Kann denn Unwahrheit Wahrheit sein?

Büste Heinrich Göbel am Springer Amtsgericht



„Abschied von Lügenlampenhausen“

So titelte der Deister Anzeiger am 22. März 2018 auf Seite 1 des Springe-Teils. Mit journalistischer Freiheit ist diese Headline-Entgleisung der Redaktion nicht zu entschuldigen. Sie ist ein Schlag ins Gesicht aller Springer, ob sie nun Göbel-Anhänger sind oder nicht.

Nun, kurz vor seinem 200sten Geburtstag ist wieder ein polemischer Kessel Buntes angerichtet worden. Ohne weiter auf die Entgleisung eingehen zu wollen: auch Kritiker von Heinrich Göbel kommen an bestimmten Tatsachen nicht vorbei. Bis 2006 galt Göbel auch über Springer Grenzen hinaus als Erfinder der Glühlampe. Die Springer waren stolz auf den Sohn ihrer Stadt, den es nach Amerika verschlug.

Allerdings – mit Binsenweisheiten kommen wir beim Thema Heinrich Göbel nicht weiter. Deshalb möchte ich gleich zur Sache kommen. Bewiesen ist, dass der 75-jährige Heinrich Goebel 1893 als Zeuge in einem Patentprozess gegen Edison zur Sache befragt wurde. Nicht Goebel hatte den Patentstreit geführt, sondern Edison gegen Konkurrenten in Amerika, die das mit dem Patent verbundenen Glühlampenmonopol zerschlagen wollten. Aus gutem Grund: Man konnte inzwischen Strom in beliebiger Menge produzieren, man war nicht mehr allein auf Batterien angewiesen, man konnte Stromnetze bauen und damit Licht „ins Haus“ bringen. Kurzum, für Edison und andere clevere Geschäftsleute in Amerika war es greifbar, dass man mit Glühlampen klotzig reich werden konnte.

Die industriellen Gegner Edisons verloren den Prozess und nicht Goebel. Goebels eidesstattliche Aussage, dass er das Prinzip der Kohlefadenlampe entdeckt haben wolle, wurde vom Gericht zwar bezweifelt, aber nicht als Unwahrheit erkannt. Wie sollte ein Gericht auch zweifelsfrei entscheiden, ob Göbel zur Zeit seiner Experimente tatsächlich im Labor mit Kohlefäden, Glaskörpern und galvanischen Zellen als Stromlieferanten am elektrischen Licht arbeitete. Dass er Glühlampenexperimente mehr oder minder erfolgreich durchgeführt hatte.

Heinrich Göbel war ein absoluter Außenseiter in der Reihe der Erfinder. Er verfügte weder über E-Mail, Internet, Twitter oder Facebook und Fachliteratur gab es nur spärlich. So blieb er ein Nobody. Vor dem Hintergrund mangelnder stichhaltiger Gegenbeweise wurde Edisons Patent schließlich gerichtlich bestätigt. Man hätte sich diese Show auch sparen können, denn kurz darauf war das Patent ohnehin ausgelaufen und Heinrich Göbel starb kurz nach dem Prozess.

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Goebel wie auch Edison, wenn es um das Prinzip der Glühlampe geht, lediglich Miturheber waren in der Reihe jener namhaften Persönlichkeiten, die sich um die elektrische Beleuchtung verdient gemacht haben.

Es lag nicht in der Hand Göbels, dass die Nazis ihn für Propagandazwecke missbrauchten und er auf diesem Wege zu einer Springer Leitfigur wurde. Richtig ist, dass Goebel im Gegensatz zu Edison in der einschlägigen deutschen Fachliteratur gleich nach 1900 nicht erwähnt worden war. Aber: Weder Heinrich Goebel noch seine Anverwandten haben den Mythos Goebel gewollt und auch nicht initiiert. Allein Herr Rohde glaubte erkannt zu haben, dass mit Goebel etwas faul sein müsste, als er das in Springe bekannte Todesdatum Goebels mit dem der New Yorker Sterbeurkunde verglich. Zitat Rohde Deister Anzeiger vom 24. Januar 2007: „Für einige sind zwölf Tage Unterschied eine Kleinigkeit. Für mich war das ein Skandal“. Dieser „Skandal“ war sicherlich die Geburtsstunde der „Göbel-Legende“, mit der Hans-Christian Rohde seine Dissertation überschrieb.

Halten wir fest: Die Dissertation stützt sich in der Hauptsache auf Literarturfragmente und Gerichtsurteile ab, die nicht beweisen, das Goebel ein Hochstapler gewesen ist. Die Arbeit unterlässt es auch, Goebel in seinem soziokulturellen Umfeld zu beschreiben, sondern versucht ihn als „Aufschneider“, als Asozialen, abzustempeln. Es gibt genügend stichhaltige Hinweise dafür, dass der Autor der Legende häufig an der wissenschaftlichen Wahrheit vorbei interpretiert hat. Daher sind Zweifel an der Arbeit also angebracht. Das gilt auch für den redaktionellen Beitrag über Göbel am 22. März 2018 im Deister Anzeiger.

Tatsache bleibt, dass Göbel Mitte des 19. Jahrhunderts Glühlampenexperimente durchgeführt hat. Daran kommt auch der "Legenden-Verfasser" nicht vorbei. Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, Heinrich Göbel zu den Pionieren der Glühlampe zu zählen. Wer etwas anderes behauptet, betreibt Geschichtsklitterung 

Wenn die PR-Strategen Probleme damit haben sollten, Heinrich Göbel als Erfinder der Glühlampe zu würdigen, hier ein Alternativvorschlag:  Heinrich Göbel ist ein Sohn unserer Stadt und „Einer der Pioniere des elektrischen Lichts“.

Bürgerreporter:in:

Friedrich Schröder aus Springe

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