Über das Glück, eine Katze zu lieben

Meine Kindheit verbrachte ich in einem kleinen alemannischen Dorf. Katzen gehörten dort zum Alltag wie Hühner, Kühe, Schweine, Enten und Gänse – waren also nichts Besonderes. Zutraulich waren sie auch nicht, ich sah sie meist nur aus der Ferne beim Milch schlabbern und sobald ich mich ihnen näherte, machten sie sich blitzartig aus dem Staub. Der Begriff „Schmusetier“ traf auf diese Bauernkatzen wirklich nicht zu.
Jahre später legte sich dann ein Freund eine Katze zu, einen Kater, besser gesagt. „Rosso“, so hieß das Mitbringsel aus Italien, und mit ihm konnte man auch schmusen. Er legte sich auf jedermanns Schoß, ließ sich genüsslich den Bauch kraulen und schnurrte dabei wie ein kleines Moped. Allerdings hatte er einen großen Nachteil: er haarte – wie jede Katze. Nach jedem Besuch bei diesem Freund musste ich meine Klamotten erstmal mit der Fusselbürste bearbeiten. Nö, so ein reinigungsintensives Tier ist nichts für mich – dachte ich.
Doch dann habe ich geheiratet, und mein Mann liebte Katzen! Andauernd sprach er davon, wie schön es doch wäre, einen Stubentiger zu haben, und eines Tages kam ich auf die Idee, dem Tierheim einen Besuch abzustatten. Gedacht, getan, und das Ergebnis des Besuches war Putzel, ein rot getigerter, bildhübscher Kater mit Bernsteinaugen. Unser neues Familienmitglied eroberte mein Herz im Sturm, und mit ihm nahm mein inniges Verhältnis zu Katzen seinen Lauf.
Katzen sind eigenwillige Tiere. Ja, das stimmt. Sie machen definitiv nur das, was sie wollen. Aber das macht nichts, im Gegenteil. Wir Menschen, die ständig ohne große Widerworte oft das machen, was andere von uns wollen, könnten uns eine Scheibe von diesem Verhalten abschneiden. Und wahrscheinlich gibt es deshalb auch viele Zeitgenossen, die Katzen nicht leiden können. Denn ich vermute hinter dieser Abneigung den Neid auf ein Wesen, dem sein eigener Wille wichtiger ist als alles andere.

„Katzen sind falsch“, so heißt es auch. So was kann nur jemand sagen, der keine Ahnung von Katzen hat, denn sie sind genau das Gegenteil von falsch. Ihr Verhalten ist klar und eindeutig, sie zeigen unmissverständlich, was ihnen gefällt und was nicht. Und wenn eine Katze einem mal die Krallen ins Gesicht schlägt, dann nicht aus Hinterhältigkeit, sondern deshalb, weil man ihre Signale nicht beachtet hat. Weil man ihr in einem Moment zu nahe gekommen ist, in dem sie ihre Ruhe haben will und das auch deutlich kund tut. Indem sie Töne des Unmut von sich gibt zum Beispiel oder die Augen weit aufreißt oder mit dem Schwanz peitscht. Oder alles zusammen. Das Peitschen mit dem Schwanz ist übrigens grundsätzlich ein Zeichen von Hab-acht, und da sollte man sich als Mensch dann auch tunlichst in Acht nehmen. Wer in so einem Fall mit der Katze auf Tuchfühlung geht, darf sich über blutende Kratzer nicht wundern.

Wer hingegen den Charakter seiner Katze respektiert, wird uneingeschränkt Freude an ihr haben und sehr viele glückliche Stunden mir ihr erleben. So wie ich. Ich teile mein Leben momentan mit vier Katzen. Mit Felix, dem Herrn im Haus. Mit Lieschen, die als Baby in einem Straßengraben gefunden wurde, mit Lili, der ehemaligen Nachbarskatze, die mich vor vier Jahren adoptiert hat und mit Moritz, der mir vergangenen Sommer auf dem Golfplatz über den Weg getippelt ist.

Wie bei den Menschen, hat jede dieser Vier einen anderen Charakter. Felix ist sehr vorsichtig und zurückhaltend. Ertönt zum Beispiel die Türglocke, eilt er davon, um aus einem Sicherheitsabstand zu beobachten, wer da kommt und ob es ratsam ist, zu verschwinden.

Moritz ist ein stets gut gelaunter und verspielter kleiner Kerl, der nachts grundsätzlich neben meinen Füßen schläft.
Lieschen ist ein extrem eigenwilliges Persönchen und liebt das Strawanzen. Im Sommer streift sie mehr durch die Nachbarsgärten als sie zu Hause ist. Ich sehe sie nur zu den Mahlzeiten oder wenn es kühl und regnerisch ist.
Lili dagegen ist extrem anhänglich und ließe ich es zu, läge sie von morgens bis abends nur auf meinem Schoß. Überhaupt hat diese Katze Eigenschaften, die mehrmals am Tag ein Lächeln auf mein Gesicht zaubern. Wenn sie im Tiefschlaf liegt und ich sanft ihr Fell berühre, schenkt sie mir ein kleines „Grrrrd“. Dabei hebt sie ihren Kopf, blinzelt mich kurz an und ringelt sich genüsslich wieder ein. Oder wenn ich nach Hause komme und mit dem Auto in den Hof fahre. Lili kommt immer angetippelt, egal, wo sie gerade war. Sie schmeißt sich erst auf die Erde, wälzt sich im Staub und rennt dann miauend auf mich zu. Je länger ich weg war, desto lauter miaut sie. War ich einen ganzen Tag lang weg zum Beispiel, schreit sie förmlich, so als wolle sie sagen: Wo warst du denn sooo lange? Ist wirklich höchste Zeit, dass du endlich nach Hause kommst!
Und dann hat sie eine weitere niedliche Angewohnheit. Wenn sie so versonnen da sitzt und über das Leben nachzudenken scheint, leckt sie sich das Mäulchen. Ähnlich wie Menschen, die gedankenverloren an den Haaren zuppeln oder am Ohrläppchen herum fummeln, fährt ihre rosarotes Zünglein blitzschnell raus und rein und das immer zweimal. Niemals nur einmal, nein, prinzipiell zweimal. Und sie schüttelt ihr Köpfchen, dass die Öhrchen schlackern. So weiß ich beispielsweise ganz genau, welche meiner Katzen gerade das Zimmer betritt. Ich brauche gar nicht hinzuschauen. Am Schlackergeräusch höre ich, dass Lili im Anmarsch ist.

Eine andere ihrer charakteristischen Eigenschaften ist das ständige Wechseln des Lieblingsplatzes. Ein paar Wochen hindurch liegt sie im Wollkorb. Dann zieht das Kissen unterm Bett sie in Bann. Danach schläft sie zwischen meinen riesigen Tiger-Hausschuhen, die nicht benutzt werden, sondern als Dekoration dienen. Ein anderes Mal wieder liegt sie einige Wochen lang auf dem Schaf (ich habe zwei lebensgroße Schafe im Schlafzimmer, eines steht, das andere liegt – Lili bevorzugt das liegende Schaf). Wenn sie es platt gelegen hat, sucht sie sich wieder einen anderen Platz. Das Bücherregal, den Schrank oder den Fotokoffer. Zurzeit ist das Fax ihr Lieblingsplatz. Und ich weiß auch warum: es ist so schön warm. Wenn es eingeschaltet ist allerdings nur. Oft ist es das nicht, aber seit Lili ihr Faible dafür entdeckt hat, drücke ich jeden Morgen den Einschaltknopf. Ich will schließlich, dass meine Kleine es schön mollig hat.

Irgendwann wird sie ihr Interesse am Faxgerät verlieren und wieder auf dem Terrassentisch liegen. Und dort vorzugsweise in einem Behältnis, einer kleinen Obstkiste zum Beispiel, denn Lili liebt Behältnisse jeglicher Art. Kartons, Koffer, Taschen –
alles, in das sie hineinkrabbeln kann. Kaum steht einer der genannten Gegenstände zum ersten Mal irgendwo – ein kleiner Satz und schon hockt Lili drin.

Setze ich mich abends aufs Sofa, kommt Lili angetippelt. Und das kleine Ritual dabei ist auch immer dasselbe: sie stellt sich auf meinen Bauch und gibt mir einen Nasenstüber, als liebevolle Begrüßung sozusagen. Danach ist der Milchtritt dran, der manchmal bis zu drei Minuten dauern und ganz schön pieksen kann, und erst dann ringelt sie sich ein – auf meinem Schoß. Stehe ich zwischendurch auf, wird sie nicht unwillig, sondern wartet schläfrig, bis ich wieder Platz genommen habe. Und nachts liegt sie bei mir im Bett. Auf der Decke, dicht an meinen Oberkörper gekuschelt, schnurrt sie sich und mich in den Schlaf. Und während ich der schönsten Gute–Nacht–Musik der Welt lausche, zieht ein leises Glücksgefühl durch mein Herz, und ich bin dem Schicksal dankbar, dass es mir die Liebe zu Katzen geschenkt hat.
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Geschichte aus "Das kunterbunte Katzenbuch Nr. 2"
http://www.diekunterbuntekatzenseite.de/blog

Bürgerreporter:in:

Renate Blaes aus Schondorf am Ammersee

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