Fein herausgeputztes Dorf präsentiert seine Vergangenheit

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Mit einem Stehenden Festzug feierte Schiffelbach am Sonntag, d. 02. Juni 2013, den 750. Jahrestag der urkundlichen Ersterwähnung.

An die Schulzeit erinnern wir uns aus den unterschiedlichsten Gründen mehr oder weniger gerne. Zwar ist meine Schulzeit schon einige Tage her aber an Streiche, Strafen, Missgeschicke und Klassenfahrten kann ich mich noch lebhaft erinnern. So erging es wohl auch manch einem der heute den alten Klassenraum der ehemaligen Dorfschule von Schiffelbach betrat.

Hier hatte man den Eindruck in einem Klassenraum des beginnenden 20. Jahrhunderts zu stehen und wartete darauf, das die Schüler(innen) jeden Moment wieder zurück kehrten. Schiefertafel, Griffelkasten und Schwamm lagen ebenso auf der Schulbank wie der eine oder andere Schulranzen. An der Wand war eine Karte von Hessen aufgehängt, davor sah man einen Rechenschieber und hinter dem Lehrerpult stand auf der Tafel in Sütterlinschrift: Herzlich Willkommen Es grüßen Siebenhundertfünfzig Jahre Schiffelbach.

Der 750. Jahrestag der urkundlichen Ersterwähnung war es auch, der uns heute hier nach Schiffelbach geführt hat. Das Festmotto lautete "Lebendig aus Tradition" und dies wurde von der Dorfgemeinschaft toll umgesetzt. Auf den Höfen von der Fachwerkkirche bis zum Dorfgemeinschaftshaus präsentierten zahlreiche Aussteller traditionelles Handwerk, kulinarische Spezialitäten und Kinderspiele. Auf drei Aktionsbühnen präsentierten sich Musik- und Trachtengruppen. Für einen kurzweiligen Nachmittag war bestens gesorgt und die Zeit verging wie im Fluge.

Bevor Sie sich nun meine Aufnahmen von einem schönen Ausflug in die Vergangenheit ansehen, hier noch ein Auszug aus dem Internetlexikon von Wikipedia zur Geschichte von Schiffelbach:

"...1263 wurde der Ort als 'Scufelbach' erwähnt. ...Schiffelbach war Teil des 1821 geschaffenen Kreises Kirchhain, der 1932 im Landkreis Marburg aufging. ...1974 kam der Ort im Zuge der Gebietsreform in Hessen zur Stadt Gemünden im Landkreis Waldeck-Frankenberg ..." Soweit Wikipedia.

Nachtrag:

Es hat zwar einige Zeit gedauert, aber nun ist es soweit. Nun bin ich im Besitz der 2. Auflage der Schiffelbacher Chronik, die auf 541 Seiten kurzweilig über die 750-jährige Geschichte des Dorfes und seiner Bewohner berichtet. Die Chronik ist in 16 Kapitel unterteilt und beginnt mit einem 'Gang durch die Jahrhunderte', berichtet u.a. über 'Häuser und Höfe', 'Kirche und Gemeindeleben', 'Schule' , 'Sprache' und 'Brauchtum, Überlieferungen und Sagen' und endet mit dem Kapitel 'Besondere Ereignisse'.

Auf den Seiten 19 bis 31 befindet sich eine Zeittafel, die um das Jahr 900 beginnt und mit dem Festjahr 2013 endet. Aus dieser zeitlichen Auflistung habe ich folgende Daten entnommen:

1263 - findet sich die erste urkundliche Erwähnung eines "Herold de Scufelbach". Das Unterdorf untersteht den edelfreien Herren zu Löwenstein, das Oberdorf der hier ansässigen Familie Schleier als Mainzer Lehen.
1580 - Die Erbteilung unter den vier Söhnen mit den Herrensitzen in Schiffelbach, Ottrau, Schrecksbach und Gemünden leitet den Niedergang der Familie Schleier ein.
1635 - stirbt der letzte männliche Schleier, Johann Daniel.
1688 - verkauft Landgräfin Maria Amalie das Gut und Dorf Schiffelbach an Johann uffm Keller, hess. General und zuletzt Stadtkommandant von Marburg, ...
1700/1701 - Neubau der Fachwerkkirche durch die Gemeinde mit tatkräftiger Unterstützung durch den neuen Gerichtsherrn. ...
1706 - Nach dem Tod Johann uffm Kellers kommt es zu Streitigkeiten innerhalb der Erbenfamilie und immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Gemeinde. ... Da sich der hessische Landgraf Friedrich II. im Subsidienvertrag von 1776 verpflichtet hatte, Englands Ansprüche auf seine amerikanischen Kolonien militärisch zu unterstützen, leisteten elf junge Männer aus Schiffelbach Heeresdienst in Amerika.
1802/03 - konnte endlich eine neue Schule gebaut werden.
1808 - wurde der später berühmte Rechtsgelehrte Karl Philipp Adolph von Vangerow auf dem Schloss in Schiffelbach geboren.
1813 - 1815 - nehmen etliche Schiffelbacher an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil.
1821 - ...Schiffelbach kommt zum Amt Rauschenberg, ...
1810/1838 - Die Herrschaft der Kellerschen Erben endet mit dem Verkauf des inzwischen ... geteilten Gutes Schiffelbach. Die erste Hälfte wird 1810 an 16 Bauern, die zweite Hälfte 1838 an 30 Bauern verkauft, der Wald gehört insgesamt einer Interessentengemeinschaft.
ab 1830 - Missernten, Armut, Kinderreichtum ... treiben fast hundert Schiffelbacher - Männer, Frauen, Kinder - zur Abwanderung in die "neue Welt" nach Nordamerika.
1870/71 - nehmen am Krieg gegen Frankreich acht Schiffelbacher teil.
1906 - wird die Fachwerkkirche restauriert, die Schleiergrabsteine aufgestellt.
1913 - wird eine Dreschmaschinengenossenschaft gegründet.
1916 Febr. 16. - Einweihung des neuen Schulgebäudes. 26 Kinder aus Kassel und Frankfurt sind ins Dorf evakuiert.
1918 Okt. - Viele Menschen erkranken an der Spanischen Grippe, 23 Schiffelbacher sterben.
1921 Febr. 15. - Schiffelbach wird an das elektrische Stromnetz angeschlossen.
1944 Okt. 7. - Absturz eines amerikanischen Jagdflugzeugs über Schiffelbach.
1945 März 30. - Am Karfreitag marschieren amerikanische Truppen in Schiffelbach ein.
1959 - Errichtung der Gefrieranlage.
1965 - Für die neuen Glocken wird ein Kirchturm anstelle des Dachreiters gebaut.
ab 1970 Jan. - gehen alle Schüler nach Gemünden in die Schule.
1974 Jan. 1. - Ende der selbständigen Gemeinde Schiffelbach: Eingemeindung in die Stadt Gemünden, Kreis Waldeck-Frankenberg.
2013 - Schiffelbach feiert sein 750-jähriges Jubiläum."

Unter dem Kapitel 'Besondere Ereignisse' befindet sich auch ein Gedicht mit dem Titel "Fällung des Lindenbaums" von Frau Elisabeth Pletsch:

"Nicht weit von meinem Vaterhaus,
vorm lieben Dorfkirchlein,
da pflanzte man vor langer Zeit
ein schlankes Bäumlein ein.
Das Bäumlein in der Erde schoss
tief seine Wurzeln schlug,
und dort auf jenem schlichten Raum
wurde groß der Lindenbaum.

Kommt an die schöne Frühlingszeit,
die Sonne freundlich lacht,
legt an der kahle Lindenbaum
seine schöne grüne Tracht.

Für`n grünen Lindenbaum
erst kommt die allerschönste Zeit,
wenn blühen all die Blümelein
in seinem grünen Kleid.

Der Blütenduft dann lockt herbei
die fleißigen Bienelein.
Sie tragen in den Täschchen heim
den süßen Honigseim.

Bei Wettersturm und Sonnenschein,
am Tag und auch bei Nacht,
finden Schutz die lieben Vögelein
unter dem großen Blätterdach.
Kommt an der Herbst mit seinem Sturm,
fällt`s Kleid zur Erde leis`,
doch unter`m abgefall`nen Blatt
schlummert das Frühlingskleid.

Ehre stets den alten Lindenbaum !
Einst wird er nicht mehr sein,
so pflanzt auf einem andern Raum
einen jungen Lindenbaum.

Um den alten Lindenbaum
habe ich oft gebangt.
Denn von den vielen Wetterstürmen,
wurde er schwach und krank.
Nun ist der schöne Lindenbaum nicht mehr,
es kam von Gemünden die Feuerwehr,
Lange Leitern wurden aufgestellt,
und so wurde mit den Schiffelbacher Holzhauern
der Lindenbaum am 17. Februar 1962 gefällt."

Bürgerreporter:in:

Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain

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