Zwei UHUs auf dem Elberadweg...

...wie ein blaues Band
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Der viel befahrene Elberadweg gehört zu den beliebtesten Radwegen in Deutschland. Trainierte Radsportler bewältigen die ca. 800 km lange Strecke von Cuxhaven bis nach Bad Schandau schon in zehn Tagen. So überholen uns auf unserer Fahrt auf dem Elbdeich immer wieder dynamische, wie für die Tour de France ausgerüstete Urlauber und Jungrentner. Wir siebzigjährigen UHUs dagegen lassen uns Zeit und genießen die Langsamkeit, die uns das Alter ermöglicht. In der Hoffnung auf Rückenwind aus Nordwest beginnen wir unsere Fahrt in Hitzacker und fahren Richtung Südost. Der Wind aber weht von vorne - bei 30 ° immerhin eine leichte Erfrischung.

Die Elbe schlängelt sich in Sichtweite wie ein blaues Band durch Auenwälder. Im Biosphärenreservat Elbaue laden einige hinter den Deich geduckte und reetgedeckte Hofcafés zu einer Pause ein. Bei einem halben Liter Radler sind Graugänse und Weißstörche gut zu beobachten. Dann wieder lässt ein efeuumrankter Grenzturm, zu einer Ferienwohnung umgebaut, Erinnerungen an die Öffnung der innerdeutschen Grenze vor 20 Jahren wach werden.

Geschichtsträchtigen Dörfern und Städten in Elbnähe sind die Spuren ihrer Vergangenheit anzusehen, aber auch die Verletzungen der Gegenwart. Verwaiste Gaststätten und Läden stehen neben liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern. Ältere Einwohner, denen wir begegnen, klagen darüber, dass so viele jüngere ihr Glück im Westen suchen müssen und nicht zurück kommen. Es fehlen Arbeitsplätze in der Umgebung.
In Lenzen wird das Hotel „Stadt Hamburg“ zum Verkauf angeboten. Die Wirtsleute, die uns mit einem reichhaltigen Frühstück versorgen, sind traurig darüber, dass eine 125-jährige Familientradition abbrechen wird. Am Rande des menschenleeren Marktplatzes steht die Kirche. Evangelische Kirchen sind ja meistens geschlossen. Nicht so in den Gemeinden am Elbradweg.

In St. Katharinen in Lenzen begrüßt uns Norbert Nussbaum. Er sorgt zusammen mit elf anderen Mitstreitern dafür, dass die Kirche regelmäßig für Besucher offen ist. Horst Jäkel macht das gleiche in einem Kreis von Gemeindemitgliedern in der Klosterkirche Barsinghausen. Die beiden tauschen Erfahrungen aus. Norbert Nussbaum erzählt uns Geschichten aus der Vergangenheit der Kirche. Zum Beispiel die, dass in der hölzernen Vorgängerkirche im Mittelalter ein slawischer Fürst erschlagen worden ist, weil er sich taufen ließ. Die Prignitzer hätten sich damals lange gegen ihre Missionierung zum Christentum gewehrt.
Jetzt aber sind sie stolz auf ihre wunderschöne Kirche. Besonders die Orgel ist hörenswert. Sie enthält noch Register des berühmten Arp Schnitger, der im 17. Jahrhundert zahlreiche Barockorgeln in ganz Norddeutschland baute. Man müsse eigentlich zum "Lenzener Musiksommer" bleiben und dem Konzert für Orchester und Panflöte zuhören, das in einigen Tagen stattfinde, meint Norbert Nußbaum. Wir bedauern, dass wir weiter wollen.

Nur ein paar Gehminuten von der Kirche entfernt liegt die Burg Lenzen. Von ihrem Turm aus kann man weit über die Elbe bis nach Niedersachsen hinein sehen. Dieser Blick nach Westen war zu DDR-Zeiten den treuen Veteranen der SED vorbehalten: die Burg war ein Feierabendheim für verdiente Genossen. Für einen symbolischen Euro ist sie nach der Wende an den „Bund für Naturschutz – BUND“ verkauft worden. Sie beherbergt ein Tagungshotel mit Burgrestaurant und das „Europäische Zentrum für Auenökologie, Umweltbildung und Besucherinformation“.

Es ist sicher nicht allein die sommerliche Hitze, die uns und andere Radwanderer während der weiteren Tour in die kühlen Kirchen hinein führt. Die Gemeinden am Elbradweg bieten ihre Kirchen den Radtouristen als Räume der Stille und Besinnung an. Texte zu Gebet und Meditation liegen bereit.
In der Kirche von Strehla werden die Besucher z.B. mit folgendem Text zum Nachdenken angeregt: „Ich habe eine Kirche besichtigt, wie man ein Museum oder ein Schloss besichtigt....Aber habe ich auch einen Gedanken dafür gehabt, warum diese Kirche unter so viel Mühen gebaut und instand gehalten wurde? Ist mir klar geworden, dass diese Kirche ein Gotteshaus ist seit mehr als 800 Jahren? Dass hier seit mehr als acht Jahrhunderten bis heute Frauen, Kinder und Männer aus Strehla Gottes Wort gehört, die Taufe und das Abendmahl gefeiert, zu Gott gebetet und ihm gedankt haben? Habe ich an Gott gedacht, auch wenn ich ihn nicht kenne? Habe ich ein Gebet gesprochen, .....auch wenn ich nicht weiß, ob es jemand hört? Warum versuche ich es nicht einfach mal?? (nach Paul Roth)“

Die Außengelände der Radfahrerkirchen sind gastfreundlich gestaltet. Radler können ihre Räder abstellen, finden Tische und Bänke vor und haben Zugang zu Trinkwasser und Toiletten. Die „1. Deutsche Radfahrerkirche“ hat im Jahre 2003 in Weßnig/’Sachsen am Elbradweg ihre Tore geöffnet..

Einige der Kirchen am Elbradweg können vermutlich deshalb geöffnet werden, weil „Ein-Euro-Kräfte“ zu Kirchenführern geschult und eingesetzt werden. Nicht immer finden sich Ehrenamtliche, die ein Gotteshaus von morgens bis abends für Besucher zum Schauen und Besinnen offen halten. Da erinnert man sich noch gerne an die voll besetzten Räume der Kirchen während der Wendezeit. „Wie die verirrten Schafe kamen sie, rückten eng zusammen und suchten nach Orientierung in verwirrender, aber hoffnungsvoller Zeit“, stellt einer der Kirchenführer wehmütig fest.....

Die echten Schafe treffen wir dann später auf dem Deich zwischen Havel und Elbe. Sie suchen Schutz vor der Hitze im Schatten der Bäume. Erst als eine schöne Schäferin ihnen einen neuen Weideplatz einzäunt, brechen sie von zwei Hunden als Herde zusammen gehalten blökend auf zu neuen Ufern.

Zwischen Havelberg und Arneburg verlassen wir das sommerliche Idyll auf den Deichen des Elbweges und befahren eine Alternativroute. Sie führt durch ein Gewerbegebiet. Links des Weges beobachten wir den Abbruch der Reaktoranlagen des in DDR-Zeiten nie fertig gestellten Kernkraftwerks Stendal. Rechts vor uns ragt der Turm einer neu entstandenen Zellstofffabrik in den blauen Himmel. In den Dörfern und Städten fallen uns die roten x-förmigen Kreuze auf. Während wir uns bei einem halben Liter"Radler" erholen, erzählt uns die Wirtin, das seien Zeichen des Protestes gegen ein geplantes Kohlekraftwerk, das die RWE dort errichten will. Befürworter argumentieren mit den neuen Arbeitsplätzen, die geschaffen werden, Gegner befürchten zu starke Beeinträchtigungen der Lebensqualität durch die Eingriffe in die Naturlandschaft. Sie selber könne sich schwer für eine der beiden Sichtweisen entscheiden. Neue Arbeitsplätze bingen ihr neue Gäste aus der Nachbarschaft, eine beschädigte Natur weniger Touristen.

Wir aber sind auf der Durchreise und dürfen uns sorgenfrei weiter an dem Elberadweg mit seinen Sehenswürdigkeiten erfreuen. Und die gibt es in reichlichem Maße. Wir freuen uns zunächst auf Arneburg und wollen dann weiter in die alte Kaiserstadt Tangermünde.

Bürgerreporter:in:

Dirk Steffens aus Wennigsen

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