Ich bin gerne Pfarrer in Gersthofen...

Pfarrer Gössl in Kirche St. Jakobus
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Viele Leser kennen sicherlich die Redensart „Man solle die Kirche beim Dorf lassen“. Gemeint ist, eine Situation nicht zu sehr dramatisieren. Nach den letzten Monaten gibt es jedoch eine Doppeldeutung. Die „Kirche“ hat sich vom „Dorf“ - sprich Gläubigen- immer mehr entfernt. Ursachen sind u. a. das unwürdige Verhalten von „Kirchenmännern“ - in allen Hierarchien. Dadurch wird der Blick auf die täglich stattfindende seelsorgerische Arbeit der Kirche vor Ort verstellt. Zu unrecht – meint der myheimat-Mann. Um jetzt die „Kirche wieder beim Dorf zu belassen“ -diesmal im ursprünglichen Sinn- hat er sich von Ralf Gössl, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft St. Jakobus/Maria Königin des Friedens, Gersthofen, Einblick in die Arbeit eines Ortspfarrers geben lassen.

Das Interview findet im Garten des Pfarrhauses statt. Gössl sitzt entspannt in seinem Gartenstuhl und es ist angenehm kühl im Schatten. Eine Idylle - und es geht weiter mit dem Bekenntnis: „Ich bin gerne Pfarrer in Gersthofen und habe dort viele wertvolle Menschen kennen gelernt.“ Dabei war der Start nicht einfach. Als Gössl vor drei Jahren sein Amt antrat, fand er eine schwierige Situation vor: durch die Zusammenlegung der beiden Pfarreien St. Jakobus und Maria Königin des Friedens gab es Unmut und Querelen. „Ich war angenehm überrascht, dass nicht der Versuch gemacht wurde, mich in eines der beiden Lager zu ziehen, erinnert sich Gössl. Mit der ihm eigenen Diplomatie konnte er in vielen Gesprächen die Wogen glätten. Dabei haben sich beide Seiten gut kennen gelernt. Er zeigte keine Berührungsängste. Schmunzelnd: „Vielleicht haben mich manche Leute unterschätzt“. Er war gern gesehener Gast bei Veranstaltungen und Feiern. In den letzten Monaten schätzt Gössl aber mehr die Abendgestaltung in seiner kleinen Wohnung im Pfarrhaus; ein langer Arbeitstag fordert seinen Tribut. Auch ein anderer Aspekt hat den den 45-jährigen Pfarrer angenehm überrascht. „Es gibt selten einen Ort, wo so eine lebendige Ökumene herrscht wie in Gersthofen“.

Wie schaut so ein Pfarrer-Arbeitstag aus? Der Wecker klingelt um 5:30 Uhr. Eine Tasse Kaffee weckt die Lebensgeister. Danach folgt zur Einstimmung auf den Tag Stundengebet und Meditation. Religionsunterricht in den 3. Klassen, Verwaltungsarbeiten, Beerdigungen und Krankenbesuche lassen den Vormittag schnell vergehen. Das Mittagessen wird von der Pfarrköchin zubereitet und möglichst zusammen mit seinen Mitarbeitern eingenommen. Am Wochenende kocht Gössl selbst. „Ich koche gerne, auch für meine Leute“, verrät der Pfarrer und man glaubt es ihm.... Schwach wird er bei Ente mit Knödel und Blaukraut. Nach dem Essen ist Mittagsruhe angesagt. Nachmittags werden Gespräche im Rahmen von Ehevorbereitungen, Taufen oder Trauerarbeit durchgeführt. Gegen Abend wieder Stundengebet und -wenn im Dienstplan vorgesehen- eine Abendmesse. Hinzu kommen Sitzungen mit dem Pfarrgemeinderat oder mit der Kirchenverwaltung. Einladungen zu offiziellen Veranstaltungen soll auch nach gekommen werden. Daneben hat er noch einige Sonderjobs wie Prodekan im Augsburger Dekanat West, Bezirkspräses bei Kolping und das Feiern des Freitagabend-Gottesdienstes im St. Vinzenz-Hospiz, Augsburg. Nicht zu vergessen das Spenden der Krankensalbung oder seelsorgerische Gespräche mit hilfesuchenden Gläubigen. Da wird es schon 21:00 Uhr bis der Seelsorger selbst zur Ruhe kommt. Er mag es, wenn er den Abend mit der Hausgemeinschaft ausklingen lassen kann, zapt aber auch gerne durch die TV-Programme und bleibt beim „Tatort“ hängen.

Ein langer Arbeitstag. Gössl ist aber froh, dass wieder das normale Tagesgeschäft abläuft. Die Schatten der letzten Monate, ausgelöst durch das Verhalten von Bischof Mixa, schwinden langsam. Er will auf dieses Thema nicht mehr eingehen. „Es ist zu dieser Geschichte -auch von mir- alles gesagt worden was zu sagen war. Ich wünsche Mixa, dass er auch ohne Bischofsamt „ja“ zu seinem Leben sagt und sich als wertvoller Mensch fühlt der einen guten Neuanfang findet.“ Auch wenn die Gräben wieder geglättet werden, er hält eine Erneuerung der Kirche für notwendig. „Die Gläubigen wollen spüren, dass die Kirche mehr als Institution ist. Wir müssen wieder mehr die Frohbotschaft Jesu in den Mittelpunkt stellen, die den Menschen mit großer Freude am Glauben erfüllen kann - trotz aller Schwierigkeiten in der Kirche.“ Und weiter: „Wenn wir unseren Glauben danach ausrichten, haben wir ein gutes Fundament, um das Leben auch mit seinen Tiefen zu meistern.“ Der Pressemann spürt, dass dem Pfarrer dies ein Herzensanliegen ist.

Und noch eine Erneuerung steht an: Die Renovierung der Pfarrkirche St. Jakobus ist dringend erforderlich. Die Kirche gehört seit 156 Jahren zum festen Ortsbild unserer Stadt. Nun steht eine größere Renovierung an; es müssen z. B. die Wandanstriche und Böden gerichtet werden. Etwa 80.000 Euro sind dafür erforderlich. Mit verschiedenen Aktionen soll das „Spendensäckel“ gefüllt werden. „Ich rechne auf die Unterstützung durch unsere Pfarreimitglieder“ hofft Gössl.

Zurück zum Seelenhirten. Wie erholt er sich von seinen „Schäfchen“? Er geht gerne am Lech spazieren, oft mit „Cosimo“, einem Yorkshire Terrier. Dann kommt es schon vor, dass ihm Gedanken für die nächste Sonntagspredigt zufliegen, die sofort notiert werden. Er nimmt sich viel Zeit für das Ausarbeiten und recherchiert im Internet um Details zu klären. „Allerdings komme ich dann oft ins „Surfen“ und der rote Faden geht verloren“, bekennt der Pfarrer augenzwinkernd. Er trägt die Predigt ohne Manuskript vor. Wenn es die Zeit erlaubt, greift er zu theologischer Literatur, wie z. B. Biographien von Heiligen. Die Zeit... Das Klingeln des Telefons beendet das Interview. Eine Krankensalbung wartet. „Die Kirche beim Dorf lassen“? In Gersthofen, so scheint es, wird in diesem Sinn verfahren...

Bürgerreporter:in:

Gerhard Fritsch aus Gersthofen

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