Offener Brief : Ehrenamt und Schwerbehinderung... ich bitte um Hilfe!

Detlef Wapenhans Schwelm, 19.01.2012 Platz der Nachbarschaften 1 58332 Schwelm 02336/81562 info@wapenhans.de
Detlef Wapenhans *Platz der Nachbarschaften 1 * 58332 Schwelm
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft Staatskanzlei NRW Stadttor 1 40190 Düsseldorf
Ehrenamt und Schwerbehinderung... ich bitte um Hilfe!
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Kraft,
ich möchte mich kurz vorstellen. Mein Name ist Detlef Wapenhans, ich bin 41 Jahre jung, habe Muskel-schwund und sitze im Rollstuhl. Muskelkrank zu sein bedeutet, dass meine Muskeln von Kindheit an immer schwächer werden und dadurch die Möglichkeit mich selbst aus eigener Kraft zu bewegen immer weniger wird. Inzwischen bin ich auf die Nutzung eines Elektrorollstuhls angewiesen und auf die Hilfe durch meine Ehefrau, die mich rund um die Uhr versorgt.
Dies ist im Grund halb so schlimm, ich kann zwar so gut wie nichts mehr bewegen, aber solange ich denken, sehen und sprechen kann – kann ich mit meinen Mitmenschen kommunizieren. Gut, man hat mich in Rente geschickt, weil ich dem Leistungsdruck nicht standhalten konnte. Aber daheim rumsitzen, nichts tun – das ist nichts für mich.
So habe ich, um meinem Leben einen Sinn zu geben, mehrere Ehrenämter angenommen und führe diese mit sehr viel Herzblut und Engagement aus. Im Verein "Mobil mit Behinderung e.V." bin ich als Berater tätig und berate dort vor allem Eltern behinderter Kinder in Mobilitätsfragen. Um die technischen Möglichkeiten durchzusprechen und zu erproben, fahre ich mit meinem aus dem Erwerbsleben in die Rente geretteten spe-ziell für mich umgebauten Fahrzeug. Die Funktion der Rampe und Rollstuhlsicherungssysteme sind immer ein wichtiger Punkt bei den Besichtigungen.
Besondere Freude bereitet mir mein ehrenamtlicher Besuchsdienst bei demenzkranken Menschen im Alten-heim. Hier ist mein ausgebildeter Behindertenbegleithund immer die Attraktion, weil sich die Menschen nicht vorstellen können, wie hilfreich so ein Hund sein kann. Das Feedback, welches ich von den Menschen bei diesen Besuchen erhalte ist mir sehr wichtig. Die Anerkennung, dass ich mich trotz meiner schweren Be-hinderung dieser Aufgabe stelle, bedeutet mir sehr viel und hilft mir mein eigenes Schicksal zu überwinden.
In meinem Alltag, bei meinen Beratungen sehe ich aber auch die Missstände und so viele Dinge die ich noch verbessern möchte. Daher entschloss ich mich, in dem in Gründung stehenden Behindertenbeirat der Stadt Schwelm aktiv werden. Zu Beginn meines Erwerbslebens erhielt ich durch die DRV ein, auf meine Behinde-rung angepasstes Fahrzeug. Mit diesem Fahrzeug konnte ich bis jetzt all die Ehrenämter wahrnehmen.
Nun ist dieses Fahrzeug defekt, ein wirtschaftlicher Totalschaden!
Ohne ein geeignetes Fahrzeug kann ich meine Ehrenämter nicht mehr ausführen, denn ich kann keine öffent-lichen Verkehrsmittel nutzen! Das wäre mein persönliches Ende – ich weiß nicht wie es weiter gehen soll!
Ehrlich gesagt ich bin am Boden zerstört, nervlich am Ende.
In meiner Not habe ich mich zuversichtlich an den Landschaftsverband Westfalen Lippe gewandt. Mit meiner Rente kann ich leider weder die Anschaffung eines Fahrzeuges noch den Umbau finanzieren. In meinen Bera-tungen erkläre ich den Menschen immer, dass es gemäß Eingliederungshilfeverordnung eine Förderung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gibt. Nun bin ich selbst in dieser Situation - habe einen Antrag auf Übernahme der Umbaukosten gestellt. Dieser Antrag wurde ohne sonderliche Prüfung meiner Situation ab-gelehnt.
Wie soll ich denn am Leben teilhaben wenn ich das Haus nicht verlassen kann?
Damit bin ich am Ende – alles was ich mir aufgebaut habe, alles wodurch ich anderen etwas geben kann.
Ich erlaube mir unseren Bundespräsidenten zu zitieren. Er sagte in seiner Rede zur Verleihung des Verdienst-ordens der Bundesrepublik Deutschland an ehrenamtlich engagierte junge Frauen und Männer am 26. Au-gust 2011 im Schloss Bellevue:
...Trotzdem gibt es Hunderttausende junge Menschen, die in Deutschland ehrenamtlich und sehr ausdauernd aktiv sind. Ich bin der Überzeugung: Das muss honoriert werden – als Dank für jeden Einzelnen und als Anre-gung für hoffentlich viele Nachahmer von Ihnen, den Vorbildern. Nachahmer brauchen wir gerade auch in Zeiten des demografischen Wandels, wenn Zusammenhalt nicht nur ein Wort, sondern gelebte Wirklichkeit in unserer Gesellschaft bleiben soll. Wenn künftig weniger junge Menschen da sind, sollten noch mehr ehren-amtliche Aufgaben übernehmen, damit das bürgerschaftliche Engagement groß bleibt. Ein Orden zeichnet immer Leistungen der Vergangenheit aus, aber sein Glanz kann uns noch etwas anderes bedeuten: ein Licht-strahl für die Zukunft!...
Wie könnte eine Honorierung aussehen? in meinem Fall ist die Antwort ganz klar, indem meine Ehrenämter den gleichen Stellenwert erhalten wie meine frühere berufliche Tätigkeit. Es wäre so einfach meine ehren-amtliche Arbeit, die mir so viel Freude bereitet und mir auch Selbstachtung gibt weiter zu führen.
Ich habe gerne vielen Bürgern des Landes NRW aus ihren Notlagen geholfen. Ich habe gerne bei den Be-suchsdiensten den Demenzkranken alten Menschen ein Stück Freude vermittelt. Und ich würde auch gerne in Zukunft im Behindertenbeirat für die Belange Behinderter kämpfen.
In der Rede des Bundespräsidenten ist von "Lichtstrahl für die Zukunft" die Rede... Wie wird meine Zukunft aussehen? Ohne ein behindertengerechtes Fahrzeug werde ich meine Ehrenämter aufgeben müssen!
Die Ehrenämter die meinem Leben einen Sinn gaben und der Gesellschaft so viel gebracht haben.
Weiter heißt es in der Rede:
...Beides – Fröhlichkeit und Zuversicht – braucht man im Ehrenamt ja ganz besonders. Sie sind die Triebfedern für eine Arbeit, die unbezahlt und unbezahlbar ist. Eine Arbeit, die oft viel Zeit und Mühe kostet, aber auch eine Menge zurückgibt - nämlich das gute Gefühl, für und gemeinsam mit anderen Menschen etwas zu bewe-gen und zum Besseren zu verändern. Deshalb ist das Ehrenamt mehr als eine Aufgabe. Es ist Ausdruck einer inneren Haltung, Ausdruck von Menschlichkeit und gutem Miteinander, ein echtes Geschenk an die Gemein-schaft....
Ich habe Fröhlichkeit und Zuversicht gehabt als ich meine Ehrenämter ausführen konnte, dies wird mir jetzt genommen. Im Moment sehe ich nur eine monotone, isolierte Zukunft zuhause. Ich empfinde es als nicht Menschlich und Gerecht wie mit jemandem umgegangen wird, der laut unserem Bundespräsidenten "ein echtes Geschenk an die Gemeinschaft" ist.
Das Europäische Jahr des Ehrenamtes ist gerade einen Monat vorbei und ich verliere meine Ehrenämter weil mir die Hilfe verwehrt wird, die mir eigentlich zusteht.
Die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen wurde 2009 von der Bundesregierung ratifi-ziert, in § 20 Mobilität heißt es:
Die Vertragsstaaten treffen wirksame Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobili-tät mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen, indem sie unter anderem
a) die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen in der Art und Weise und zum Zeitpunkt ihrer Wahl und zu erschwinglichen Kosten erleichtern;
b) den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu hochwertigen Mobilitätshilfen, Geräten, unterstützen-den Technologien und menschlicher und tierischer Hilfe sowie Mittelspersonen erleichtern, auch durch deren Bereitstellung zu erschwinglichen Kosten;
c) Menschen mit Behinderungen und Fachkräften, die mit Menschen mit Behinderungen arbeiten, Schulungen in Mobilitätsfertigkeiten anbieten;
d) Hersteller von Mobilitätshilfen, Geräten und unterstützenden Technologien ermutigen, alle Aspekte der Mobilität für Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.
Auf dieses von der Bundesregierung ratifizierte und in Deutschland geltende Recht berufe ich mich. Ich möchte doch einfach nur weiter helfen können.
Weiter heißt es in der Rede des Bundespräsidenten auch:
...Frei nach dem Motto: „Tu Gutes und rede darüber.“ Ich weiß: Ehrenamtler sind in eigener Sache oft sehr zurückhaltend und bescheiden. Springen Sie da gelegentlich über den eigenen Schatten!...
Dies mache ich hiermit und bitte Sie um Ihre Hilfe! Ich will nicht ohne Aufgabe zuhause einsam auf meinen Tod warten müssen. Ich will der Gesellschaft weiter helfen und ich möchte einen Sinn haben für den ich noch lebe.
Daher bitte ich Sie um Hilfe bei der Umsetzung meines Antrages auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft!
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Wapenhans
PS: Dieses Schreiben wurde als "offener Brief" auf der Homepage www.mobil-trotz-handicap.de veröffent-licht. Der Link zu diesem Artikel wurde zusätzlich auf Facebook verbreitet. Ich behalte mir vor, Antworten auf dieses Schreiben dort zu veröffentlichen.
Anlage Kopie Ablehnungsbescheid LWL Kopie Nachweis Ehrenamt Kopie Sozialbericht Kopie Ehrenamtskarte des Landes NRW

Bürgerreporter:in:

Klaus-Dieter Dingel aus Bad Wildungen

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