"Meine Reise zum Horizont" - Interview mit Angela Brandl

21. Januar 2010
19:30 Uhr
Kolpinghaus, 86150 Augsburg
Angela Brandl war mit ihrem Motorrad 2 Jahre lang unterwegs
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„Meine Reise zum Horizont“ – waren diese Abenteuer geplant oder sind Sie einfach drauf losgefahren?
Es hat sich im Laufe meines Lebens ergeben, würde ich sagen. Natürlich waren einige Schlüsselerlebnisse auslösend. Aber meine Naivität war denke ich auch Punkt, denn ich hatte früher die Vorstellung in Italien würde es so aussehen wie in der Karibik. Als ich dann das erste Mal über den Brenner gefahren bin, war ich ziemlich enttäuscht, dass dort keine Palmen blühen, sondern alles etwa so aussieht wie bei uns. Die Urlaubsvorstellungen blieben aber trotzdem. Irgendwann habe ich begonnen zu recherchieren wo es so ist wie ich mir das wünsche und dort wollte ich dann hin.

Wie entstand die Idee dazu?
Ich bin dann das erste Mal in meinem Leben geflogen und zwar nach Australien. Da war ich mir sicher, dass es dort so aussieht wie ich mir den klassischen Urlaub denke. Bis dato war ich immer mit meinem Fahrrad oder Motorrad unterwegs. Ich stand also in Sydney und dachte, na ja gut, dann kaufst halt ein Motorrad. Ziemlich mutig war ich dann auf dem Weg Richtung Outback. Heute würde ich mir so etwas wahrscheinlich nicht mehr zutrauen. Es war eine echte Herausforderung, denn die ganzen fremden Umstände war ich nicht gewohnt und dann hatte ich auch noch einen Motorschaden. Lange Zeit musste ich auf Hilfe warten, denn Australien ist nicht so bevölkert wie unser Land. Ich hatte also genug Ruhe mir Gedanken zu machen. Während dieser Zeit beschloss ich das nächste Mal eine solche Fahrt mit meinem eigenen Fahrzeug zu unternehmen. Als ich wieder zu Hause war erzählte mir eine Freundin, die in halbes Jahr in Indien war, dass ich dort unbedingt mal hinmüsste, es wäre wirklich schön gewesen. Ich habe mir daraufhin die Landkarte angesehen und gedacht, ich sollte einfach ausprobieren, ob ich auch über Land nach Indien kommen kann. Das war meine erste Reise 1990.

Weshalb so lange Reisen?
Ich hatte schon früher nicht die finanziellen Mittel um luxuriöse Reisen zu machen. Hauptsache weg war die Devise. Als Jugendliche fuhren wir früher nach Italien und haben dort in einem Steinbruch übernachtet. Mir ist dann auch bewusst geworden, dass ich eine größere Freiheit genießen kann, wenn ich mich selbst nicht durch meine Ansprüche einschränke. Wenn ich verreise und jeden Abend auf eine Dusche bestehe, kann ich bestimmte Dinge nicht machen. Natürlich gibt es keinen, der die Dusche nicht gerne hätte, aber man schränkt sich ein. Ich kann dadurch mit weniger Mittel viel mehr machen, unternehmen und sehen. Die Länge meiner Fahrten definiert sich durch die Richtung. Im Grunde fährt man los und schaut auf Gut Glück wie weit man kommt. Aber normalerweise wird das Ende eines Abenteuers durch das Geld bestimmt. Man kann nie wirklich vorhersagen, was wo wie und wann geschehen wird.

Auf einem Motorrad lässt sich schlecht ein Koffer transportieren. Wie sieht Ihr Equipment aus?
Wichtig ist natürlich Zelt, Schlafsack und Matte, also meine kleine Wohnung. Auch dazu gehören Kocher, Töpfe, Brenner und ein bisschen Geschirr, also eine Küche, denn manchmal kommt man durch einen unbewohnten Landstrich, da muss man sich schon selbst versorgen können. Viel Platz auf dem Motorrad nehmen auch Werkzeug und die Ersatzteile ein. Es ist wichtig auf alles vorbereitet zu sein. Auch Medikamente sind immer mit dabei. Eine kleine Reiseapotheke für Notfälle und zu guter Letzt noch Kamera mit Filmen. Das restliche Fleckchen gehört mir. Drei Motorradgarnituren habe ich auch dabei. Eine ist sauber, eine trage ich am Körper und eine ist zu waschen. Man muss natürlich je nach Wind und Wetter aufstocken oder abstocken. Aber viel Raum bietet das Motorrad in der Tat nicht. Alles in allem sind es wohl 40-45 kg zusätzlich.

Was waren die gefährlichsten Erlebnisse während Ihrer Reisezeit?
Ich war zum Beispiel in der Türkei im Gefängnis. Aber eigentlich freiwillig. Freiwillig überredet worden. Aber mehr verrate ich nicht, den Rest kann man bei meinen Vorträgen hören. Aber außer diesem Erlebnis gibt es natürlich immer schwierige Situationen, aber oftmals sind diese landschaftsbedingt. Manchmal ist es aber auch die eigene Dummheit, die einen in Gefahren bringt. Aber aus allen Lebenslagen lernt man, sich etwas auf die Dinge einzustellen. Man muss sich überall vorher informieren und alle Einheimischen sind stützende Hilfen. Ich wurde zwar auch schon einmal bedroht, bzw. eher mein Motorrad. Das wollten sie in Namibia klauen. Ich habe dann einfach laut um Hilfe gerufen, es kamen einige Schaulustige und die Situation hat sich wieder entspannt. So etwas kommt vor, war aber nicht schlimm. Wenn man lernt sich anzupassen ist das Reisen auch nicht gefährlich.

Wie können Sie diese Wagnisse finanziell bestreiten?
Das ist keine große Herausforderung. Wenn man nicht unbedingt luxuriös reisen möchte, braucht man zum Beispiel in Asien oder ähnlichen Ländern auch nicht viel Geld. Auf den Reisen zeltete ich wochenlang und das Essen war auch sehr günstig. Ich hielt mich nicht in den Haupttouristenzentren auf, daher brauchte ich auch nicht so viel Geld. Und je
mehr Zeit man hat, desto billiger wird es auch. Ich unternehme keine organisierten Touren, sondern erforsche alles selbst. Die zwei Jahre haben daher auch nur ein kleines Auto gekostet. Klar muss ich, wenn ich zu Hause bin, Abstriche machen. Ich habe kein neues Motorrad, investiere nicht so viel in Kleidung. Ich lebe zu Hause schon ganz normal, aber alles was übrig bleibt kommt auf die Seite für die nächste Reise.

Sie sind gelernte Zahnarzthelferin. Fällt es schwer nach langen Pausen den Wiedereinstieg in den Beruf zu finden?
Ich kündige und muss mich, wenn ich wieder in Deutschland bin, immer wieder neu bewerben. Wobei es mittlerweile schon aus meinem Lebenslauf ersichtlich ist, dass ich oftmals nur für zwei oder drei Jahre hierbleibe. In der Regel ist das okay. Bei diesem Beruf herrscht generell ein reger Wechsel, da die Frauen auch oftmals Kinder kriegen.

Wird in Deutschland und auch in fremden Ländern die Reiselust akzeptiert und unterstützt?
Meine Freunde haben sich daran gewöhnt. Durch das Internet ist man mittlerweile auch gar nicht so weit weg. Man kann in Kontakt bleiben und ist nicht aus der Welt. Oftmals besuchen mich meine Freunde auch auf den Touren und verbringen dann ihren Urlaub gemeinsam mit mir. In fremden Ländern ist es wieder abhängig wo man sich aufhält. In Australien beispielsweise sind so viele Touristen, da falle ich nicht großartig auf. In Pakistan oder im Iran war das schon anders. Dort bekomme ich wahnsinnig großen Respekt entgegen gebracht. Denn ich bin eine Frau und ganz alleine unterwegs. Teilweise wurde ich mit „Mister“ angesprochen. Aber überall freuen sich die Einwohner, dass man sich für ihr Land interessiert.

Fühlen Sie sich in Deutschland daheim?
Ja, ich bin sehr konservativ, sehr traditionsbewusst und fühle mich in Deutschland absolut zu Hause. In den Ländern die ich bereist habe, habe ich mich schon auch wohl gefühlt, aber man ist überall Ausländer außer daheim!

Welches Gefühl haben Sie, wenn Sie nach einer so langen Tour wieder zu Hause sind?
Die Schwierigkeit ist sich wieder neu in das System zu integrieren. Wenn ich auf den Reisen bin, bin ich frei und selbstbestimmend und zu Hause läuft das Leben in behüteten Bahnen. Andererseits bietet Deutschland auch sehr viele Vorteile, sei es die medizinische Versorgung oder Schulbildung. Genau hier habe ich die Möglichkeit, das Geld zu verdienen, das es mir ermöglicht weg zu fahren. Wäre ich in Indien geboren, hätte ich diese Chance nicht. Ich sehe Deutschland als sehr privilegiertes Land und schätze es nun durch meine Reisen viel mehr.

Vielen Dank für das Interview Frau Brandl!

Angela Brandl war mit ihrem Motorrad 2 Jahre lang unterwegs
Sie bewältigte mehr als 70.000 km und resite von Moosburg nach Peking
Bürgerreporter:in:

Linda Weiß aus Augsburg

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