Museumsleiterin Erika Turek: Seelze ist keine Kulturwüste

Erika Turek | Foto: Erika Turek

Erika Turek ist die Museumsleiterin des Heimatmuseums Seelze, das im nächsten Jahr das 20-jährige Bestehen feiert, und stellvertretende Vorsitzende des Museumsvereins für die Stadt Seelze. Im E-Mail-Interview erklärt sie, was den Museumsverein auszeichnet und sie verrät, welche Ausstellungen und Aktionen 2011 geplant sind.

Frau Turek, Sie sind die Leiterin des Heimatmuseums Seelze und stellvertretende Vorsitzende des Museumsvereins für die Stadt Seelze. Was zeichnet den Museumsverein aus? Und wo zwickt es?

Wir sind ein aktiver Verein. Große Sonderausstellungen und sonstige Projekte wurden und werden in Teamarbeit umgesetzt. Es sind überschaubare, zeitlich begrenzte Projekte, und die Arbeit ist auf viele Schultern verteilt. Wir wünschen uns weitere aktive Mitglieder, die Arbeiten übernehmen und in unseren Projekten mitarbeiten. Auch Nichtmitglieder, die sich für ein bestimmtes Ausstellungsthema interessieren, sind herzlich willkommen.

Wenn Sie als Museumsleiterin auf das Jahr 2010 zurückblicken: Wie fällt Ihre Bilanz aus? Was lief gut, was nicht?

Wir konnten wieder interessante Ausstellungen zeigen und damit viele unterschiedlich Interessierte ansprechen. Es gab die Ausstellung über Gesellschaftsspiele mit Spielaktionen, Kunst im Museum, eine Drehorgel-Ausstellung mit außerordentlich seltenen und wertvollen Ausstellungsstücken, die auch gespielt wurden. Und seit September zeigen wir die stadtgeschichtliche Ausstellung „Zuckerrübenanbau im Calenberger Land“, ergänzt mit Zuckerwürfeln aus der Sammlung von Christiane Mohn.
Die Besucherzahlen sind zufriedenstellend.
Nicht so gut besucht wie erhofft waren die Begleitveranstaltungen zu den Ausstellungen. Wir hatten im Rahmen der Ausstellung über Gesellschaftsspiele Spielaktionen im Museum angeboten, die schwach besucht waren. Auch die Drehorgel-Konzerte im Museum fanden nicht so großes Interesse, wie wir erwartet hatten. Vor diesem Hintergrund werden wir das Konzept der Begleitveranstaltungen für die Zukunft überdenken müssen.

Was für Pläne haben Sie mit dem Heimatmuseum im nächsten Jahr?

Wir werden im Jahr 2011 drei Sonderausstellungen haben: "Schätze des Heimatmuseums – was wir haben, wonach wir suchen", "Seelze in alten Ansichten – im neuen Licht" und eine Weihnachtsausstellung zum Thema Märchen.
Wir werden eine Sonderausstellung weniger haben, da wir im Hintergrund an neuen Projekten arbeiten. So müssen wir weiter die Erfassung unserer Sammlungsgruppen vorantreiben. Wir hoffen, dass uns die Ausstellung „Schätze des Heimatmuseum“ noch Fotos, Dokumenten und Objekte für unsere Sammlungen bringt. Auch diese Dinge müssen erfasst werden.
Dank einer großzügigen Spende bekommt das Heimatmuseum im kommenden Jahr eine neue Beleuchtung, die dringend notwendig ist. Die Installation erfolgt größtenteils in Eigenregie und ehrenamtlich, was Arbeitskraft bindet.
Und noch ein weiteres Projekt steht an! Im kommenden Jahr wird das Heimatmuseum 20 Jahre alt. Dieses Ereignis werden wir am Museumstag am 13. August 2011 feiern und würdigen. Voraussichtlich werden sich alle Seelzer Stadtteile aktiv an diesem Fest beteiligen.

Welches ist denn der größte Schatz, den man im Heimatmuseum besichtigen kann?

Es gibt keinen eigentlichen Schatz, kein Highlight im Museum. Es sind das Haus, die Räume und die Ausstellungen, die das Heimatmuseum so besonders machen. Wir dokumentieren und präsentieren unsere Stadtgeschichte, die alle Stadtteile verbindet. Das Motto „Unser Museum ist lebendig“ wurde im neuen Museumskonzept umgesetzt. Wir zeigen exemplarisch, wie die Menschen früher lebten und wohnten. Durch den Einsatz neuer Medien können wir Vergangenes anschaulich vermitteln und erweitern dadurch unsere Ausstellungsmöglichkeiten.

Wie alt ist Seelze eigentlich, und woher stammt der Name?

Das Seelzer Stadtgebiet ist altes Siedlungsgebiet. Schon in der Steinzeit wurden hier Menschen immer wieder sesshaft. Viele Funde, die im Landesmuseum in Hannover archiviert sind, zeugen davon. Eine durchgehende Besiedelung gab es nicht.
Der Ort Seelze, damals noch Selessen, wurde 1180 im Westfälischen Urkundenbuch (II, Nr. 412) erwähnt. Mit der Deutung des Namens tut sich die Wissenschaft schwer. Die Stadt Seelze gibt es erst seit 1977, nachdem die niedersächsische Verwaltungs- und Gebietsreform drei Jahre zuvor aus elf Dörfern eine Großgemeinde geformt hatte.
Die Geschichte der einzelnen Orte zu umreißen, würde hier den Rahmen sprengen. Wer mehr über Seelze und seine Ortschaften erfahren möchte, findet im Heimatmuseum oder im Internet die Geschichte aller Ortsteile. Norbert Saul, ein sehr engagiertes Mitglied des Museumsvereins, hat alles Wissenswerte über die Ortsteile und ihre Geschichte zusammengetragen. Und dokumentiert. Er hütet auch das Stadtarchiv. Ohne ihn und das Archiv würde es viele stadtgeschichtlichen Ausstellungen nicht geben, denn viele Informationen zur Stadtgeschichte wären längst schon verloren.

Wie ist Ihr persönlicher Eindruck: Interessieren sich auch jüngere Seelzer Bürger für die Stadtgeschichte?

Junge Seelzer interessieren sich anscheinend wenig für Stadtgeschichte. Das liegt im Trend und ist Ausdruck unserer veränderten Lebensweise. Auch in den Schulen hat sich in dieser Hinsicht manches verändert. Früher lebten die Lehrer vor Ort. Oft engagierten sie sich in der örtlichen Politik oder in den Sportvereinen und waren so Teil des öffentlichen Lebens und an der Geschichte der Stadt interessiert. Das ist heute anders. Die Lehrer kommen von außerhalb, geben ihren Unterricht und sind wieder weg. Die strammen Lehrpläne lassen kaum Raum für Projekte außerhalb des Lehrstoffes. Bis auf wenige Ausnahmen konnten wir die weiterführenden Schulen in Seelze bisher nicht zur Zusammenarbeit gewinnen. Wir engagieren uns aber gerne, wenn wir von Schulen angesprochen werden.
Ein reger Austausch findet mit der dem Museum benachbarten Brüder-Grimm-Schule statt. Die Grundschulkinder sind eifrige Besucher unseres Museums. Das Heimatmuseum bietet mit seinen Museumslehrern Heimatkundeunterricht und „Schule um 1900“ an. Auch kommen die Kinder in unsere Sonderausstellungen, wenn altersgerechte Themen angeboten werden.
Auch viele Kindergartenkinder kommen zu uns, bevor sie eingeschult werden, um von unseren Museumslehrern zu erfahren, wie es früher in der Schule war. Mit unseren Angeboten zeigen wir den Kindern, dass das Heimatmuseum mit seinen alten Dingen und Geschichten ein spannender Ort sein kann und hoffen, dass wir so den Grundstein für Geschichtsbewusstsein legen.

Mal abgesehen vom Museum: Was macht Seelze lebenswert?

Ich bin 1999 mit meinen Mann nach Letter gezogen. 2002 stellte sich die Frage, ob wir wieder zurück nach Hessen gehen. Aber wir waren beide hier schon so verwurzelt, dass wir geblieben sind. Hier gibt es alles, was man zum Leben benötigt: Bäcker, Metzger, Lebensmittelgeschäfte, Ärzte, Vereine. Man wohnt im Grünen. Hannover ist mit seinem Kulturangebot in der Nähe und die Verkehrsanbindung ist gut. Seelze und Letter haben sich in den vergangenen Jahren gemausert, sind hübscher, attraktiver geworden.

Und was sollte in Seelze besser werden?

Ich würde mir wünschen, dass die finanzielle Situation der Stadt besser wäre, und die Stadtverwaltung mehr finanziellen Spielraum für soziale Einrichtungen, Kultur- und Freizeitangebote für Jung und Alt hätte. Dank des Kulturbüros und des großen ehrenamtlichen Engagements ist Seelze aber keine Kulturwüste, sondern lebenswert.
Ich wünsche mir, dass die Orteile enger zusammenrücken und so das Miteinander noch mehr gefördert wird. Das Obentraut-Fest und das Fest nach dem Umbau der Lange-Feld-Straße in diesem Jahr waren für das Miteinander tolle Veranstaltungen mit viel ehrenamtlichem Engagement, das verbindet.

Sie sind Autorin bei myheimat, dem Mitmachportal der Leine-Zeitung. Warum?

Wann immer ich Zeit habe und es mir wichtig erscheint, kann ich einen Beitrag auf myheimat veröffentlichen.
Außerdem erreiche ich über die Plattform von myheimat viele Menschen über die Stadtgrenzen hinaus, die sich für unser Museum und die Sonderausstellungen interessieren und unser Heimatmuseum ohne die Veröffentlichungen nicht kennen würden. Besucher aus der gesamten Region kommen zu uns.

myheimat-Team:

Annika Kamissek aus Bad Münder am Deister

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