Keine Kameraden. Film der Marion Samuel Preisträgerin Beate Lehr-Metzger am 8. Mai im Mephisto (10 Uhr vormittags) und im Thalia (19.30 Uhr)

8. Mai 2013
10:00 Uhr
Mephisto und Thalia Filmkino , 86152 Augsburg
Transitfilm | Foto: Bundesarchiv Koblenz
7Bilder

Das Massensterben von sowjetischen Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft war bisher ein absolutes Tabuthema. Die Marion Samuel Preisträgerin Beate Lehr-Metzger hat das Verhungern der Menschen in ihrem Film thematisiert - und trifft auf wenig Gegenliebe.

Keine Kameraden. Dokumentarfilm von Beate Lehr-Metzger

Im Jahre 2011 habe ich nach 2-jähriger Arbeit den Dokumentarfilm " Keine Kameraden" fertiggestellt.
Erstmals wird "Das Massensterben sowjetischer Kriegsgefangener im Winter 1941/42" in einer Dokumentation aufgearbeitet.
Allein von den 3,5 Millionen sowjetischen Gefangenen aus dem Jahre 1941 waren bis zum Frühjahr 2 Millionen gestorben: Erschossen, verhungert, erfroren, Opfer der NS-Vernichtungsmaschinerie, die im Sommer 1941 über die Sowjetunion hereinfiel.

Dieses Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen ist neben dem Völkermord an den europäischen Juden eines der furchtbarsten Kapitel des zweiten Weltkrieges und bis heute weitgehend tabuisiert.

"[...] der Kommunist ist vorher kein Kamerad und nachher kein Kamerad […]"
lautet Hitlers Devise über den Umgang mit den Kommunisten in seiner Rede vom 30. März 1941 vor den Befehlshabern und Stabschefs des Ostheeres. Die Bestimmungen der Genfer Konvention werden für diesen Feldzug weitgehend ausgesetzt. Durch die Blitzkriegsstrategie des NS-Regimes macht die Wehrmacht bereits in den ersten Monaten nach dem Überfall auf die Sowjetunion Millionen Gefangene. Ab Juli 1941 beginnt die Deportation gefangen genommener sowjetischer Soldaten nach Deutschland.

In dieser Zeit sind die Gefangenenlager noch nicht einmal im Ansatz fertiggestellt. Bis November 1941 werden rund 100.000 Gefangene zu den Gefangenenlagern in die Lüneburger Heide, wie beispielsweise Wietzendorf, gebracht. In diesen provisorischen Lagern finden die Kriegsgefangenen keine festen Unterkünfte, sondern nur Wachtürme und Stacheldraht vor.

Sie hausen in Erdlöchern bei völlig unzureichender Verpflegung, so dass sie in ihrer Not die Rinde von den Bäumen essen.
Zeitzeugen wie die ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen Mark Tilewitsch und Michael Levin, Hinterbliebene und renommierte Wissenschaftler wie Professor Dr. Hans Mommsen belegen in der Dokumentation "Keine Kameraden" dieses Kapitel deutscher Vergangenheit.

Durch einen Hinweis des ehemaligen Leiters des Podolsker Militärarchivs, Oberst a.D. Viktor W. Muchin, entdecken die Historiker Dr. Rolf Keller und Dr. Reinhard Otto in diesem Militärarchiv Karteikarten, die von der deutschen Wehrmacht über jeden Kriegsgefangenen angelegt wurden. Diese Karteikarten ermöglichen die Rekonstruktion des Schicksals jedes einzelnen, nach Deutschland deportierten, sowjetischen Soldaten.
Boris Schaporows Tochter, Soja Torschina, erzählt im Film vom Überleben ihres Vaters.

Auch Nicolai Kurilow war einer von ihnen.
Nach seiner Gefangennahme im Oktober 1941 verliert seine Familie jede Spur von ihm. Das Schicksal von Nicolai Kurilow wird aus der Perspektive seiner Nichte Evgenia erzählt und mit Hilfe von Briefen und Unterlagen belegt. Nicolai Kurilow stirbt am 21. Januar 1942 auf Langeoog. Er ist einer von insgesamt 2 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die von Juni 1941 bis April 1942 in deutscher Gefangenschaft sterben. Insgesamt fallen im zweiten Weltkrieg von 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen 3,5 Millionen Hunger, Kälte und Misshandlung zum Opfer.

Leider konnte sich kein deutscher Sender für diesen Film begeistern. Noch nicht einmal für den schlechtesten Sendeplatz hielt man den Film oder das Thema für geeignet. Die Begründungen waren mannigfaltig. Der NDR beispielsweise begründete seine Absage folgendermaßen:
„… da Dramaturgie und Erzählweise dieser Produktion in der vorliegenden Form für unsere Geschichtssendeplätze nicht geeignet sind. …“

Briefe an die öffentlich-rechtlichen Sender, beispielsweise von Herrn Dr. Christian Streit an den stellvertretenden Chefredakteur Thevesen des ZDF, oder von Herrn Dozent Benjamin Conrad der Historischen Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz an den NDR, wurden lapidar beantwortet. Besondere Wertschätzung meiner Arbeit bekundeten anerkannte Historiker wie Prof. Hans Mommsen und Prof. Manfred Messerschmidt, Dr. Andreas Frings (Uni Mainz) sowie Dr. Christian Streit. ZDF und ARD begründeten ihre Absagen lediglich telefonisch und können daher nicht zitiert werden.

Im Gegensatz dazu wurde der Film im Oktober 2012 mit der Unterstützung des ehemaligen russischen Präsidenten Medwedew in ganz Russland über alle Zeitzonen hinweg im staatlichen Fernsehen Kultura gezeigt. Anschließend wurde eine Podiumsdiskussion, an der namhafte russische Historiker, wie beispielsweise Herr Witalij Dymarskij, und ich selbst teilnahmen, ausgestrahlt. Der Erfolg war überwältigend. Von überall aus Russland gab es anschließend äußerst positive Reaktionen. Auch Herr Eberhard Radczuweit von Kontakte e.V bekam aus Sibirien Briefe ehemaliger Kriegsgefangener, die sehr berührend waren. Am 08. November 2012 wurde mir in Augsburg von der Stiftung Erinnerung der Marion-Samuel-Preis 2012 verliehen. Wie mir die russische Botschaft mitteilte, wird Staatspräsident Putin mir wegen meines Filmes die Alexander Puschkin Medaille überreichen in Anerkennung der Verdienste um die Völkerversöhnung.

Beate Lehr-Metzger, Regisseurin

Keine Kameraden. Film über das Massensterben der russischen Kriegsgefangenen im Winter 41/42. Mittwoch, 8. Mai 2013, 10 Uhr im Mephisto (für Schüler Eintritt frei) und um 19.30 Uhr im Thalia-Filmkino (Eintritt €5). Die Regisseurin wird im Anschluss an den Film für eine Aussprache zur Verfügung stehen.
Veranstalter: Gegen Vergessen-Für Demokratie, RAG Augsburg-Schwaben; Mitveranstalter: Bündnis für Menschenwürde, VVN Augsburg.

Bürgerreporter:in:

Dr. Bernhard Lehmann aus Gersthofen

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