft so laut und hektisch zu. Und deshalb gibt es auch heute so viele Menschen, die müde und erschöpft sind. Manchmal ist es schon eine Hilfe, wenn wir nachfragen, wie es geht. Und oft brauchen Menschen auch ein gutes Wort, das ihnen neuen Mut schenkt. Bei dieser Gelegenheit vielen Dank an alle, die auch in schweren Zeiten in den Krankenhäusern und Arztpraxen, in den Pflegeeinrichtungen, bei den Rettungsdiensten und bei der Polizei sowie in den unterschiedlichen Berufen und im privaten Umfeld für andere Menschen da sind und das Mitgefühl zur Tat werden lassen!

Im Evangelium ruft Jesus seine Apostel. Wenn wir ihre Namen anschauen, dann sehen wir, dass sie keine Übermenschen sind. Sicher hätte Jesus begabtere, gebildetere und frömmere Leute gefunden. Aber er wollte diese Normalmenschen. Vielleicht auch deshalb, weil gerade sie mit ihren Wunden, Narben und Schrammen andere Leute besser verstehen können? Diese Apostel sendet Jesus aus. Sie sollen die Frohe Botschaft verkünden; sie sollen heilen und die Leute vom Bösen frei machen. Das ist bis heute die Sendung der Kirche und die Berufung von uns Christen: Wir sollen den Menschen zeigen, dass die Frohe Botschaft von Jesus eine heilende Wirkung hat. Es ist so wichtig, dass die Menschen das in unserer Kirche und in unseren Gemeinden erfahren dürfen. Sie sollen berührt werden von dieser wohltuenden und ermutigenden Botschaft. Deshalb brauchen wir in unserer Kirche und in unseren Gemeinden noch mehr an Offenheit für alle Menschen – gerade auch für die, die allzu oft und allzu schnell an den Rand gedrängt werden.

„Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft“. Jesus schaut heute auch auf uns und auf alle Menschen, die seine heilende Nähe brauchen. Dieser Blick Jesu muss auch der Blickwinkel unserer Kirche und unserer Gemeinden sein.

Pfarrer Ralf Gössl

Bürgerreporter:in:

Ralf Gössl aus Gersthofen

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