Dorfbackhaus - anno dazumal - im Hinterland (T. 1)

Meine Oma u. Tante Erna auf dem Nachhauseweg vom Backhaus
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In Hessen wurde das erste Dorfgemeinschaftshaus erst in 1950 gebaut und davon gibt es mittlerweile ca 1500 in unserem Bundesland Hessen.

Im Hinterland wurde aber in Lixfeld / Angelburg schon 1928 auf dem Standort des alten Dorfbackhauses das Rathaus gebaut, welches damals schon den Ansprüchen eines Dorfgemeinschaftshauses gerecht wurde.

In diesem Haus befand sich die Bürgermeisterei mit Gemeinderechner, ein kleines Zimmer für die Gemeindeschwester, ein großer Gemeindesaal und im Erdgeschoss war ein Feuerwehrgeräteunterstand, das neue Backhaus mit
2 Öfen und das Stockhaus untergebracht.

Als dann in 1971/73 die alte Schule in ein neues Rathaus mit Gemeinschaftssaal umgebaut wurde, blieb aber das Backhaus im alten Rathaus und das wird auch heute noch von einigen Sachkundigen zum Brot backen genutzt.

Anno dazumal gab es noch viele Feierabendbauern, die in der armen Zeit neben ihrem Beruf als Bergmann, Hüttenarbeiter oder Steinbrucharbeiter nachmittags noch eine kleine Landwirtschaft betreiben mußten.

Auf dem hiesigen kargen Boden wurde damals viel Roggen angebaut, der sich relativ gut entwickelte. Somit stand den Kleinbauern nach dem Dreschen und Mahlen das Roggenmehl zur Verfügung.
Damit war der Gedanke des Brotbackens in einem Gemeindebackhaus geboren, zumal es damals noch keine Großbäckereien gab.

Dieses Backen erforderte natürlich einen geregelten Ablauf.

Alle Backinteressierte, die in der folgenden Woche backen wollten, trafen sich am Samstag zum 18 Uhr- Feierabendläuten im Backhaus und dort wurde dann die Reihenfolge durch Aufhängen von "Backesbrettchen" mit den Familiennamen an den 2- stündigen "Stunden- und Wochenplan" an der Wand festgelegt.

Dabei ging es zunächst um den Anheizer morgens, der etwas längere Zeit einplanen und stärker aufheizen musste. Es wurde darauf geachtet, dass
dieser Sonderdienst immer reihum verteilt wurde.

Oft waren beide Öfen besetzt, einige Zuschauer gesellten sich hinzu und dann
war Dorfpolitik das große Thema.

Für das Heizen der Öfen wurde überwiegend Buchenreisig verwendet, die Reiser waren garbenähnlich zusammengebunden und wurden im Ofen angesteckt. Für einen Back wurden etwa 6 - 8 ("Gebinnercher") verbrannt,
die Glut auf dem Ofenboden gut verteilt und zum Schluss
mit dem "Kest" aus dem Ofen herausgeholt.
Nach dem Abwischen des Ofenbodens mit nassen Lappen konnten dann die Brotlaibe ( bis zu 40 Laibe pro Ofen) mit dem "Häler" in den Ofen eingeschossen werden.
Die Kuchen brauchten nicht so lange Backzeit und wurden daher erst später
eingeschoben.

Während der Heizzeit wurde im Backtrog der Brotteig, ein Gemisch von Roggenmehl, Salz, Sauerteig und lauwarmen Wasser gut durchgeknetet - gehen lassen, als Brotlaibe geformt und auf langen Brettern abgelegt.

Neben der Ofentür befand sich ein kleines Guckloch, wo annodazumal mit Hilfe des Lichtes einer Karbidlampe der Backzustand bzgl. Bräunung der Brote beobachtet werden konnte.

Wenn die richtige Farbe erreicht war, wurden die Brote mit dem "Häler" aus dem Ofen herausgeholt und mit Wasser überpinselt.

Das war ein Duft ! Überwältigend ! Frisch gebackene Bauernbrote und Kuchen !

Für uns Kinder ging es nun darum das sehr schmackhafte "Kratzläbche" (im Backtrog zusammengekratzter Restteig), welches oft noch mit Speck gespickt war, zu bekommen. Frisch, noch warm und knusperig und dieser überwältigende Duft !
Oft wurde auch noch der "Hauptmann" mitgebacken, ein Teig aus geriebenen Kartoffeln und etwas Mehl und mit Speck bestickt. Auch dabei ging es darum
ein knusperig frisch gebackenes Stückchen zu probieren.

Na, Mahlzeit - guten Appetit !

Anno dazumal wurden in unserer Großfamilie zum Wochenende mehrere Hefekuchen ( "Gwetsche" - , "Rewwel" - oder "Zockerküoche" ) gebacken.
Die großen Kuchenbleche passten aber nicht in den heimischen Herd, sodass
man sie bis in`s Gemeindebackhaus ( etwa 150 m ) bringen und mitbacken lassen musste. (Bild 1)

Bürgerreporter:in:

Harry Clemens aus Breidenbach

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