Hans Martin Ritter und seine literarische Performance über das Theater

17. März 2011
19:30 Uhr
Amtsgericht, 31832 Springe
Der großartige Hans Martin Ritter
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Der Kulturkreis Springe hatte Hans Martin Ritter und uns am 17. März eingeladen. Er sollte uns das "Abenteuer: Theater" näher bringen, und viele, viele kamen. Der Saal des Amtsgerichts war bis auf den letzten Platz besetzt.
Ich konnte mir unter einer "literarischen Performance" so recht nichts vorstellen. Wird es eine Lesung sein, oder wird Theater gespielt? Ich war gespannt!

Und dann betrat Hans Martin Ritter aus Berlin den Saal - Professor, Theaterpädagoge, Sprechwissenschaftler, Bühnensprecher und -sänger, Pianist, Regisseur, Soloschauspieler ...... Graue Hose, graues Hemd, schwarzes Jackett, Brille und, als einziges Requisit, ein Buch in der Hand.

Also doch eine Lesung, dachte ich. Er stellte sich vor die Schranken des Gerichts, gab uns eine kurze Einführung, öffnete das Buch und fing an zu lesen - drei bis vier Sätze nur. Dann legte er das Buch zur Seite, und alles, was in den nächsten fast zwei Stunden folgte, entsprang nur seinem Kopf. Einfach großartig!

Er begann mit "Über das Marionettentheater" von Heinrich von Kleist. Er war der Tänzer und die Marionette, seine Hände hingen an Bindfäden, er machte den schwierigen Text so lebendig, dass alle gebannt an seinen Lippen hingen. Es ging um die innere Präsenz und "Grazie" im Augenblick des Handelns.

Danach tänzelte er graziös als die kleine "Muz" von Alfred Polgar über die "Bühne" des Gerichts.

Und dann Rainer Maria Rilkes "Maskenspiele", worin Gesicht und Maske ununterscheidbar ineinanderwachsen. Die Figur verliert, verkleidet, sich selbst hinter der Maske, bis sie bewusstlos zusammenbricht.
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es im Saal. Fast atemlos lauschten wir der dramatischen Geschichte und sahen gebannt dem wunderbaren Spiel des Mannes zu, der vor dem imaginären Spiegel seine Verwandlungen vollzog.

Es folgte ein "Kleines Märchen" von Robert Walser und dann "Blut und Sand" von George Tabori. Letzteres spielt im Zirkus und ist komisch. Ritter und Tabori brachten das Publikum zum Lachen über den kleinen Jungen, der sich vor Aufregung in die Hose macht, als die Trapezkünstlerin auf die Plattform klettert. Beim Salto Mortale stürzt sie ab und kracht durchs Netz. Für Jahre glaubt der Junge, dass es im Zirkus immer so ist: "Eine Frau klettert hoch, lächelt, die Zuschauer machen sich in die Hose, sie schwingt los und fällt, jede Nacht, um dort unten in einer Pfütze von Blut und Sand zu liegen".

Nach der Pause trug Hans Martin Ritter das traurige Gedicht "Der Tod des Schauspielers" vor, das den realen Tod auf der Bühne zum Inhalt hat. Es wurde geschrieben von dem leider so früh verstorbenen Georg Heym.

Danach folgte "Die Bestie" von Bertolt Brecht, wieder eine schauspielerische Glanzleistung von Ritter. Hier "spielte" er in verteilten Rollen in einem russischen Filmstudio den Filmschauspieler, Regisseur und armen Mann aus dem Volke, der dem Despoten, der Bestie, ähnlich sieht. Es geht im Wesentlichen um den Widerspruch zwischen Kunstfigur und authentischer Person.

Das Abenteuer: Theater endete mit einer kurzen und wieder lustigen Geschichte von Alfred Polgar "Natur und Kunst", worin eine schwarz-weiße, lebendige Kuh in einer Kunstkulisse eine Rolle spielte.

Der Beifall wollte nicht enden, so dass uns Hans Martin Ritter noch eine schöne, poetische Geschichte von Hans Christian Andersen schenkte. Sie handelte von dem tragisch verliebten Clown Pulcinella, über den die Menschen lachten, auch wenn er weinte.

Danke, Hans Martin Ritter, für diesen wundervollen Abend!

Bürgerreporter:in:

Irmgard Richter-Brown aus Springe

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