"Erzähl uns eine Geschichte!" Seminar "Vorlesen und Erzählen" in der Stadtbibliothek Donauwörth

Seminar für Lesepaten der Stiftung Lesen in der Stadtbibliothek Donauwörth
Projekt Lesepaten im Bündnis für Familie Donau-Ries

Vorlesen und Erzählen ist eine wichtige Quelle sozialen Lernens und Lebens

Spielt Vorlesen und Erzählen in I h r e r Familie eine Rolle? Ja? 42% der Eltern von Kindern unter zehn Jahren lesen wenig, ein Fünftel gar nicht vor, rund ein Viertel der Schüler einer achten Klasse zeigt Lese- und Schreibschwächen.
Im Seminar “Vorlesen und Erzählen”, initiiert durch Günter Katheder-Göllner, Bündnis für Familie Donau-Ries, in dem es seit November letzten Jahres das Projekt Lesepaten gibt, führte Christine Kranz, Stiftung Lesen Mainz, einen Kreis zukünftiger Lesepaten in die Kunst des Vorlesens und Erzählens ein.

Ist in unseren Familien und unserer Gesellschaft der Massenmedien kein Platz mehr für die kindliche Bitte: “Mama, erzähl uns eine Geschichte!” oder: “Lies mir doch was vor!”?

Die eloquente Referentin, Christine Kranz, die für Stiftung Lesen in der ganzen Bundesrepublik unterwegs ist, frägt: “Warum ist Vorlesen und Erzählen so wichtig für die kindliche Entwicklung? Wie können Lesepaten aus der Fülle vorliegender Kinderliteratur eine qualitativ richtige Auswahl treffen?”

Ja, zuerst braucht natürlich der Lesepate eine adäquate Quelle mit geeigneter Literatur, eventuell kompetenter Beratung - etwa die Stadtbibliothek Donauwörth bzw. eine Bücherei in Wohnortnähe, aus der heraus der engagierte Lesepate sich kontinuierlich mit Lesestoff für sein Publikum versorgen kann.

Im Lauf des abendlichen, vierstündigen Seminars präsentierte Christine Kranz ein spannendes Vademecum, einen Leitfaden, den sie gemeinsam mit den Seminarteilnehmenden (von den rund 25 Vorlesepaten hielten fünf Männer eine respektable Quote) entwickelte und der auch in Broschürenform (Vorlesen - kinderleicht! Stiftung Lesen) erhältlich ist.

Planung, Organisation und Durchführung der Lesepatenschaft ist wichtig: Wer? (Zielgruppe) Wo? (Einrichtung: Schule, Kindergarten etc.) Was? (Kinderbuch) Wie? (Absprache mit der Einrichtung, Gestaltung vor Ort) Wann und wieviel? (Lesen ist ein Ritual: regelmäßig! aber nicht zu oft)

Ja, Vorlesen ist ein soziales Ritual, ein Freiraum auch etwa in der Familie, der Gemeinschaft, Intimität, Nähe ermöglicht, Interessen weckt, kommunikative und soziale Fähigkeiten, ein Motor sozialen Lernens, der sukzessive das kindliche Lernpotential weckt und mobilisiert, elementare und essentielle mentale, seelische und psycho-soziale Fähigkeiten entwickeln hilft, die nicht nur in der Schule und später im Beruf unerlässlich sind, sondern auch unser soziales Wesen als Mensch ausmachen.

Zu allererst ist es für den Lesepaten wichtig, ja unerlässlich, wenn alle organisatorischen Schritte mit der Einrichtung abgesprochen und eingeleitet sind, zu wissen, dass Vorlesen interaktiv, nicht monologisch ist - es ist Vorlesen selbst ein soziales Erleben!

“Heute schauen sich Kinder Mangas an (japanische Comics), Zeichentrickfilme, die jeden Erwachsenen über kurz oder lang in den Wahnsinn treiben!” Ganz andere Interessen haben heute Kinder und Jugendliche, und der Lesepate muss darum wissen! Dort, wo die Interessen des Kindes liegen, oftmals eben in der chaotischen Welt japanischer Mangas (Zeichentrickfilme oder auch japanische Comics), muss der Lesepate ansetzen.

Warum nicht mit dem Guinnessbuch der Weltrekorde anfangen, wenn Sohnemann Mama in der Bibliothek für sich dieses Buch im Glamourlook ausgesucht hat? Frauen dürfen nicht missionieren, denn diese oftmals gegenwärtige Tendenz stumpft die kindliche Motivation ab.

Erst dann - wenn ich als Lesepate bereit bin, auf das einzugehen, was ein Kind an Mama oder Papa, an Lese-Onkel oder -Tante, heranbringen v o n sich aus heranbringen will - kann die Praxis des Vorlesens fruchtbar starten.

Stimm-Modulation, Mimik und Gestik, Blickkontakt, Pausen, das vielfältige Einbeziehen der kindlichen Zuhörer, alle diese Faktoren - inklusive des beanspruchten Leseraums, der Ruhe bieten sollte - sollten vor allem auf den persönlichen, auf Charakter, Temperament und Wesensart des Vorlesenden abgestimmt sein, denn Kinder merken wie kaum ein Publikum, ob das Erzählen und Vorlesen echt, authentisch oder gekünstelt und unnatürlich ist.

Wie lebendig, spannend, ja faszinierend (auch für Erwachsene) “Die kleine Hexe” (Otfried Preußler), “Oma! schreit der Frieder” oder die “Steinsuppe” von Anais Vaugelade sich durch das Vorlesen den Kindern darstellt - das konnte die Seminargruppe selbst erleben, denn natürlich ging es auch an praktische Übungen und Beispiele.
Reime, lustige Kindergedichte, Rhythmus - Vorlesen soll Spaß machen! Schüttelreime, melodisch-kindliche Gedichte, Metaphern, die ansprechen, auch Witze (etwa von Heinz Erhardt) lustige Geschichten, auch Wilhelm Busch, Wimmelbücher, Bilderbücher, je nach Alter, können Vorlesen und Erzählen zu einem wirklichen Erlebnis werden lassen.

Mit einem kleinen Koffer (etwa mit Fingerpuppe, Zauberstab, kleine Glocke, einem bunten Kieselstein, etc.) und eventuell mit einem Erzähl-Hut oder gar Gewand (abhängig von der Persönlichkeit des Lesepaten) ausgestattet, so erkannten die begeisterten Seminaristen, erschließt sich immer mehr die nie versiegende Kreativquelle “Vorlesen und Erzählen”, ein Motor sozialen Lernens und Lebens - in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, ein Motor und eine Quelle, die wertvoll für das Kind (aber auch für Senioren und eigentlich auch für den Erzähler und Vorleser), für unser gesellschaftliches Leben und unsere Kultur sein kann - wenn wir diese Quelle neu erschließen. Wer selbst das große Glück hatte, etwa wie Christine Kranz, als Kind regelmäßig Vorlesestunden erlebt zu haben, weiß, welcher große Schatz im Vorlesen und Erzählen liegt, einen Schatz, den alle Eltern ihren Kindern mit auf ihren Lebensweg geben können.

Am Projekt “Vorlesen” bzw. “Lesepaten” Interessierte können sich gerne an den Familienbeauftragten des Landratsamtes, Günter Katheder-Göllner wenden:
Tel. 0906 / 74 198 oder per E-Mail: familienbeauftragter@lra-donau-ries.de.
Auch das Team der Stadtbibliothek Donauwörth steht für Fragen bezüglich Kinderliteratur o. ä. zur Verfügung:
Tel.: 0906 / 2 33 20
Infos auch unter: www.stiftunglesen.de

Foto: In der Stadtbibliothek Donauwörth: Christine Kranz (Bildmitte), Vorleseexpertin der Stiftung Lesen, begeisterte in ihrem vierstündigen Seminar Vorleserinnen und Vorleser, die als Lesepaten in Schulen, Kindergärten, Bibliotheken und Seniorenheimen Vorlesestunden anbieten wollen. Das Projekt Vorlesen im Bündnis für Familie Donau-Ries existiert seit November 2008 und fand von Anfang an großes Interesse. Der Familienbeauftragte des Landkreises, Günter Katheder-Göllner (rechts), und
die Leiterin der Stadtbibliothek, Evelyn Leippert-Kutzner (links im Bild), freuten sich auf das spannende, facettenreiche Seminar, zu dem zahlreiche Interessierte gekommen waren.

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Leitner aus Donauwörth

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