Ortsbrandmeister Ralph Nellesen: "Steinhude ist der schönste Ortsteil von Wunstorf!"

Ralph Nellesen | Foto: Ralph Nellesen
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Ralph Nellesen ist seit 2001 Ortsbrandmeister der Steinhuder Feuerwehr. Im E-Mail-Interview blickt er auf 100-jährige Geschichte der Ortsfeuerwehr zurück und verrät, was seine Kameraden auszeichnet.

Herr Nellesen, Sie sind Sie sind der Ortsbrandmeister der Steinhuder Feuerwehr, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Seit wann bekleiden Sie dieses Amt?

Ich bin im Januar 2001 nach dem plötzlichen Tod meines Vorgängers Heiko Krückeberg gewählt und im Juni ernannt worden. Vorher war ich 15 Jahre Jugendfeuerwehrwart in Steinhude und zusätzlich zehn Jahre Stadtjugendfeuerwehrwart der Stadt Wunstorf.

Was zeichnet die Steinhuder Feuerwehr aus? Und was gehört alles zum Aufgabengebiet Ihrer Ortsfeuerwehr?

Die Kameradschaft, die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit meiner Kameraden. Das sind aber alles Punkte, die jeder Ortsbrandmeister von seiner Feuerwehr sagen wird.
Die Ortsfeuerwehr Steinhude ist eine der Stützpunktfeuerwehren der Stadt Wunstorf und mit 68 Aktiven eine der größeren Ortsfeuerwehren der Stadt. Wir haben aufgrund unseres Einsatzgebietes einige Besonderheiten zu bewältigen, gemeint ist hier natürlich das Steinhuder Meer und die Insel Wilhelmstein. Wir sind die einzige Organisation am Steinhuder Meer, die an 365 Tagen im Jahr die Rettung auf Wasser und Eis durchführt. Der abwehrende Brandschutz auf dem Wilhelmstein obliegt uns auch, bei längerem Winter sorgen wir für die Versorgung des Inselvogts. Für die Aufgaben auf dem Steinhuder Meer verfügen wir über ein Rettungsboot und einen Hovercraft.
Weitere Aufgaben sind die Brandbekämpfung in Steinhude und zur Unterstützung in Nachbarorten, technische Hilfeleistungen etwa bei Verkehrsunfällen, Ölspuren, Türöffnungen usw. in Steinhude, Verkehrsunfälle zwischen Altenhagen und Klein Heidorn, Einsätze mit der Wärmebildkamera im gesamten Stadtgebiet, Mitarbeit im Gefahrgutzug der Stadtfeuerwehr und überörtlich im Katastrophenschutz. So zum Beispiel beim Elbe-Hochwasser 2006 zum Sichern der Deiche an der Elbe.

Wenn sich ein Schüler überlegt, ob er zur Kinder- oder Jugendfeuerwehr gehen soll – mit welchen Argumenten würden Sie dafür werben?

Sinnvolle Freizeit gleich Feuerwehr: Anderen Menschen in Notlagen helfen, Kameradschaft, Technik, Abwechslung, Spaß in der Gemeinschaft, Zeltlager, Wettbewerbe ...

Wie viele aktive Frauen sind in Steinhude im Dienst? Wie sind Ihre Erfahrungswerte: Werden sie von den männlichen Kollegen akzeptiert?

Wir haben zurzeit 68 Aktive, davon sechs Frauen, von denen drei auch zu Atemschutzgeräteträgerinnen ausgebildet sind. Sie werden voll von ihren männlichen Kameraden akzeptiert. Aufgrund der wenigen männlichen Kameraden, die während der Arbeitszeit in Steinhude zur Verfügung stehen, wäre es wünschenswert, wenn noch mehr Frauen dabei wären, die den ganzen Tag in Steinhude sind.

Jederzeit kann es passieren, dass Ihre Leute in Situationen mit extrem psychischen Belastungen geraten. Wie sind Ihre Leute darauf vorbereitet?

In der Truppmannausbildung wird schon auf dieses Thema hin gearbeitet, auf weiterführenden Lehrgängen ebenfalls. Sollte es bei uns zu solchen belastenden Einsätzen kommen, gibt es Einsatznachbesprechungen, bei denen bei Bedarf auch ein Notfallseelsorger hinzugezogen werden kann. Für kurzfristigen Bedarf hat sich unser Pastor dafür in unserem Bereich bereit erklärt.

Wenn Sie an die Geschichte der Steinhuder Feuerwehr denken: Welche Errungenschaften waren wichtig?

Die Gründung unserer Jugendfeuerwehr im Jahr 1974 und der Kinderfeuerwehr 2006. Mittlerweile sind 42 der 68 aktiven Kameraden aus der Jugendfeuerwehr hervorgegangen.
Genannt sei auch unser schönes Gerätehaus, welches im Jahr 1964 weitestgehend in Eigenleistung unserer Kameraden entstanden ist, und unser Bootshaus, welches die Wasserrettungen für uns optimiert hat. Und ganz aktuell: Am 12. Februar haben wir einen Förderverein gegründet.

Was hätte der Ortsfeuerwehr erspart bleiben können?

Schwere Unfälle und Brände mit Toten und Schwerverletzten.
Der Unfall unseres Hydrocopters am 1. Februar 2009, bei dem meine Kameraden glücklicherweise mit nur leichten Verletzungen davongekommen sind. Das Fahrzeug wurde jedoch dabei zerstört.

Sie haben im Laufe Ihrer Zeit bei der Feuerwehr bestimmt viel erlebt. Gab es auch kuriose Einsätze, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?

Kurios nicht, aber ein Kamerad von uns hat vor Jahren ein kleines Mädchen aus dem Meer gerettet und wiederbelebt. Es war ins Eis eingebrochen. Ein junges Paar haben wir aus einem völlig zerstörten Auto gerettet, und ab und zu trifft man sich mal. Leider gibt es dann auch die andere Seite, wo jede Hilfe zu spät kommt. Es gibt aber immer mehr Einsätze, bei denen die Feuerwehr nur gerufen wird, wo sich eigentlich jeder selbst helfen kann. Wir mussten schon einmal einen kleinen Vogel aus einem Kamin holen, der Hausbesitzer vermutete einen Marder im Schornstein.

Mal abgesehen von der Ortsfeuerwehr: Was macht Steinhude lebenswert? Und was könnte besser werden?

Steinhude ist der schönste Ortsteil der Stadt Wuns­torf– hört sicher nicht jeder gerne, denn das sagt jeder über seinen Wohnort, wenn er dort gerne wohnt.
Aber wir wohnen da, wo andere Urlaub machen. Nicht nur Tagestouristen, sondern auch viele, die ihren Jahresurlaub hier verbringen und das über Jahre. Wir haben das Steinhuder Meer zum Segeln, die Badeinsel zum Baden und eine schöne Promenade zum Spazierengehen. Wir wohnen nicht in einer Stadt, sind aber dennoch nah an allen Verkehrsanbindungen wie Bahn, Autobahnen und Flughafen. Die Einkaufsmöglichkeiten sind nicht die besten, aber da ist ja Abhilfe in Sicht.

Seit fast drei Jahren schreiben Bürgerreporter aus Wunstorf und Steinhude auf myheimat.de, dem Mitmachportal der Leine-Zeitung. Können Sie sich vorstellen, dort auch von Ihren Einsätzen zu berichten und Neuigkeiten zu veröffentlichen?

Sicher kann ich mir das vorstellen, ich war auch schon einmal angemeldet. Aber es fehlt mir einfach die Zeit dafür, da es ein Ehrenamt ist, und neben dem eigentlichen Job laufen muss. Daher gibt es meistens nur eine Pressemeldung an die Leine-Zeitung. Da klappt die Zusammenarbeit sehr gut.

Dieses Jahr steht im Zeichen des 100. Geburtstag. Gewähren Sie uns einen Einblick in Ihre Chronik: Wie kam es zur Gründung der Steinhuder Feuerwehr? Welche Einsätze bleiben in Erinnerung?

Vorläufer der Feuerwehr Steinhude war eine Pflichtfeuerwehr. Jeder Haushalt hatte dort eine Person abzustellen. Die Pflichtfeuerwehr bestand auch nach der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr noch bis in die zwanziger Jahre. Am 26. November 1911 wurde die Gründungsversammlung im Ratskeller von Bürgermeister Feldmann geleitet. 60 Männer fanden sich und traten der Feuerwehr bei. Erster vorläufiger Hauptmann wurde Schlachtermeister Pohlmann.
Am 22. Juni 1912 wechselte das Kommando: Erster Hauptmann wurde Adolf Kichelmann. Er blieb bis zum Jahr 1937.
Seit 1911 verfügte die Freiwillige Feuerwehr über eine Handdruckspritze. Die FFW ist in einer Scheune im Bereich Spoorweg untergebracht.
Während des ersten Weltkrieges arbeitete die Pflicht- und Freiwillige Feuerwehr zusammen. Im Jahr 1927 wurden die ersten Uniformen beschafft, sie kosteten 14 Reichsmark. Im selben Jahr wurde über eine Sirene diskutiert, da die Hornisten beim Brande Thiele Nr. 175 zu leise geblasen hatten. Beschafft wurde die Sirene aber erst Jahre später.
1932 wurde die erste Motorspritze beschafft. 1937 wurde Adolf Kichelmann von Franz Wiegmann als Hauptmann abgelöst.
In den Kriegsjahren wurde die Feuerwehr von Hermann Schweer geführt, da der Feuerwehrführer Wiegmann im Kriegsdienst war. Aufzeichnungen über diese Zeit gibt es nicht. Später fand die Feuerwehr in der Schule ein neues Domizil. Im Jahr 1951 verfügte die Steinhuder Feuerwehr über zwei Motorspritzen mit Fahrzeugen.
Es wurden Einsätze bis hin nach Bückeburg gefahren. 1952 erhielt die Feuerwehr Steinhude eine luftbereifte Anhängeleiter. Ein Tanklöschfahrzeug konnte aus finanziellen Gründen noch nicht folgen. Die Beschaffung erfolgte 1954. Ab 1958 wurden Stimmen lauter, ein neues Gerätehaus zu bauen. 1961 wurde Gerhard Fesche Nachfolger von Ortsbrandmeister Franz Wiegmann, der plötzlich gestorben war. Gerhard Fesche führte die Feuerwehr bis zur Altersgrenze im Jahr 1987.
1962 wurde der Bauantrag für das neue Gerätehaus gestellt. Die Kosten wurden auf 350000 D-Mark geschätzt. 80000 DM wurden durch Eigenleistung erbracht. Die Einweihung fand am 12. Dezember 1964 statt. Im Jahr 1961 wurde der Kat-s gegründet. Die Steinhuder waren dabei und erhielten später einen LF 16-Ts. Im Jahr 1974 wurde die Gebietsreform umgesetzt. Steinhude wurde Ortsteil der Stadt Wunstorf.
Ebenfalls in diesem Jahr wurde die Jugendfeuerwehr Steinhude gegründet. Eine Art Jugendfeuerwehr hat es aber schon früher gegeben, jedoch nicht offiziell. 1975 wurde die Wasserrettung der Feuerwehr übertragen. Ein neues Rettungsboot erhielt die Feuerwehr 1978.
Im Jahr 1987 folgte Horst Altenburg auf Gerhard Fesche. Als Horst Altenburg die Altersgrenze erreichte, wurde Heiko Krückeberg 1996 neuer Ortsbrandmeister. Krückeberg war gleichzeitig als Gefahrgutzugführer der Stadt Wunstorf und als Zugführer des Kat-S tätig. Er ist nach kurzer, schwerer Krankheit im Juni 2000 gestorben.
Hans-Jürgen Wunnenberg führte die Feuerwehr Steinhude bis zur Ernennung von Ralph Nellesen im Juni 2001. Im Jahr 2006 wurde die erste Kinderfeuerwehr im Stadtgebiet in Steinhude gegründet. Ebenfalls im Jahr 2006 wurde das Bootshaus in Betrieb genommen.

Einige der größten Einsätze:
1951: Brand Gaststätte Zur Linde
1953: Brand im Strandbad und in drei Wohnhäusern
1968: Brand Fabrikgebäude der Fa. Nistac
1974: Brand Haifischbar, heute Möwen Apotheke
1974: Brand im Mehrfamilienhaus Braustraße
1975: Waldbrand in der Heide (Gifhorn)
1976: Brand einer Eisdiele an Graf-Wilhelm-Straße, Fabrikgebäude der Fa. NadoPlast
1998: Kindergarten Steinhude
2005: Torfkahn, Wohnhaus, zwei schwere Verkehrsunfälle

myheimat-Team:

Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister

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