Bombardierung Erdölwerk Nienhagen und Güterbahnhof Celle am 8. April 1945

Die „Fliegende Festung“ Boeing B-17 Flying Fortress. | Foto: Wikipedia
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  • Die „Fliegende Festung“ Boeing B-17 Flying Fortress.
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Die Bedeutung des Erdöls

Brigitta Elwerath hatte das Gelände und andere Bereiche im Naturschutzgebiet Brand in der Größe von 151 Hektar übernommen und ab 1920 nach Erdöl gesucht. Mit der konventionellen Methode Erdölbohrung und mit dem Abteufen eines Schachts für die bergmännische Gewinnung von Rohöl. In einer Teufe von 110 Metern traten aber Probleme auf und durch den gleichzeitigen Erfolg der Bohrung EH 32 wurde die Idee mit den Bergleuten zu den Akten gelegt. Die EH 32 war eine eruptive Quelle und äußerst ertragreich. Andere Bohrungen waren auch erfolgreich und die Elwerath erweiterte nach Norden, das Nordfeld entstand, danach das Nordwestfeld.

Nach und nach entwickelte sich das Erdölfeld Hänigsen-Nienhagen mit 1.300 Beschäftigten (1934) zum Zentrum der Erdölindustrie im Deutschen Reich. Landesweit waren im gleichen Jahr 2.500 Menschen in der Erdölindustrie beschäftigt. Die Erdölproduktion im nördlichen Feld stieg weiter an und erreichte über 358.000 Tonnen im Jahr 1938.
Nicht zuletzt durch staatlichen Einfluss wurde in Hänigsen 1940 das Südfeld erschlossen und zeigte sich an mehreren Stellen erfolgreich. So wurden an „Bohrung 13“ 1943 über 63.000 Tonnen gefördert.

Trotzdem machte sich auch beim Militär Kraftstoffmangel bemerkbar. So wurden gegen Ende des Krieges Me 262 Düsenjäger von Ochsen oder Kettenkrad auf dem Rollfeld gezogen, um Kraftstoff zu sparen. Daran wird deutlich, welchen Einfluss das Erdöl für die Kriegsführung hatte.

Also lag der Plan für die „Ölkampagne des Zweiten Weltkriegs“ selbstverständlich auch schon in der Schublade des englischen Militärs. Unter dieser Umschreibung verstand man die systematische Zerstörung von Einrichtungen, die Erdöl- , Öl- und Schmierprodukte erzeugen. Hier die Tabelle der Aktivitäten: https://de.qaz.wiki/wiki/Oil_Campaign_chronology_o...

Die Bombenangriffe begannen 1940 mit Aktionen der Engländer auf das DR. Nach dem Kriegseintritt der USA (Dez. 1941) wurden tagsüber Angriffe durchgeführt. Die Liste wurde abgearbeitet und am 8. April 1945 - der Krieg war eigentlich schon entschieden – war das Erdölwerk „Kalibahn“ an der Reihe. Kurz vor Mittag erreichte die 9. US-Flotte mit Jagdfliegern und Bombern vom Typ B-26s Marauder das etwa 175.000 m² große Betriebsgelände und zerstörten die Anlage.

Des Weiteren wurden Bomben auf den Ölförderpumpenbereich im Wald nördlich des Erdölwerks abgeworfen. Der Flugkurs ist heute noch an den Bombenkratern auf Google-Maps-Karten zu erkennen. Das Hauptfeld von Ölpumpen, das „Nordfeld Nienhagen“, wird landwirtschaftlich genutzt und Spuren von Bombenabwürfen nach 76 Jahren sind nicht mehr zu erwarten. Mit großer Wahrscheinlichkeit wurde auch dieses Areal systematisch bombardiert, da es sich in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Erdölwerks „Aue“ befindet. Das dritte Erdölwerk „DB-Strecke“, (Wintershall) hat in Nienhagen gearbeitet.

Vom Materialeinsatz der 9. US-Luftflotte liegen keine Informationen vor. Mit welchem Aufwand an den Erdölwerken und -pumpen zerstört wurde, wird am Beispiel des Güterbahnhofs Celle deutlich. Gegen 18:00 h des gleichen Tages wurden die Gleisanlagen von 132 Flugzeugen angegriffen. Auf den Güterbahnhof wurden 240 Tonnen (= 960 Stück, je 250 kg) Sprengbomben abgeworfen. - Das Grundstück des Erdölwerks „Kalibahn“ - ohne die Pumpenfelder - hat die sechsfache Größe des Güterbahnhofs.

Ein Bild vom Einsatzerfolg der 9. US-Flotte kann man sich hier machen
Luftbild 6 vom Bahnhof Celle: https://www.celle.de/media/custom/2092_743_1_g.JPG
Luftbild 9 vom Bahnhof Celle: https://www.celle.de/media/custom/2092_747_1_g.JPG

Unmittelbar nach der Bombardierung musste die Flugzeugbesatzung die Wirkungen des Einsatzes fotografieren. Die Bilder sind wegen des Urheberrechts verlinkt.

Trotz der verheerenden Zerstörungen am Güterbahnhof wurde das Schloss und die Altstadt von Celle nicht in Mitleidenschaft gezogen. Beim ersten Bombenangriff auf Celle am 22.02.1945 waren acht Maschinen vom Typ B-24 beteiligt und die Schäden in der Stadt waren erheblich.

Heutzutage findet man in den Orten und Kulturlandschaften keine Spuren des Kriegs mehr. Mit viel Spürsinn hat der Celler Heimatforscher Hendrik Altmann auf Google-Earth-Karten dunkle Punkte in einem gewissen Muster entdeckt, die sich als Bombentrichter herausstellten. Meine Neugier war nun akut geweckt. Das Naturschutzgebiet Brand, indem sich das Erdölwerk „Kalibahn“ befindet, zählt zu meinem bevorzugten Laufsportareal.

Einen Doppelkrater an der südöstlichen Spitze des Werksgeländes habe ich auf Google Maps für meine „Untersuchungen“ ausgewählt und auf Anhieb auch ohne Koordinaten gefunden. Der Durchmesser eines Kraters liegt heute bei 11 Metern, die Tiefe bei 1,80 Meter. In der Literatur wird von der SC 250 (250-kg-Bombe) ein Kraterdurchmesser mit 9 Metern und eine Kratertiefe mit 3,5 Metern angegeben.

Auf dem Rückweg habe ich spontan zwei weitere Bombentrichter entdeckt und es wird deutlich, dass auf der Google-Satellit nicht alle der Einschlagkrater abgebildet werden. Welche Voraussetzungen müssen für das Erscheinen auf dem Luftbild erfüllt sein? 1. Wassergefüllter Trichter, 2. Aufschlagstelle liegt im Laubwald 3. Bäume ohne Laub 4. Himmel wolkenfrei und 5. Der Satellit steht bei dieser Konstellation genau über dem Objekt für ein Foto. Daraus wird nun deutlich, dass die meisten Einschlagstellen bei Google Maps nicht abgebildet werden und einiges noch im Dunkeln liegt.

In der Dunkelheit liegen im Forstort Brand auch Blindgänger. Fachleute gehen davon aus, dass 17 Prozent der abgeworfenen Bomben nicht explodiert sind. Sie befinden sich meist in einer Tiefe von 4 bis 5 Metern und sind durch ihren kleinen Einschlagkrater von 50 bis 80 cm optisch schwer zu finden. In der Literatur finden sich keine Angaben über die abgeworfenen Bombenmengen im Areal des Erdölwerks „Kalibahn“. Damit man ein Gefühl für den Einsatz der Menge von Sprengbomben bekommt, hier ein weiteres Beispiel. Bei den Luftangriffen auf Hannover im September 1943 wurden auf den Hermann-Löns-Park 350 Fliegerbomben abgeworfen. Das Ziel waren die zwei Gleise der Güterumgehungsbahn, die durch den Park verläuft.

Am 7. Mai hatte Deutschland die bedingungslose Kapitulation unterschrieben und der Krieg war endlich beendet. - Wirklich beendet? Am 8. Mai waren schon wieder hunderte von Bombenflugzeugen vom Typ B-24 (Liberator), B-17 (Flying Fortress) und B-26 in der Luft und rauschten im Tiefflug über Deutschland. In sechs Tagen hintereinander kamen dabei 2.013 Flüge der US-Flotte zusammen. Die Maschinen waren in Dreier-Gruppen unterwegs und Fotografen lichteten sorgfältig das zerstörte Deutschland ab. Zusätzlich waren noch bis zu 20 Fluggäste oder besser Schaulustige an Bord: Bodenpersonal, Flugzeugwarte, Köche. Inoffiziell sprach man von diesem Unterhaltungsprogramm auch von „Trolley Trips“.

Wozu die Fotos dienen sollten, ist bei Herrn H. S. Wolk, Historiker der USAF, nichts zu erfahren. Waren sie gedacht als Belohnung für die Soldaten und Piloten der Sieger? Und hatten sie eine ähnliche Funktion wie die Bilder, die Gaffer bei schrecklichen Autounfällen heutzutage machen? Instagrammable würde man das wohl aktuell umschreiben. - Oder interessierten sich die Amerikaner nur für die Auswirkungen ihrer jahrelangen Angriffe auf die deutsche Industrie- und Kriegswirtschaft und dachten schon an den Aufbau?

Quellen: Von Hennighusen zu Hänigsen, Ralf Bierod
Found-Places, Heimatforschung Celle, Hendrik Altmann
Wikipedia

Bürgerreporter:in:

Rainer Lingemann aus Uetze

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