“Der Gesundheitsfonds - Arztpraxen stehen vor dem Aus”

Aktionstag der Ärzte und Psychotherapeuten
Podiumsdiskussion im Hotel Drei Kronen

Bis zum Inkrafttreten des Gesundheitsfonds am 01.01.2009 protestierten eigentlich alle gegen ihn, insbesondere die betroffenen Ärzte, KVs und auch sonst Experten aus dem Gesundheitswesen, ja sogar ein wissenschaftlicher Beirat löste sich im letzten Jahr auf: Dennoch wurde der Gesundheitsfonds mit der Mehrheit der Koalition als Gesetz verabschiedet.

Bereits lange vor der Verabschiedung dieser neuen Stufe der Gesundheitsreform regte sich vehementer, organisierter Protest überall in Deutschland: Ärzte schlossen sich zusammen, protestierten und demonstrierten gegen den Gesundheitsfonds, so auch das Praxisnetz Donau-Ries.

Letzte Woche hatte Dr. Mark Tanner am Aktionstag der Ärzte und Psychotherapeuten in Bayern zu einem Diskussionsabend mit Vertretern der regionalen Politik ins Hotel Drei Kronen eingeladen.

Vor der eigentlichen Diskussion veranschaulichte Dr. Winfried Grunert die aktuelle Situation der Ärzte nach Einführung des Gesundheitsfonds: Zahlreiche Arztpraxen stehen aufgrund des neuen Vergütungssystems insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg vor dem Aus, denn “wie auf einem Teppich-Bazar wurden für die einzelnen Leistungen der Ärzte und Fachärzte die Vergütung - wieder in einem Punktesystem festgelegt.”

2,75 Milliarden Euro mehr Honorar für die Leistungen der Ärzte - und trotzdem kommt das Geld z. B. bei bayerischen Ärzten nicht an? Rund 150 Milliarden Euro stehen 2009 im Gesundheitsfonds für das Gesundheitswesen zur Verfügung.
Zweifellos gibt es Gewinner dieser neuen Gebührenordnung: “Ja, es gibt bestimmte ärztliche Leistungen, für die sogar bis 20% mehr Honorar abgerechnet wird!” Aber insgesamt sieht die neue Gebührenordnung eher düster aus, etwa wenn ein Frauenarzt für eine Untersuchung 15 Euro bekommt.

Der Gesundheitsfonds - eine einzige Katastrophe? Keine Wortmeldung spricht während des ganzen Abends zugunsten der neuen Regelungen. Und die Politiker?

Viele der anwesenden Ärzte und Psychotherapeuten sehen ihre Praxis durch den Gesundheitsfonds und der mit ihm verbundenen neuen Gebührenordnung gefährdet: Eine wohnortnahe, am Wohl des Patienten orientierte Arbeit der Ärzte ist so schlicht nicht möglich, da das Honorar oft nicht einmal die Unkosten deckt.

Auch die Statements der Politiker scheinen sich unisono einig: Der Gesundheitsfonds kann so nicht bleiben! Einzig Ursula Straka (SPD) unterstreicht: “Mich wundert, dass sich eigentlich alle gegen den Gesundheitsfonds aussprechen, obgleich jede Gesundheitsreform bis heute von allen Parteien - mit Ausnahme der Linken - mitgetragen worden ist.”

Manfred Seel, Die Linke (Bäumenheim), sieht die Notwendigkeit eines Systemwechsels in der Gesundheitspolitik: “Diese Budgetierung gehört abgeschafft! Das ist Planwirtschaft pur!”
Uwe Pranghofer, FDP Dillingen, kritisiert mit Blick auf die E-Card: “Die Datensicherheit eines solchen Systems könnte in keinem Fall gewährleistet werden!”

Die elektronische Gesundheitskarte ist bekanntlich ein weiteres Ziel der Gesundheitsreform und soll Patientendaten zentral speichern und auf einer Karte verfügbar machen. “Wer braucht denn die e-Card? Die Ärzte nicht und auch die Patienten nicht!”

Ulrich Lange, CSU Nördlingen, betont, auch gegen diesen Gesundheitsfonds arbeiten zu wollen, unterstreicht aber zugleich, dass auch nach der Bundestagswahl (mit einer neuen Bnndesregierung) keine Lösung sofort zu idealen Verhältnissen führen könne. Marianne Ach, Grüne Donauwörth, unterstreicht, dass sie sich - soweit dies in ihrer Kompetenz liege - für Verbesserungen einsetzen werde.

Bereits heute zeichnen sich Tendenzen ab, dass, wenn keine Wende in der Gesundheitspolitik eintritt und die Arbeitssituation der Ärzte, insbesondere das aktuelle Vergütungssystem, sich verbessert, zukünftig Ärzte fehlen werden. Viele, die heute studieren, gehen nach der Approbation ins Ausland oder in die Pharma-Industrie. Wer möchte schon als Haus- oder Facharzt arbeiten, wenn er/sie weiß, dass das Honorar kaum reichen wird?

Eine Conditio sine qua non, um dauerhaft eine wohnortnahe, menschenwürdige Versorgung durch Haus- und Fachärzte zu erreichen, wird zweifellos darin bestehen müssen, ein adäquates Honorarsystem einzuführen, mit dem eine Arztpraxis wirtschaften kann. Die durch den Gesundheitsfonds fortgesetzte, zentralistische Budgetierung und Steuerung der Ausgaben eignet sich bestenfalls als Parodie auf sozialistische Gepflogenheiten, nicht aber zur Lösung anliegender Probleme.
Absurd mutet dabei nur an, dass, nachdem Instrumente der Steuerung und der Planwirtschaft, der Budgetierung und entsprechender Vorgaben längst aus den Nationalökonomien der sozialistischen Staaten verschwunden oder zur Bedeutungslosigkeit gesunken sind weltweit, diese als inadäquat erkannten Elemente in unserem Gesundheitswesen nachhaltig auftauchen: Bekanntlich zerbrachen kommunistische Ökonomien an eben diesen planwirtschaftlichen Methoden.

Auch Dr. Mark Tanner fasste am Ende der Podiumsdiskussion zusammen: “Parteien, die diesen Gesundheitsfonds weiterhin unterstützen, werden im September (Bundestagswahl 2009) ihre Überraschung wohl erleben. Denn Ärzte, die bislang nicht gewohnt waren, mit Transparenten auf Demos zu gehen, stehen auf und protestieren gegen diesen Gesundheitsfonds mit allen seinen Auswirkungen für uns Ärzte und Psychotherapeuten.”

Foto: Rund 40 Ärzte und Politiker diskutierten und referierten im Hotel Drei Kronen Donauwörth: Ist das deutsche Gesundheitswesen noch zu retten? Viele Ärzte sehen ihre Praxen in Anbetracht des Gesundheitsfonds und des neuen Tarifsystems (Entgelt der Ärzte nach einem Punktesystem) in existentieller Gefahr.
Dr. Winfried Grunert (rechts im Bild) veranschaulichte anhand einer Powerpoint-Präsentation die gravierenden Probleme nach Einführung des Gesundheitsfonds, der am 01.01.2009 realisiert worden ist.

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Leitner aus Donauwörth

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