Der lange Weg von der giftigen Zierpflanze zum Grundnahrungsmittel. In Wendeburg baute man schon 1748 Kartoffeln an.

Die Kartoffelesser / Vincent van Gogh 1885
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Dieser Tage rollen sie wieder, die vollbeladenen Anhänger mit den frisch gerodeten Kartoffeln. Manche Zeitgenossen machen sich auch traditionell auf, um zu „stoppeln“, d.h. das Feld nach übriggebliebenen Früchten abzusuchen. Wir kochen sie, braten sie, machen Brei, Pommes oder Chips daraus – Die Kartoffel ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, und selbst die beliebte Sorte „Linda“ haben wir Deutsche uns nicht verbieten lassen! Wann, wie und durch wen die Kartoffel nach Europa kam, ist bis heute nicht genau geklärt.

"Zwischenlandung" auf den Kanaren. 

Auf ihrem Weg von Südamerika nach Europa machte die Kartoffel Zwischenstation auf den (spanischen) Kanarischen Inseln. Dies ist bekannt, weil im November 1567 drei Fässer, die Kartoffeln, Orangen und grüne Zitronen enthielten, von Gran Canaria nach Antwerpen, und im Jahre 1574 zwei Fässer mit Kartoffeln von Teneriffa via Gran Canaria nach Rouen verschifft wurden. Geht man davon aus, dass mindestens fünf Jahre nötig waren, um so viele Kartoffeln zu erhalten, dass sie zum Exportartikel werden konnten, so fand die Einbürgerung der Pflanze auf den Kanaren spätestens 1562 statt.
Der früheste Beleg für die Kartoffel in Spanien findet sich in den Büchern des Hospital de la Sangre in Sevilla, das im Jahre 1573 Kartoffeln eingekauft hat. Man nimmt an, dass die Kartoffel Spanien frühestens 1564/65 und spätestens 1570 erreicht hat, da ansonsten der Botaniker Clusius, der das Land 1564 auf der Suche nach neuen Pflanzen bereiste, sie wohl bemerkt hätte. Von Spanien aus gelangte die Kartoffel nach Italien und breitete sich dann langsam auf dem europäischen Festland aus.

Die Briten mal wieder im Alleingang. 

Auf die britischen Inseln soll die Kartoffel ohne den Umweg über Spanien gelangt sein. Wer die Kartoffel dorthin gebracht hat, ist nicht geklärt. Eine Anekdote aber besagt, sie sind als damals übliches Gastgeschenk im königlichen Haushalt gelandet, mundeten seiner Majestät der Queen aber gar nicht und sollten vom Gärtner verbrannt werden. Dieser spürte dabei dann plötzlich einen angenehmen Wohlgeruch und kostete hungrig die nun garen Knollen, womit auch auf der Insel das Geheimnis der Zubereitung entdeckt war! Erstmals wirklich belegt ist die Kartoffel in England im 1596 in London erschienenen Katalog der Pflanzen, die der Botaniker John Gerard in seinem Garten in Holborn züchtete.
Nach Europa wurde die Kartoffel vielfach wegen der schönen Blüte und des üppigen Laubes als reine Zierpflanze importiert und als seltene Pflanze in botanische Gärten aufgenommen. Mitte des 16. Jahrhunderts tauchte sie in den Niederlanden, in Italien und in Burgund auf.
In Deutschland sollen die ersten Kartoffeln während der Regierung Ferdinand III. 1647 in Pilgramsreuth (Rehau), Oberfranken angebaut worden sein. Im Kloster Seitenstetten in Niederösterreich verfasste der Benediktinerabt Caspar Plautz ein Kochbuch mit Kartoffelrezepten, das bereits 1621 in Linz erschien. Als erster deutscher Fürst, der in seinem Land den Kartoffelbau einführte, gilt zudem der Markgraf Christian Ernst (Brandenburg-Bayreuth); allerdings fehlte es zur Umsetzung an der Bereitschaft der Bauern. Der Anbau in großem Stil begann 1684 in Lancashire, 1716 in Sachsen, 1728 in Schottland, 1738 in Preußen und 1783 in Frankreich.


1748 - Braunschweiger Söldner bringen eßbare Souvenirs mit.

 
Über eine Besonderheit der hiesigen Landwirtschaft wird folgendermaßen berichtet: „In den nördlichen Gegenden unseres Braunschweiger Landes soll der Überlieferung nach die Kartoffel zuerst durch die 1748 aus den Niederlanden heimkehrenden Truppen verbreitet worden sein, indem sie dieselben in ihren Tornistern als Neuheit mitbrachten und ihre Angehörigen zum Anbau derselben bewogen. Vor Wendeburg und Zweidorf erfolgte derselbe noch im Jahre 1748. – In der Stadt Braunschweig werden Erdtuffeln zuerst im Jahre 1753 unter den Gartenfrüchten erwähnt.“

Boykotte Braunlager Bauern. 

Auf Vorschlag des Hofjägermeisters Georg von Langen und mit herzoglicher Genehmigung vom 3. November 1747 begann im folgenden Jahr 1748 der Kartoffelanbau bei Braunlage im Harz. Leider stellte sich der gewünschte Erfolg nicht ein und 1751 verweigerten die dortigen Bauern den weiteren Anbau. Immerhin erinnert im Wald (Forstort Brandhai) südlich von Braunlage das etwa zwei Meter hohe Kartoffeldenkmal, ein aufrecht stehender Stein mit Inschrifttafel, an diese Neuerung.

Stichwort "Kartoffel":

Die Kartoffel (Solanum tuberosum), in Teilen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz auch als Erdäpfel, Erdbirne, Potaten, oder Grundbirne und im restlichen deutschsprachigen Raum unter verschiedenen Regionalnamen wie Potacke bekannt, ist eine Nutzpflanze aus der Familie der Nachtschattengewächse. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird meistens von den Kartoffeln gesprochen. Hierunter werden zumeist die im Boden heranwachsenden Knollen verstanden, mit denen die Pflanze sich vegetativ vermehrt.
Das Wort Kartoffel leitet sich von tartufolo ab, dem italienischen Wort für Trüffel, das wiederum abgeleitet ist von lateinisch terrae tuber („Erdknolle“). Die Samen werden in tomatenähnlichen Beeren gebildet, welche, wie alle grünen Teile der Pflanze und die Keime der Knolle, für Menschen leicht giftig sind. Weltweit werden jährlich etwa 376 Millionen Tonnen Kartoffeln geerntet. Die Kartoffel ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt, daneben aber auch Futtermittel und Industrierohstoff. Die Peiner ehren die "tolle Knolle" bereits seit vielen Jahren mit dem jährlichen Kartoffelfest in Wehnsen.

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