Geschichtliches aus Döhren-Wülfel: Am Schornstein flatterte die Flagge „Schwarz-Rot-Gold“ - Döhren, Wülfel und das „Dritte Reich“

Fortsetzung der Serie über die Geschichte des Stadtbezirks Döhren-Wülfel.
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Nach der Machtübernahme 1933 verboten die neuen Herrscher nach und nach die Organisationen der Arbeiterschaft. Auch der SPD-nahe Männer-Turn-Verein in Wülfel zählte zu den ersten Opfern der Nazis. Er wurde im Mai 1933 aufgelöst Ein Döhrener Bürger erinnerte sich in einem Gespräch an diese Zeit: „Der Sportplatz der Freien Turnerschaft und ein weiterer Platz an der Peiner Straße, Ecke Hoher Weg wurden von der SA besetzt. Sie standen mit Karabinern vor den Toren. Widerstand zu leisten war lebensgefährlich.“

Trotzdem zogen in diesen gefährlichen Tagen Reichsbannerleute auf dem Schornstein der Ziegelei an der Hildesheimer Straße eine schwarz-rot-goldene Fahne auf und sägten anschließend die Steigeisen am Schornstein ab. So hatten die neuen Machthaber einige Probleme, die verhaßte Fahne wieder herunterzuholen. Auch die KPD startete eine ähnliche spektakuläre Aktion auf der Wolle. Zwar besaß sie dort nicht den Einfluß von SPD und sozialistischer Front. Doch am 1. Mai 1933 pinselten die Kommunisten an einem Schornstein der Wolle die Worte „KPD lebt“ und hissten eine rote Fahne.

Der Vorsitzende der damaligen SPD-Abteilung Döhren-Wülfel, August Schrader, wurde mehrmals verhaftet und unter anderem zeitweise im KZ Neuengamme interniert. Vom aktiven Widerstand in Döhren und Wülfel ist aber kaum etwas zu erfahren. Angeblich wollten einige Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterjugend mit geheimen Treffen weitermachen. Näheres darüber ist allerdings nicht bekannt. Wegen des Verteilens von Flugblättern wurde Konrad Schrader, Sohn des SPD-Vorsitzenden aus Döhren-Wülfel, sowie Karl Anhalt verhaftet und vom Sondergericht Hamm zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Es gab in Döhren und Wülfel als Ausfluß der Weltwirtschaftskrise Anfang der 30iger Jahre viele Arbeitslose. Sicherlich auch ein Grund für die Stimmen zugunsten der NSDAP. Doch die wirtschaftliche Lage besserte sich nicht so, wie

es sich vielleicht einige Wähler erhofft hatten. Unter der Nazi-Herrschaft ging es den Döhrenern jedenfalls auch wirtschaftlich nicht besser. Im Lagebericht des hannoverschen Oberbürgermeisters Artur Menge vom 25. Januar 1935 heißt es, daß die durch die Faserstoff-Verordnung erzwungene Verkürzung der Arbeitszeit auf 36 Wochenstunden auf die Arbeitskräfte der Döhrener Wolle finanzielle Auswirkungen habe. Nach dem Lagebericht vom 21. Januar 1936 führten Entlassungen auf der „Wolle“ zum Anstieg der Arbeitslosenzahl. Die Arbeitszeit wurde auf 24 Wochenstunden gekürzt. Und 1939 berichtet Pastor Ostermann von der St. Petri-Kirche über nicht gerade rosige wirtschaftliche Verhältnisse: Der Tarif im Textilwesen (der für die Wolle-Arbeiter galt) sei nicht sehr hoch, wer keine billige Werkswohnung bekomme, habe mancherlei Sorgen.

Die braunen Machthaber wollten alle gesellschaftlichen Bereiche kontrollieren und versuchten, die Vereine gleichzuschalten. Selbst so unpolitische Zusammenschlüsse wie die Laubenpiper waren dem Zugriff der Nazis ausgesetzt. Im Mai 1933 wurden die einzelnen Kleingartenvereine aufgelöst und zur Nationalsozialistischen Kleingartenvereinigung Hannover zusammengefaßt. Betroffen davon war unter anderem der Kleingartenverein Döhren e.V. und der Kleingartenverein Wülfel e.V. So kam es, daß der Hannoversche Anzeiger in seiner Ausgabe vom 8. August 1933 bereits berichten konnte, in der Laubenkolonie am Pulverweg sei unter den Klängen der Kapelle des SA-Sturmes Döhren je eine Hitler-, Hindenburg- und Horst-Wessel-Eiche gepflanzt worden.

Ende1933 gliederten die Nationalsozialisten die christlichen Pfadfinder in die HJ ein. Bevor es aber soweit war, gab es oft Übergriffe der Hitlerjugend gegen Mitglieder der Pfadfinderbewegung. Ein Zeitzeuge erinnert sich, daß nach ihren Heimabenden im Pfadfinderheim an der Frobösestraße HJ-Anhänger vor der Tür warteten, um sich mit den Pfadfindern zu schlagen (VCP, Döhren 33-45, S. 69). Bis 1941 hatte dann die HJ selbst im ehemaligen Heim der Pfadfinder das Sagen.

Druck gab es nicht nur gegenüber den evangelischen Christen. Auch der Männerverein St. Bernward bekam den Geist der neuen Zeit zu spüren. Theateraufführungen mußten polizeilich gemeldet werden. Etwa das Stück „Im weißen Rößl“, dessen Textbuch ein Polizeiinspektor gegen eine Gebühr von einer

Reichsmark kontrollierte. Zwar hob der Vorstand von St. Bernward aufgrund einer Erlasses vom 22. Juli 1937 des NSK hervor, dass die Mitgliedschaft im Verein für DAF-Mitglieder gestattet sei, aber noch im selben Jahr stellte der katholische Verein dann doch sein öffentliches Wirken ein. Lediglich die vereinseigene Liedertafel setzte ihre Arbeit unter der 1935 gewählten Tarnbezeichnung „Liedertafel von 1888 Hannover und Döhren“ fort (Festschrift 100 Jahre Männerverein St. Bernward, S. 66).

Nationalsozialisten griffen daneben nach den Schützenvereinen. Der Nazi-Stadtrat Wilhelm Bakemeier wurde neuer Schützensenator in Hannover, sein Vorgänger August Schrader mußte zurücktreten. Die neuen Herren in Deutschland setzten die alten gewählten Vorstände ab und bestimmten in Wülfel Karl Rossmann als Vorsitzenden. 11 Schützen meldeten sich gleich darauf noch am selben Tag ab, später traten nochmals fünf Mitglieder aus dem Wülfeler Schützenverein aus. Immerhin: Der Aufforderung, sich der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freunde“ (KdF) als förderndes Mitglied anzuschließen, kam die Schützengesellschaft Wülfel trotzdem nicht nach. Sie mußte jedoch der Hitlerjugend ihre Schießstände zur Verfügung stellen.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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