Enkeltochter und Freudenschere

Bockwindmühle Wettmar
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Ein alter Müllerbrauch an der Bockwindmühle Wettmar wird wiederbelebt

„Zum neuen Jahr

Wie heimlicher Weise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füßen
Die Erde betritt,
So nahte der Morgen,
…“

Wie in diesem Gedicht von Eduard Mörike (1804 – 1875) betrat am Morgen des 3. August 2017 die kleine Elin Sophia in Berlin-Friedrichshain unsere Welt und ein neues Leben und Lebensjahr nahm für sie und ihre Eltern seinen Anfang.
Es wurden keine Fotos nach Facebook, Instagram oder sonstwohin geschickt, damit alle Welt davon erführe, sondern ein traditioneller Weg zur Information einer kleinen traditionellen Welt wurde wieder beschritten.
Da sie die erste Enkelin des Wettmarer Müllers Reinhard Tegtmeier-Blanck und seiner Frau ist, lag es nahe, auf altes Brauchtum aus dem Mühlenwesen zurückzugreifen, auf die Sprache der Mühlenflügel.
Im Laufe der Jahrhunderte hatte es sich nämlich eingebürgert, dass die Windmüller durch die Stellung der Flügel die umliegenden Bauern informierten, ob die Mühle eine längere Arbeitspause eingelegt hatte, nicht in Betrieb war, oder ob sie nur eine kurze Arbeitspause evtl. wegen einer Reparatur einhielt. Damit konnten sich die Bauern vergebliche Wege mit ihren Fuhrwerken ersparen. Lag ein Trauerfall z.B. in der Müllerfamilie vor, dann stellte man die „Trauerschere“ ein (ein Flügel zeigte dann in Richtung einer Uhrzeigerstellung 11 Uhr) oder bei einem freudigen Ereignis wurde die sogenannte „Freudenschere“ gezeigt (Flügel in Uhrzeigerstellung auf 13 Uhr. Da die Mühle linksherum dreht, ist es aus Müllersicht „5 vor 12“ = Freude).
Wie die historische Mühle in Wettmar restauriert aus der Vergangenheit „zurückkehrte“, kommt auch das Brauchtum der Müllerei zurück. Schon vor einem Jahr hatte die Bockwindmühle mit der Freudenschere auf die Hochzeit des Elternpaares in Berlin hingewiesen, sogar die Berliner Britzer Mühle nahm dieses Signal auf. Der passende Aphorismus lautete damals:

„Ein Mühlstein und ein Menschenherz wird stets herumgetrieben.
Wo beides nichts zu reiben hat, wird beides selbst zerrieben.“
(Friedrich von Logau, 1604 - 1655)

Das jetzige wunderbare Ereignis ist ein positiver Ausdruck der dichterischen Aussage und ein neuer Grund für ein weithin sichtbares Signal: Daher wurden bei einem kleinen Umtrunk die Flügel von den alten und neuen Müllerkolleginnen und -kollegen und vom „neuen Großvater“, in Stellung gebracht. In einer gemütlichen Feier, die auch noch zwei Geburtstagen gewidmet war, wurde die Müllersolidarität gestärkt und es wurde vor allem in diesen unruhigen Zeiten durch ein deutliches Freudenzeichen auf den Lebens-Optimismus verwiesen, der in einem solchen Ereignis sichtbar wird! Wie passend ist dazu der Müllergruß: Glück zu!

Bürgerreporter:in:

Reinhard Tegtmeier-Blanck aus Wedemark

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