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Das eingebildete Regal

„Schön, dass sie so schnell kommen konnten, mein Lieber!“
Was war denn das nun schon wieder? Mein Lieber? Der spinnt wohl der Arsch und so was ist nun mein Chef? Ich erhebe mich und gebe ihm die Hand.
„Kein Problem, guten Tag.“
„Aber behalten sie doch Platz.“
Ich setze mich wieder und Arsch lässt sich neben mich auf das Ledersofa plumpsen. Beide schauen wir nun auf die große Regalwand, voll mit Buchrücken, die in fast bedrohlicher Nähe kaum einen Blick links und rechts durch die Fenster in den Garten ermöglichen. Nur der Couchtisch mit seiner Glasplatte auf dem Berberteppich schafft etwas Distanz.
Mit einem selbstzufriedenen Seufzer ohne den Blick vom Bücherregal abzuwenden beendet er die schon fast peinliche Pause mit:
„Schön, was?“
„Was bitte?“
„Na die Bücher!“
„Ja, ja ganz hübsch.“
„Wie? Hübsch? Grandios, mein Lieber, grandios. Alles Gesamtausgaben, Klassiker, in Leder. Das sind Schätze!“
„Klassiker sind Bücher, die die Menschen loben aber nicht lesen.“
„Sie sind ja ein Scherzkeks, mein Lieber.“
„Ist nicht von mir, ist ein Zitat von Hemingway.“
„Hemingway? Arbeitet der auch bei uns?“
„Nein, der lebt nicht mehr. War ein amerikanischer Journalist und Schriftsteller.“
„Naja, muss man ja auch nicht kennen.“
„Ne, nicht unbedingt. Hat halt mal den Literaturnobelpreis bekommen. Gibt ihn aber, glaube ich, nicht in Leder gebunden. Ich lese auch meistens nur Taschenbuchausgaben, die sind billiger.“
„Muss ja nicht, muss nicht, mein Lieber. Sind ja auch Liebhaberstücke, meine Schätzchen da drüben. Was lesen sie denn so?“
„Ach ich lese grad mal wieder Der kleine Prinz.“
„Prinz, Prinz? Da fällt mir ein: Meine Frau fährt jetzt zu einem Konzert mit den Prinzen. Das ist nichts für mich, ich finde den Wagner besser. Aber da kann sie ihre Freundin mitnehmen. Ich habe ihr nämlich einen eigenen Wagen geschenkt. Das A-Modell von Mercedes. Meiner ist ihr sowieso zu groß.“
„A-Modell? Sind das die, die in Schweden immer umgefallen sind?“
„Mein Lieber, jetzt machen Sie aber Scherze. Das war nur am Anfang. Jetzt sind die vollgestopft mit der modernsten Technik. Kostet ja auch ne Kleinigkeit.“
Wenn der nicht bald mit seinem ‚mein Lieber’ aufhört, bringe ich ihn um. Hier reißt er den Hals auf, macht auf dicken Macker und im Büro lebt er von meinen Ideen.
„Der Kleine Prinz, ist das bekannteste Werk von Antoine de Saint-Exupéry.“
„Wie, was? Ach so, das Buch, das sie lesen. Ein Roman?“
„Nein, ein modernes Märchen.“
„So, so. Kürzlich erschienen?“
„Nein, schon 1946, aber immer noch modern.“
„Das haben Sie sicher für ihre Kinder gekauft.“
„Nein. Es ist auch für Erwachsene. Ich besitze es schon immer und habe es oft gelesen.“
„So spannend ist das?“
„Ja, der kleine Prinz trifft die unterschiedlichsten Menschen.“
„Welche?“
„Zum Beispiel trifft er einen Eitlen.“
„Wie, was macht der?“
„Er zieht immerfort seinen Hut vor seinen Bewunderern.“
Jetzt hab ich ihn, jetzt trete ich ihm endlich in seinen dummen Arsch.
„Als ihn der kleine Prinz fragte, was das denn sei, das Bewundern. Da habe ihm der Eitle erklärt, seine Bewunderer hätten erkannt, dass er der schönste, bestangezogenste, reichste und intelligenteste Mensch des Planeten sei. Nur eines hatte der kleine Prinz damals vergessen.“
„Was denn, mein Lieber, was denn?“
„Dass der Eitle zu Hause das dickste mit leder-gebundenen Klassikern gefüllte Bücherregal für den dümmsten Nichtleser des Planeten zwischen zwei Fenstern besitzt.“
So, mein Lieber, jetzt habe ich dir in deinen dummen Arsch getreten. Obwohl das bestimmt noch der intelligenteste Körperteil bei dir ist. Einmal jedenfalls habe ich gemacht, was ich schon immer wollte. Und morgen, mein Lieber, morgen bringe ich dich vielleicht auch noch um.

Doch jetzt klingelt der Wecker und ich muss ins Büro.

(aus "Ich war noch nie in Afrika", Gerhard Falk)

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