Rollentausch – Erika Görlitz hinter Gittern

Auf dem Foto von li.n.re. Werksdienstleiter Hans Meier, MdL Erika Görlitz, Leiter der Arbeitsverwaltung Eduard Luschka mit Produkten die die Gefangenen gefertigt haben und die auf verschiedenen Märkten angeboten werden.
  • Auf dem Foto von li.n.re. Werksdienstleiter Hans Meier, MdL Erika Görlitz, Leiter der Arbeitsverwaltung Eduard Luschka mit Produkten die die Gefangenen gefertigt haben und die auf verschiedenen Märkten angeboten werden.
  • hochgeladen von Florian Weiß

Doch irgendwie erleichtert war Erika Görlitz MdL, als die Gefängnistür nach dem Rollentausch wieder hinter ihr ins Schloss fiel. Der Besuch war zwar nicht so ungewöhnlich, denn sie ist Vorsitzende des Gefängnisbeirats der JVA Neuburg-Herrenwörth. Rollentausch ist aber etwas Anderes.

Schule mit Druck erfolgreich
Auch wenn sie nicht direkt in der Montage mitarbeitete, haben sie doch die Gespräche mit den Jugendlichen sehr beschäftigt. L., der während seiner rd. 2 jährigen Haft nur einen Wunsch hat, nämlich den Quali zu schaffen. Einer von 8 Gefangenen, die diese „letzte Chance“ ergreifen. Und warum die Jugendlichen jetzt in der Haft das erreichen, was sie während der langen Schulzeit nicht schafften, erfuhr sie auch. Lehrer Jürgen Schließer, vormals normaler Hauptschullehrer, kennt das Geheimnis; „von solchen Sanktionsmöglichkeiten kann ein normaler Hauptschullehrer nur träumen, das geht bis zum Ausschluss von der Bildungsmaßnahme“. Ja, arbeiten oder ernsthaft Schule besuchen muss ein Jeder.

….oder Papa zahlt „Hotelkosten“
Arbeitsverweigerer müssen für Unterkunft und Verpflegung zahlen. Es kommt aber nicht oft vor, dass die Eltern Geld überweisen, denn meist sorgt die Androhung dafür, dass die 178 einsitzenden Jugendlichen doch eine der angebotenen Maßnahmen akzeptieren.

Zellendecke fällt auf den Kopf
Es ist auch nicht die Arbeit, die die Jugendlichen belastet, wie S. versichert. Schlimm sind die Wochenenden, denn die Einschlusszeit von 16.00 Uhr bis zum anderen Morgen in den kleinen Zellen ohne Fernseher und Internet lässt viel Zeit zum grübeln. Internet? Nein, das ist ausgeschlossen, PC-Kurse werden aber als Fortbildung angeboten.

Knastbücher beliebt
Da bleibt nur der Griff zum guten Buch. Bei einem Besuch in der Bücherei staunte die Abgeordnete nicht schlecht, als sie erfuhr, dass „wer einmal aus dem Blechnapf frisst“ auf der Beliebtheitsskala ganz oben steht. Gefolgt von Krimis, die wohl eher aufgrund der leichten Kost, nicht als „Fortbildung“ nachgefragt werden. G. managt die Bücherei. Als der Beamte den blitzgescheiten jungen Mann mit anvertrauten Büchern einschließt, registriert die Abgeordnete erst, dass auch er ein Strafgefangener ist. G. hat mit einem Kumpel alte Leute überfallen und ausgeraubt. Was bringt einen Bub aus bestem Elternhaus zu so einer Tat? Falsche Freunde. Ein Grund für manche Straftat.

Seine Jungs?
Natürlich erfuhr sie auch einiges über die Belastung der Beschäftigten. Es gilt hier immer das richtige Maß zu finden, zwischen den jungen Leuten etwas zuzutrauen und auch ein Stück weit zu vertrauen, gleichzeitig aber auch die nötige Distanz zu wahren. Die Anforderungen sind oft groß, auch durch den erforderlichen Schichtdienst. Trotzdem sind sie mit dem Herzen dabei, ebenso wie die Handwerksmeister, die die Jugendlichen in verschiedenen Berufen ausbilden. Das ist die große Chance junge Menschen, die oft aus schwierigen Verhältnissen stammen, an regelmäßiges Aufstehen und Arbeiten zu gewöhnen. Und auch das Tempo muss stimmen, denn wenn einer trödelt, stockt der Produktionsprozess, erklärt J. und lädt auch gleich die Abgeordnete zur Mithilfe ein. J. hat Charme und ihm gelang es bisher sich immer aus der Verantwortung zu stehlen. Auch das müssen die Gruppenleiter erkennen und immer wieder darauf achten, dass J. mit seinen Fehlern konfrontiert wird und dafür geradezustehen lernt.

Alleingelassen
R., der mit 18 Jahren aus dem Kinderheim musste, in das ihn seine Mutter mit 7 Jahren gesteckt hatte, weil er mit ihrem neuen Freund nicht zurecht kam, berichtet von seiner „Behördenodyssee“. Mit dem Verkauf von geklauten Zigaretten wollte er sich das Geld besorgen, das er brauchte um aus der Obdachlosenbleibe zu kommen. Sicher verschwieg er einiges, doch eines wurde klar, der Förderschüler hätte dringend eine Familie gebraucht, die ihn noch ein Stück in die Selbständigkeit begleitet.

Helfer gehen in den Knast
Ehrenamtliche Betreuer spielen auch in der JVA eine sehr wichtige Rolle. Sie sorgen für ein wenig Abwechslung in der Einrichtung, kümmern sich aber oft auch rührend um die Jugendlichen wenn sie aus der Haft entlassen werden.
Der Übergang gestaltet sich schwierig, auch wenn das Arbeitsamt sehr bemüht ist. Die Jugendlichen, die ja aus ganz Südbayern kommen, verkennen oft ihre Chancen und rutschen dann wieder in ihr altes Milieu zurück.

Konzept für jeden Einzelnen
In der Vollzugsplankonferenz, in der die gründlichen Gutachten besprochen werden, sind auch die Perspektiven ein Thema. Eine Begleitung über den Bewährungshelfer hinaus kann nicht erfolgen. Leider können auch im Vollzug nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. So bedauert ein Sozialpädagoge, dass er ohne Gruppen-, bzw. Besprechungsraum nicht so mit den Jugendlichen Zukunftsperspektiven herausarbeiten kann wie er das für notwendig hielt.

Unterstützung zugesagt
Mit einem „Rucksack“ voller Eindrücke und einigen Arbeitsaufträgen stand die Abgeordnete vor dem Gefängnistor, nachdem sie ihr Handy und den Autoschlüssel wieder bekam, die sie sicherheitshalber vor ihrem „Rollentausch“ abgeben musste.

Bürgerreporter:in:

Florian Weiß aus Pfaffenhofen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.