Hauptkirche Rheydt

"Das 1899 - 1902 von dem Berliner Kirchenbaumeister Professor Johannes Otzen (1839 - 1911) erbaute Wahrzeichen der ehemals selbständigen Stadt Rheydt steht auf sehr geschichtsträchtigem Boden. An seiner Stelle befand sich bis 1899 die "Alte Hauptkirche", deren Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichten. Im 16. Jahrhundert wurde diese ursprünglich dem heiligen Alexander geweihte Dorfkirch mit fast der ganzen Bevölkerung der Jülich`schen Unterherrschaft Rheydt evangelisch und diente fortan dem reformierten Gottesdienst. 1741 erfolgte ein Umbau zur Predigtkirche, in der sich die wachsende Gemeinde ihrem Bekenntnis gemäß um Kanzel und Abendmahltisch versammeln konnte. Als dann auch die 1866 eröffnete Friedenskirche nicht mehr ausreichte, den immer weiter steigenden Raumbedürfnissen Abhilfe zu schaffen, riß man die alte Kirche am Markt ab, um die `Neue Hauptkirche´ zu errichten. Erhalten blieben nur die Grabplatte der Familie Otto von Bylandts, heute eingemauert am Eingang zur Sakristei, sowie weitere Erinnerungsstücke, die heute in der Turmhalle zu sehen sind.

Der stattliche Neubau sollte im Unterschied zu dem schlichten Vorgängerbau signalisieren, daß Rheydt sich zur blühenden Industriestadt gemausert hatte und stellte sich auch dem 1897 erbauten neuen Rathaus würdig zur Seite. Interessanterweise wurde trotz der aufwendigen Ausführung und sehr prachtvollen Innenausstattung die evangelisch-reformierte Raumordnung der alten Kirche aufgegriffen und weitergeführt, indem man sich bewußt für den Architekten Johannes Otzen und sein 1891 veröffentlichtes `Wiesbadener Programm´ entschied. Er bezeichnet seinen an den Bedürfnissen des evangelischen Gottesdiestes orientierten und auch in Rheydt konsequent umgesetzten Zentralraum darin als `Versammlungshaus der feiernden Gemeinde´. Baugeschichtlich knüpft die Hauptkirche damit an die große Tradition protestantischer Gemeinde- und Predigtkirchen des 17. und 18. Jahrhunderts an. Auch der markante Kanzelaltar, der eine ausgezeichnete Hörbarkeit und Sichtbarkeit des Predigers von allen 1200 Sitzplätzen ermöglicht, unterstreicht das. Rein stilistisch ist dieser Bau des Späthistorismus kaum einzuordnen. Der gelernte Neugotiker Otzen verwendet bewußt einen `Kombinationsstil´, in dem er romanische und gotische Stilelemente zusammenführt. Die einzene Form ist dabei der Funktion immer untergeordnet. Damit war die Hauptkirche zu ihrer Zeit ein `modernes´ Bauwerk.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt das Bauwerk schwere Schäden an den Dächern. Bis auf die Fenster blieb die originale Ausstattung mit der heute sehr kostbaeren spätromantischen Sauer-Orgel aus dem Jahre 1902 erhalten. Eindringendes Wasser beschädigte allerdings große Teile der Jugendstilausmalung. Bei der Innenrenovierung von 1962 entschied sich die Gemeindeleitung aus theologischer Überzeugung und auch aus Gründen des Zeitgeschmacks dafür, den Innenraum möglichst nüchtern und ohne jeden malerischen Schmuck zu erneuern. Dadurch wurde der ursprüngliche Eindruck des Gesamtkunstwerkes Hauptkirche empfindlich gestört.

Im Jahr 2001 beschloß das Presbyterium nach eingehender Beratung mit Fachleuten und Denkmalpflegern, die originale, farbige Raumfassung des Otzenbaus wiederherzustellen," stellt die Kirche ihre Geschichte in einem Faltblatt vor.

Die evangelische Hauptkirche von Rheydt ist - hinsichtlich der Innenausstattung - so prächtig ausgestattet wie sonst keine mir bekannte Kirche reformierter Tradition. Mit den farbigen Glasfenstern, den Deckenmalereien und den Stuckarbeiten erinnert die Kirche fast schon an ein katholisches Gotteshaus! Allein schon der Altarbereich ist empörend. Der Altartisch ist nicht etwas freistehend, nein, er in von einem gemauerten, kapellenartigen und reich verzeirten Bauteil umgeben, wie es sich für eine evangelische Kirche nicht gehört. Hier sind Arhcitekt und Gemeinde einer Prunksucht anheimgefallen, der in einem reformierten Umfeld eigentlich nicht üblich ist.

Förderkreis Hauptkirche (Hrsg.): Evangelische Hauptkirche zu Rheydt 1902 - 2002; Selbstverlag Mönchengladbach 2002; 224 Seiten; ISBN: 3-00-010531-X

Die Autoren dieses Buches, das im Eingangsbereich der Kirche für 10 € zum Kauf ausliegt, beschreiben hier sehr anschaulich Geschcihte, Architektur, Innenausstattung und Revonierung der Kirche. Zeichnungen sowie Farb- und Schwarzweißfotos ergänzen die Texte. Die Ausführungen sind sachlich fundiert und eher sachlich gehalten, ohne allerdings in unverständliches Fachchinesisch abzugleiten. In der vorliegenden Form gibt das Buch einen guten Überblick über das Kirchengebäude.

Bürgerreporter:in:

Andreas Rüdig aus Duisburg

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