Die Deutschtürken und der Holocaust

Angenommen,nur einmal angenommen, Cem Ozdemir würde irgendwann der erste deutsche Aussenminister mit Migrationshintergrund- was würde er dann bei seinem Antrittsbesuch in Israel sagen?Würde er vor der Knesset die Sicherheit des jüdischen Staates zum Teil der deutschen Staatsräson erklären?
Und wie würde seine deutschtürkische Community auf solche Auftritte reagieren?
Ufuk Tokara hat z.Bsp. jeden Tag mit dem Verhältnis von türkischen und arabischen Zuwanderern zum Holocaust zu tun.Der 30jährige ist der erste türkischsprachige Historiker im jüdischen Museum in Berlin, der auch Jugendliche herumführt.Wenn er türkischen oder arabischen Schülern die Ausstellung zeigt, wird er oft mit aggressiven Unterton gefragt,"ob er Jude sei".
Ist er nicht!Er hat Geschichte an der Humboldt-Uni studiert.
Von den Naziverbrechen und dem Holocaust wissen diese Schüler so gut wie gar nichts.Die deutsche Geschichte ist nicht Teil ihrer Identität, sie leben in der deutschen Gegenwart.Wenn überhaupt identifizieren sie sich mit der türkischen Geschichte ,vermittelt durch die eigene Familie oder den Moscheenverein ohne kritische Reflexion.So Topkara.
Aycan Demirel gründete vor 6 Jahren die kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA).Als er nach Deutschland kam, war er überrascht, wie sehr politisches Engagement gefördert wurde.Deshalb schockierte es ihn umso mehr, wie feindseelig im türkisch-arabischen Kreuzberg über Juden und Israel gesprochen wurde.Er merkte, wieviele Zuwanderer und ihre Kinder über die deutsche Vergangenheit wissen, und dass sie eine völlig andere Perspektive auf das "Jüdische" in der Welt haben.
So werden Juden nicht als Opfer sondern als Täter wahrgenommen.Als Besatzer,Unterdrücker,als israelische Soldaten, die Palästinenser erschiessen.
Der historische Bezug sei nicht der Mord an sechs Millionen Juden in Europa, sondern die Konflikte im nahen Osten.
In besagten Schulen werden immer wieder die gleichen Fragen gestellt:Warum Juden?Wo ist unsere Geschichte?
Sie kommt nicht vor.
Migranten sind in der grossen deutschen Erzählung nicht vorgesehen.
Aber wie lange kann das bleiben, in einem Land mit mittlerweile über 15 Millionen Menschen, die keine familiären Bezüge zur deutschen Vergangenheit haben?
Verwirrung besteht oft bei muslimischen Jugendlichen, wen sie erfahren ,dass in ihrem Kiez auch einmal Juden lebten.Oft gebe es nur eine fanatische Ablehnung "der Juden".
Demirel erzählt von einem Erlebnis, wo bei einem Fest eine Gruppe palästinensischer Mädchen einen Volkstanz aufführen sollten, und eine Mutter ihrer Tochter das Mittannzen verbat.Als Begründung nannte sie:"Meine Tochter kann sich ohne meine Erlaubnis in Israel in die Luft sprengen, aber nicht ohne meine Erlaubnis an der Aufführung teilnehmen."
Antisemitische Klischees sind unter muslimischen Jugendlichen weit verbreitet.Auf youtube oder facebook werden die gewaltbereiten Parteien Hisbollah und Hamas verherrlicht, wird vor der jüdischen Weltverschwörung gewarnt.
Vor kurzem tauchte eine Rundmail auf, die zum Boykott von Aldi und Lidl aufrief "da der Gewinn an einem bestimmten Tag direkt an den Staat Israel gehe"Genauso wurde zum Boykott von Coca-cola aufgerufen, da Amerika Israel unterstütze.
Wie erklärt man Jugendlichen, die von solchen Verschwörungstheorien geprägt sind,den Holocaust?Wie, dass Juden millionenfach Opfer waren?
Ein Weg dieser Initiative ist, die Dinge zu hinnterfragen und zu erklären, wie der Staat Israel entstand.Reisen nach Israel werden organisiert.Viele dieser Jugendlichen haben noch nie in ihrem Leben einen Juden kenengelernt.Das Bild des diffusen Feindbilds wird durch solche Reisen hinterfragt.
Für diese Arbeit hat Deirels Initiative viel Anerkennung erfahren, aber auch Ärger.Migrantenverbände und linke Gruppen kritisieren das Projekt heftig.
Auch Ufuk Topkara meint, dass auch ein Deutschtürke verpflichtet sei zur besonderen Sensibilität gegenüber dem Antisemitismus, was das Eintreten für das Existenzrecht Israels mit einschliesst.
Demirel machte die Erfahrung bei einer Reise nach Israel mit ausschliesslich palästinensischen Judendlichen, bei denen diese ständig auf Deutsch angesprochen wurden.Er hatte das Gefühl,sie seien als Palästinenser nach Israel gereist, und als Deutsche zurückgekommen.
(Quelle:Die Zeit)

Bürgerreporter:in:

Natalie Parello aus Sarstedt

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