Landsynagoge Roth erhält ersten Förderpreis Hessische Heimatgeschichte

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Synagoge als Mittelpunkt des Dorfes
Dienstag, 6. Februar 2007

150 Jahre altes Gotteshaus in Roth mit kulturellem Leben gefüllt - Arbeitskreis erhält als Anerkennung ersten Förderpreis Hessische Heimatgeschichte

Von Gesa Coordes ROTH.

Weil sie die Rother Synagoge bei Marburg zu einem Lernort für Schüler und zu einem lebendigen Mittelpunkt des Dorfes gemacht haben, sind die Mitglieder des Arbeitskreises Landsynagoge Roth mit dem ersten Förderpreis Hessische Heimatgeschichte ausgezeichnet worden.

"Macht daraus nicht nur einen traurigen Ort", hat Herbert Roth den Freunden des früheren jüdischen Gotteshauses aufgetragen. Der 84 Jahre alte Mann gehört zu den wenigen Rother Juden, die den Holocaust überlebt haben. Regelmäßig reist der in die USA emigrierte Mann noch in sein altes
Heimatdorf, wo er einst der letzte Jugendliche war, der seine Bar Mitzwa in der Synagoge feierte. Heute lebt kein Jude
mehr in Roth.

Von der einst großen jüdischen Gemeinde des 850-Seelen-Dorfes zeugen nur noch der jüdische Friedhof und die 150 Jahre alte Synagoge, die in der Reichspogromnacht nur deshalb nicht in Flammen aufging, weil angrenzende Bauernhöfe gefährdet gewesen wären. Nach dem Krieg wurde das Gotteshaus zunächst zur Schreinerwerkstatt, dann mit Brettern vernagelt und als Scheune benutzt.

Der Kreis unter dem damaligen Landrat Kurt Kliem (SPD) musste eingreifen, damit die verwahrloste Synagoge renoviert
werden konnte. Die Dörfler fürchteten nämlich, dass nach einer Sanierung das Geld für ein neues Bürgerhaus fehlen würde. Es
dauerte viele Jahre, bis die abwehrende Haltung in Roth bröckelte.

Der 1996 gegründete Arbeitskreis, dem auch Kliem angehört, wird bis heute zur Hälfte von Zugezogenen getragen. Es gebe
immer noch Leute, die einen Besuch der Synagoge grundsätzlich ablehnen, weiß Vorsitzende Gabriele Schmitt.

Doch im Laufe der Jahre habe sich viel verändert. Die Lehrerin, die an der benachbarten Gesamtschule Niederwalgern unterrichtet, hat das Gotteshaus gemeinsam mit ihren Mitstreitern vor allem für Schüler geöffnet. Schließlich lässt sich an der 1998 wieder eröffneten Synagoge gut ablesen, dass der Holocaust gleich nebenan stattfand. Bis heute zeigen tiefe Kerben an den tragenden Säulen der Frauenempore, wie in der Reichspogromnacht mit gewaltigen Axtschlägen versucht wurde, die Synagoge zu zerstören.

An der Wand lässt sich erkennen, wo der zerschlagene Thoraschrank stand, der mitsamt den Thorarollen auf die Straße flog. Überreste des blauen Himmels mit den goldfarbenen Sternen an der Decke
sowie die hebräischen Inschriften an der Wand wurden nur erhalten, nicht retuschiert.

Die Schüler suchten nach den Spuren der jüdischen Jugendlichen. Seit 2005 ist ihre Ausstellung, die von den emigrierten und ermordeten Juden erzählt, in einem Zentrum für jüdische Forschung im US-amerikanischen Springfield (Massachusetts) zu sehen.

Jugendliche gruben Mauern und Stufen der ehemaligen Mikwe hinter der Synagoge aus und formten Mosaikbilder aus den gefundenen Scherben. Für die dauerhafte Freilegung und den Schutz des rituellen Frauenbades soll das Preisgeld von 1500 Euro verwendet werden. Angehende Maurer, Zimmerer, Dachdecker und Sanitärinstallateure der Berufsschule bauten ein Nebengebäude für Toiletten und Lagerräume. Im vergangenen Jahr fertigten die jungen Erwachsenen ein Modell der Synagoge und entwickelten einen Bastelbogen, mit dem Kinder das Gotteshaus selbst nachbauen können. Die Jugendlichen kamen zu Gedenkveranstaltungen und zu Zeitzeugengesprächen.

Die Synagoge wird aber auch mit Vorträgen, Lesungen, Kammermusik, israelischen Tänzen und Ausstellungen belebt.

Dafür hat der Arbeitskreis bereits den Hessischen Denkmalschutzpreis und den Otto-Ubbelohde-Preis erhalten.

Dass nun noch der Förderpreis Heimatgeschichte hinzukommt, beflügele sie, freut sich Schmitt.
*
Die Öffnungszeiten der Synagoge finden Sie unter http://www.landsynagoge.de

Bürgerreporter:in:

Marco Koch aus Fronhausen

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