60 Jahre nach Kriegsbeginn - Gedanken zum Hörfunkinterview mit Richard von Weizsäcker

o. li. Oma, daneben ihr früh gefallener Sohn, der jüngere Bruder meiner Mutter
  • o. li. Oma, daneben ihr früh gefallener Sohn, der jüngere Bruder meiner Mutter
  • hochgeladen von Wolfgang Jenke

Mir imponiert, mit welcher Klarheit sich Richard von Weizsächer auch im hohen Alter noch äußert. Wie von ihm gewohnt, kann er immer noch druckreif formulieren und ist, auch aufgrund der Positionen (Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Botschafter im Vatikan von 1938 - 1944) seines Vaters, ein hervorragender Zeitzeuge.
Ein anderer Zeitzeuge ist der bereits verstorbene Autor Walter Kempowski, der in seinem Roman "Tadellöser und Wolff" der deutschen Kriegs- und Nachkriegsgeschichte ein Denkmal gesetzt hat. Nach Jahren der Haft wegen angeblicher Spionage
kam er schließlich frei, und schlug sich als Dorfschullehrer irgendwo in der Lüneburger Heide durch. Gleichzeitig verarbeitete er seine Erlebnisse durch Schreiben und sammelte auch Aussagen anderer Zeitzeugen. Sein berühmtes Zettelkastenarchiev mauserte sich zu seinem Lebenswerk, dem Echolot, das jetzt in Berlin geführt wird und in dem Aussagen aller möglichen Zeitzeugen gesammelt sind. Für kommende Historiker wird dies zum besseren Verständnis der Vorkriegs- Kriegs- und Nachkriegszeit beitragen.
Ich mochte Kempowskis bedächtige Art, die trotz der Enttäuschung über die erst späte Anerkennung einen leisen Humor nicht vermissen ließ.
Heute, im Zeitalter von Internet und www sammeln viele myheimat-Reporter aus allen Gegenden Deutschlands und sogar der ganzen Welt, was er mit seinem Zettelkastensystem allein versucht hat. Es wäre mal interessant zu wissen, ob wir das Lebenswerk von Herrn Kempowski, wenn auch nicht von der Qualität her, sondern von der Anzahl der Beiträge her, inzwischen übertroffen haben.
Im Fernsehbereich hat es auch viele Zeitzeugen gegeben, die der duetschen Geschichte nachgespürt haben. Dieter Kronzucker und Herr Nowottny wären als Männer der ersten Stunde zu nennen, weiter der noch aktive Gerd Ruge, Klaus Bednarz und für den vorderasiatischen Bereich Peter Scholl-Latour. In manchen Fernsehsendungen wurden Unterhaltung und Wissensvermittlung verknüpft. Ich denke da z. B. an Hänschen Rosenthals Sendung "Dalli dalli". Er hatte ja selbst im Nachkriegs-Deutschland einiges zu erleiden, was er uns in einem Buch vermittelte. Auch Kuhlenkampf gehört dazu, der mit seiner Sendung "EINER WIRD GEWINNEN" auch auf die Europäische Wirtschafts Gemeinschaft Bezug nahm.
Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich sind ebenfalls Zeitzeugen, die kein Blatt vor den Mund nehmen und sich nicht verbiegen lassen. Thomas Gottschalk hat sich mit dem alten Herrn ja wieder versöhnt. Schlimm wird es nur, wenn der über 100 jährige Heesters als Zeitzeuge vernommen werden soll und ihn seine geliebte Simone davor bewahren muss, dummes Zeug zu reden.
Ein Großteil der heutigen Jugend kann sich die damalige Zeit nicht mehr vorstellen und gibt sich lieber Ballerspielen hin, anstatt den Dingen auf den Grund zu gehen.
Auch der dienstälteste und am längsten amtierende deutsche Ex-Außenminister hat sich im Hörfunk aus gegebenem Anlaß wieder geäußert. Helmut Kohl sprach von der "Gnade der späten Geburt", die auch meine Mutter noch für sich in Anspruch nehmen kann, erlebte sie doch die Machtergreifung als junges Mädchen, das begeisterungsfähig und naiv beim BDM mitmachte und erst spät dahinter kam, daß nicht alles in Ordnung war, was unter Hitler passierte. Nur wer feinfühlig genug war, wie z. B. meine Oma, konnte wohl auch intuitiv erahnen, was Hitler für ein Mensch war. Sie sagte nie "Heil Hitler" und brachte damit meinen Opa, hochdekorierten Teilnehmer des 1. Weltkrieges, Staatsbeamter und natürlich NSDAP-Mitglied in einige Schwierigkeiten.
Um diese Vorgänge der heutigen Jugend verständlich zu machen, sind die Zeitzeugen wichtig. Darum begüße ich auch die Arbeit in unserer Anno Dazumal-Gruppe.

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Jenke aus Seelze

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