Nur "Bauernfängerei" oder doch mehr vom Gesetzgeber geduldeter "Betrug?

4Bilder

Gesellschaft

Bauernfängerei

Herzlichen Glückwunsch! Sie haben gewonnen. 1 555,-. EURO werden am soundsovielten an den Gewinner, Herr oder Frau Soundso, ausgezahlt. Fortuna hat sie als Glücklichen ausgewählt. Verzichten sie nicht – kommen Sie. Fahren sie mit uns an ein schönes Ziel. Nehmen sie während eines gemütlichen Nachmittags der Glücksgöttin Zuwendung entgegen.
Vier Begleiter ihrer Wahl dürfen sie mit auf die Reise nehmen
Sie werden bewirtet mit den herrlichsten Köstlichkeiten. Es wartet auf sie ein Schlemmerbüfett allererster Güte. Natürlich alles kostenlos und umsonst. Auch für ihre Mitfahrer. Einzig gewinnen können ihre Gäste nicht.
Obendrein Präsente, Präsente, Präsente, für jeden Fahrgast zum mitnehmen. Jede Dame bekommt ein Dampfbügeleisen, jeder Herr einen Elektrorasierer. Für jeden Mitreisenden steht außerdem für daheim ein Schlemmerpaket bereit – Bauer Frühlingsgut hat seine Vorratskammern geräumt. Damit auch das Herz nicht zu kurz kommt, haben wir für sie – extra nur für sie – die Kastelruther Spatzen engagiert. Greifen sie zu - melden sie sich umgehend an.

So stand es auf feinstem Papier geschrieben, in dem Brief, den der nette Briefträger mir ins Haus brachte.
Ein Fahrtziel war allerdings nicht vermerkt. Eine Fahrt ins Blaue, sozusagen. Bei Betriebsausflügen, oder sonstigen Vereinsfahrten hat so eine Fahrt ins Blaue ja häufig auch den größeren Reiz.

Ich wollte es wissen – ich wollte es ganz genau wissen. Ich wollte wissen, ob die Negativ- um nicht zu sagen Horrorberichte über diese Art Fahrten der Wahrheit entsprachen. Die Erzählungen vieler Hörer bewogen mich dazu. Ich wollte mir sozusagen mit eigenen Augen die andere Seite der Medaille betrachten, bevor ich die Erwartungen meiner Hörer erfüllte, etwas öffentlich dazu zu sagen.
Also – Anmeldung ausgefüllt, Freimarke drauf – und abgeschickt.
Die Buchungsbestätigung erfolgte prompt.
Alles ohne Absender, versteht sich. Nur eine Telefonnummer war vermerkt. Für eventuelle Absagen. Die Rufnummer entpuppte sich als der Amtsanschluß des Busunternehmens. Der Veranstalter blieb in der Dunkelheit verborgen.

Morgens um kurz nach sieben kam der Bus angerollt. Ein im Nordwesten Deutschlands bekannter Name prangte auf der Außenhaut des modernen Reisebusses. ‚Stoffregen’ stand an allen vier Seiten in großen Lettern. Das erweckt auf jeden Fall schon mal Vertrauen.
Ein überaus freundlicher Fahrer verlangte höflich – aber ebenso bestimmt – von jedem einsteigenden Fahrgast 8.- Euro. Die Freude auf die kostenlose Fahrt war damit schon mal umsonst gewesen. Da stimmte zumindest schon einmal ein Wort der Einladung. Um es vorwegzunehmen – es blieb bei diesem einem Wort der Übereinstimmung zwischen Einladung und Ablauf.
Selbst der Fahrer des Busungetüms wusste zu diesem Zeitpunkt angeblich noch nicht, wo die Reise hinführte. Das Ziel werde ihm unterwegs übermittelt – wozu doch die moderne Telekommunikation nicht alles gut ist.
Die Fahrt ging in die weitere Nähe von Walsrode. Vogelpark hatten die meisten Fahrgäste spontan im Kopf. Im Stillen zeigte der Buslenker diesen Fahrgästen ganz bestimmt einen Vogel, denn daß er so ahnungslos war, wie er es vorgab zu sein – also, das konnte er Leuten erzählen, die ihre Hosen mit der Kneifzange anziehen.
Hatte sich was mit Vogelpark. Hase und Fuchs hätte man höchstens ausmachen können, wenn es etwas später gewesen wäre. Beim Gutenachtsagen zum Beispiel. Der Zielort lag nämlich so einsam – es langweilten sich sogar die Chausseebäume.
Fulde stand auf dem Ortsschild. Zwei Bauerngehöfte und ein Gasthaus scharten sich darum herum. Es gab kein Gedränge in der Landschaft – die drei Anwesen hatten ihre liebe Not, den Kreis um die Ortstafel zu schließen. „Gasthof zur Eiche“ stand bescheiden auf dem grauen Putz am Giebel. Das Gasthaus war geschlossen – Ruhetag, hieß es. Ich denke, es war eher eine Vorsichtsmaßnahme – aus der Erfahrung heraus. Enttäuschte und aufgebrachte Pilgerfahrer können nämlich ganz schön rabiat sein. Wir wurden in den Saal geführt – durch einen Nebeneingang. In einen Saalbau mit dem verblichenen Charme schon längst vergangener Nachkriegstage. Das Interieur stammte augenscheinlich aus dem Bestand der wandernden Wehrmachtstheater unseliger Zeiten. Nach der langen Busfahrt drängte es Weiblein und Männlein auf die Toiletten. „Toiletten draussen vor dem Saaleingang“ war auf einem Pappschild zu lesen. Die Kloschüsseln und Pinkelbecken standen zwar nicht im freien Gelände – doch die Temperatur zwischen den Wänden um sie herum war genau die gleiche. Es fehlte wahrlich nicht viel, und der Urinstrahl wäre gleich nach verlassen der Körperöffnung zu Eis erstarrt. Äußerst unangenehme Gefühle verstaute so manch einer nach dem verrichten der Notdurft in seiner Unterwäsche.

Die Begrüßung fiel genauso frostig aus. Das vollmundig angekündigte „Schlemmer-Buffett“ entpuppte sich als ein Brötchen, eine Miniwurst- und Käsescheibe, einem Tüpfelchen Streichfett und einem gekochten Ei – nebst einer Tasse Kaffee (Zichorie ???)
Für alles andere wurden die „eingeladenen“ Reiseteilnehmer zur Kasse gebeten. Und zwar kräftig. Da die Mehrheit wegen der frühen Morgenstunde, und des versprochenen Schlemmerbufetts, reichlich nüchtern war, hat es sich denn auch für die Wirtsleute gelohnt. Für ein Tellergericht als Mittagessen – mit einigem Wohlwollen als Füllung für einen hohlen Zahn zu betrachten – waren sage und schreibe 8.- EURO zu entrichten. 16.- Deutsche Mark sind da immer noch verständlicher.
Der Wortschwall des „Promoters“ hagelte förmlich auf die Menschen im Saal herunter. Er quatschte die meist älteren Leute schlicht und ergreifend „dumm und dämlich“. Er pries geschult und wortgewaltig Produkte an, bei deren Preis/Leistungsverhältnis jedem einigermaßen offenem Auge und Ohr gelinde gesagt schlecht werden mußte. Das einzige Präsent, das in der Tasche eines jeden Teilnehmers die Rückfahrt antrat, war ein fünf Cent Schlüsselanhänger. Allerdings wurde dieses „Präsent“ erst im Bus von dem freundlichen Fahrer verteilt – im Auftrage der Veranstalter. Auch ganz sicher eine Vorsichtsmaßnahme.
Alles in allem war es eine miese Veranstaltung, die meines Erachtens nur das Prädikat Lug und Trug verdient.

ewaldeden

Übrigens: Der zum Kasse machen erschienene Hinterboß aus Bremen war über meine Anwesenheit nun gar nicht erfreut…
Bei einer früheren Gelegenheit war ich ihm schon mal im Halse steckengeblieben, als er mich schlucken wollte. Mir gegenüber hat er sich dann notgedrungen vornehme Zurückhaltung auferlegt (vielleicht wollte er damit den für den nächsten Tag im Radio vorgesehenen Bericht beeinflussen) – dafür dann aber den jungen Mitarbeiter aus seiner Knüppelknechtmannschaft – der mir sein Okay für meine Anwesenheit gegeben hatte – umgehend rausgeschmissen hat.

ee

Bürgerreporter:in:

Ewald Eden aus Wilhelmshaven

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

36 folgen diesem Profil

10 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.