Falsche Aussprache – und Du hast gleich verloren

Leider hat meine Kamera nur die Rücken der Ehrengäste gesehen. Mein Lehrmeister in puncto Aussprache, Eltzes Ortsbürgermeister Hans-Hermann Brockmann, sitzt in der Mitte des Quintetts (stand bis Ende Juli fälschlicherweise Sextetts).
  • Leider hat meine Kamera nur die Rücken der Ehrengäste gesehen. Mein Lehrmeister in puncto Aussprache, Eltzes Ortsbürgermeister Hans-Hermann Brockmann, sitzt in der Mitte des Quintetts (stand bis Ende Juli fälschlicherweise Sextetts).
  • hochgeladen von Clemens Wlokas

Bisher habe ich in meinem Leben die Bedeutung des Small Talks eher gering geschätzt. Das, lieber Small Talk, wird mir in Zukunft nicht wieder passieren. Dafür musste ich nun 57 Jahre alt werden und erst die östlichste Uetzer Ortschaft Eltze kennenlernen.

Mit dem Kopf sind die Eltzer der Region Hannover verbunden, mit Bauch und Herz gefühlt aber mehr dem Peiner Land. Einen solchen Zwiespalt kann ich als Badener, der seit bald drei Jahrzehnten im Herzen Niedersachsens lebt, allerdings sehr gut nachempfinden.
Also, wäre vor den Eröffnungsworten zum Jubiläums-Festakt des Eltzer MTV-Vorsitzenden Herwig Bauschmann nicht ein kurzes Shakehands mit Ehrengästen gewesen, ich hätte meine Grußworte als Botschafter von myheimat an diesem Abend schon nach wenigen Silben abbrechen dürfen und wäre mit Schimpf und Schande aus der Gemarkung verbannt worden. So jedenfalls habe ich meinen Lehrmeister verstanden.

Das Händeschütteln mit Uetzes Bürgermeister Werner Backeberg klappte noch prima, nicht ganz so reibungslos verlief die Auftaktbegegnung mit Eltzes Ortsbürgermeister Hans-Hermann Brockmann. Dieser Hüne, obschon ein Gemüt von einem Mensch, ist von seiner Statur zu imposant, als hätte ich mir in dieser Situation ein Widerwort erlaubt.

Wenn ich es richtig gegoogelt habe, verhilft dem Uetzer Flecken das T im Namen zu einem Alleinstellungsmerkmal. Ohne diesen Buchstaben ist der Name den Enzyklopädikern durchaus nicht nur als Ortsmarke geläufig und eher ein Begriff. Doch in der heutigen, schnelllebigen Zeit geht eben nichts über ein Alleinstellungsmerkmal.

Mein Fehler war, dass ich es wagte, den Ortsnamen trotz des zusätzlichen Buchstabens so auszusprechen, wie ich es aus meinem früheren Leben gewohnt gewesen bin. Als Redaktionsleiter der Leine-Nachrichten in Laatzen habe ich auch den Landstrich des benachbarten Landkreises Hildesheim bisweilen journalistisch beackert, der sich zwischen Sarstedt und Gronau mehr oder weniger an der Leine erstreckt. Und dort findet sich (auch) ein Elze. Die kleine Stadt lässt sich mit einem nach Lust und Laune breit gedehnten E vortrefflich artikulieren. Die Eltzer hingegen, und Brockmanns Unterweisung war an dieser Stelle unmissverständlich und sein entsetzter Blick nach meinem Fauxpas schien zu keinerlei Kompromiss aufgelegt, hauchen ihr E kurz, aber prägnant. Als wäre das L wichtiger, das einen Vokal lediglich zur Illustration, zur sprachlichen Lautmalerei benötigt, bevor die ganze Aufmerksamkeit dem pronocierten T gilt und das Ganze mit der nicht bedeutungslosen Endsilbe ausklingt. Das T markiert schließlich das Alleinstellungsmerkmal, den selling point dieser 1500 Einwohner großer Ortschaft.

Nun, getreu nach Sigmund Freud passieren dann im wirklichen Leben genau die Dinge, die man im tiefsten Herzen zu vermeiden sucht. Also, bat ich mich inständig, während des gut einstündigen Wartens auf meinen Auftritt, mir eine Freudsche Fehlleistung zu ersparen. Und später, am Rednerpult, war mir nichts wichtiger als das, und all der vortrefflich zurechtgelegte Inhalt wurde zur bloßen Nebensache: Bloß um Gottes willen Eltze nicht falsch aussprechen. Es gelang, es ging nichts schief. Gleich bei der ersten Bewährungsprobe zelebrierte ich geradezu die Kürze des Anfangsbuchstabens.

Und ein Blick auf meinen unbeugsamen Lehrmeister gab mir Selbstvertrauen: Brockmann nickte mit der Genugtuung eines alten Hasen, der wieder einmal einem etwas flapsigen Zögling mit Erfolg den richtigen Weg gewiesen hatte. Sogar eine Spur Anerkennung, ja Sympathie für den Fremdling aus der myheimat-Welt lag in seinem Blick. Ich war gerührt, hatte an diesem Abend gewonnen und durfte mir im Laufe meiner wenigen Sätze sogar einmal ungestraft einen Patzer erlauben. Im Gefühl des sicheren Sieges hatte ich für Sekundenbruchteile die Konzentration aufs Spiel gesetzt und war eine Spur überheblich geworden, und schon rutschte ein Eltze aus meinem Mund, das eher nach dem Geschmack der Bewohner des Leinetals war. Wäre mir das gleich zu Beginn passiert, hätte die Heide gewackelt. Aber dieser Lapsus zwischendurch, der mir nur dieses eine winzige Mal passierte, blieb folgenlos. Vielleicht habe ich ihn ja auch nur ganz allein bemerkt.

Bürgerreporter:in:

Clemens Wlokas aus Springe

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