Judenhass

Synagogengedenkstätte Peine

Alljährlich am 9. November wird an die Gräueltaten der Reichspogromnacht des Jahres 1938 erinnert.
In Peine wurde Hans Marburger, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, niedergeschossen. Er verbrannte in der angezündeten Synagoge. Zu seinem Gedächtnis wurde die Straße, an der sich die Synagoge befand, in "Hans-Marburger-Straße" umbenannt. Auf dem ehemaligen Synagogengrundstück  steht heute ein Denkmal.

Die Reichspogromnacht war der verbrecherische Auftakt zum millionenfachen Judenmord während des 3. Reiches. Um die Judenverfolgungen gegenüber dem Volk zu rechtfertigen und zu begründen, wurde u.a. auch auf Dr. Martin Luther (*1483 †1546) zurückgegriffen. Der hatte in seiner unsäglichen Schrift aus dem Jahre 1542 „Von den Jüden und Ihren Lügen“ u. a. geschrieben „...erstlich, dass man ihre Synagogen … mit Feuer anstecke, zum anderen, dass man ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre". Die Gebetbücher und den Talmud solle die Obrigkeit beschlagnahmen und den Rabbinern bei Todesstrafe das Lehren verbieten.
Er schreibt außerdem "Viel weniger gehe ich damit um, dass ich die Juden bekehren wolle, denn das ist unmöglich… sie sind von Jugend so erzogen, dass da keine Hoffnung ist …“.

Solange er Hoffnung hatte, die Juden zum christlichen Glauben bekehren zu können, war er ihnen einigermaßen zugetan. Er sah in ihnen den  „Menschenbruder, der zur Gnade Jesu gerufen werden soll“ (siehe seine Schrift von 1523: „Dass Christus ein geborener Jude sei").
Diese Schrift hätte zur Normalisierung des Zusammenlebens zwischen Christen und Juden führen können. Doch Luther forderte den Übertritt zum christlichen Glauben. Er unterschätzte die Glaubenstreue der Juden und deren Missionsresistenz. Diese zunehmende Erkenntnis und die Enttäuschung darüber, führten mit zunehmendem Alter zu immer größerem Hass. So wurde Luther „zum Täter des Wortes“.

Weniger bekannt ist, dass auch Maria Theresia (*1717  †1780), Königin von Böhmen, König von Ungarn und Erzherzogin der habsburgischen Erblande, in dieser Hinsicht eine dunkle Stelle in ihrer Biografie aufzuweisen hatte.

Die Judenpolitik des Habsburgerreiches galt für damaliege Verhältnisse als besonders restriktiv und unter Maria Theresia erst recht.
Schon ihr Vorgänger Kaiser Leopold I. (*1640   †1705) ließ Juden aus den Habsburgischen Landen vertreiben.
Ihr Vater, Kaiser Karl VI. (*1685   †1740), war nicht besser. Er legte für Böhmen, Mähren und Schlesien jüdische Obergrenzen fest. Um deren Einhaltung zu gewährleisten, durfte in jeder Familie nur der älteste Sohn heiraten. Im Jahre 1738 hatte er die Vertreibung der Juden aus Schlesien und Böhmen befohlen. Wegen zahlreicher Widerstände gelangten diese Ausweisungsvorhaben aber nicht zur Ausführung.

Maria Theresia war in Glaubensdingen in höchstem Maße intolerant.
Wenn Protestanten zum römisch-katholischen Glauben konvertierten, gab es keine Probleme. Wurden sie aber auffällig oder gerieten sie durch Denunziation oder Gesinnungsschnüffelei in den Fokus der Öffentlichkeit und blieben trotzdem glaubensfest, dann gab es kein Pardon. Sie mussten mit schwerster Verfolgung rechnen (Unterdrückung, Enteignung, Zwangsbekehrung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, Zuchthaus, Conversionshaus, Kindesentzug). Nicht selten wurden sie auf Todesmärschen in die Verbannung an den östlichen, entvölkerten Rand des Reiches (z. B. Siebenbürgen) geschickt (Transmigration). Wer den Marsch überstand, musste dort sein Leben unter unmenschlichen Bedingungen fristen. Die Überlebenschancen waren sehr gering.

Den Juden erging es nicht besser (Hof- und Schutzjuden ausgenommen). Maria Theresia setzte die Ausweisungspolitik ihrer Vorgänger fort.

Zitat Maria Theresia: „ich kenne keine ärgere Pest … als dise Nation, … mithin sie so vill sein kan, von hier abzuhalten und zu vermindern…“. Über die vielen Juden in Böhmen äußerte sie sich „44.000 Juden, ich gestehe es, das erregt Angst und Abscheu“.
Nach der Besetzung Prags durch Preußen kursierte das Gerücht, die dortigen Juden hätten sich „zu allem Bösen gebrauchen lassen … und 200 vom Judengesindel hätten heimlich Kanonen aus der Stadt geschafft und sich zur Beschützung des feindlichen Guts bewaffnen lassen“.
Nach dem Abrücken der Preußen plünderten österreichische Husaren das Judenviertel und zerstörten es bis auf die Grundmauern. In Prag gab es kein Haus, in dem nicht ein Toter oder blutig Geschlagener war. Auch an anderen Orten kam es zu Ausschreitungen wie Folter und Mord. Ein Mann wurde mit den Handflächen an ein Tor genagelt, Bethäuser und Friedhöfe wurden geschändet, Thorarollen zerrissen und in den Schmutz getreten.
Es ist nicht bekannt, dass Maria Theresia diesem Treiben Einhalt geboten hätte. Sie hat es  gedultet, zumindest aber weggesehen. Da sie nicht eingeschritten ist, liegt die volle politische Verantwortung bei ihr.

Im Dezember 1744 befahl Maria Theresia, dass sämtliche Prager Juden sofort die Stadt verlassen sollten.
Prag galt zu dieser Zeit als die Hauptstadt des europäischen Judentums. Die dortige Judengemeinde existierte seit dem Mittelalter und machte mit mehr als 10.000 Menschen ein Viertel der Gesamtbevölkerung Prags aus.
Einflussreiche Juden versuchten verzweifelt, die Mächte im Reich und in Europa zu veranlassen, bei Maria Theresia zu intervenieren. Jüdische Bittschriften nahm Maria Theresia nicht entgegen. Niemand bei Hofe wagte es, sich bei ihr unbeliebt zu machen, denn die Königin war so zornig, „dass einige gute Herrschaften, so zu Gunsten der Juden … moniert, von ihr … ganz feurig zurechtgewiesen worden mit unglaublichen Schimpfworten“.
Es wurde sogar befohlen, keinen Juden bei Hof einzulassen und wer es trotzdem wagte, sei zu verhaften.
Auch Argumente wie Nächstenliebe, wirtschaftliche Vernunft, kalte Jahreszeit, zahlreiche Kinder, Alte und Gebrechliche, große Personenzahl sowie fehlende Transportmittel, stießen bei ihr auf taube Ohren.
Sie war lediglich bereit, den Ausweisungstermin zunächst auf Ende Januar, dann auf Ende März 1745 hinauszuschieben, „Die Juden müssen alle hinaus …“.

Das war das Ende der größten jüdischen Gemeinde. 10.000 mussten Prag verlassen. Viele von ihnen starben auf den Straßen.
Im Juni 1746 verbot Maria Theresia bei hoher Geldstrafe, Juden in einer geschlossenen Ortschaft zu beherbergen.
Bei Alteingesessenen befahl sie „Sie müssen auch fort“.
Aus Prag wurde vermeldet, die Königin erkenne zwar an, dass die Juden "womöglich ehrliche Leute seien, aber sie wolle sie trotzdem in ihren Ländern einfach nicht haben".

Interventionen des Erzbischofs von Mainz, des Papstes, des osmanischen Sultans, ja sogar ihres Ehemannes Kaiser Franz Stephan konnten sie nicht umstimmen. Sie betrieb die letzte große Judenverfolgung vor dem Holocaust und war der festen Überzeugung, an den Juden, den notorischen Verrätern, Betrügern und verstockten Christusmördern  ein gottgefälliges und gerechtes Werk zu tun.

Im Spätsommer 1746 waren Prag und Umgebung praktisch judenfrei. Aber wo sollten sie hin? In allen europäischen Ländern waren Juden nicht gern gesehen. Sie besaßen nirgends ein naturgegebenes Aufenthaltsrecht, waren allenfalls geduldet.

Im Gegensatz zu den Nationalsozialisten hat sich Maria Theresia auf den Protestanten, den gebannten und geächteten Ketzer Luther nicht berufen. Sie war Täterin aus eigenem Antrieb.
Aber auch ohne Luthers Hetzschrift, die damals rund 400 Jahre alt war, hätten die Nationalsozialisten so gehandelt, wie sie gehandelt haben. Die Berufung darauf war lediglich ein propagandistisches Manöver.

Maria Theresias Sohn, Kaiser Joseph II, ließ in den Jahren 1780 bis 1790 in Nordböhmen eine Festungsstadt erbauen, die er zu Ehren seiner Mutter Theresienstadt nannte.
Wie wir heute wissen, war diese Namensgebung kein gutes Omen. Die Judenverfolgerin Maria Theresia wurde zur Namenspatronin einer Stadt, in der während des nationalsozialistischen Holocausts rund 141.000 Juden inhaftiert waren, von denen ca. 33.000 dort ihr Leben lassen mussten.

Quellen:
Wikipedia; Gidal, Die Juden in Deutschland, S. 82 ff, Bertelsmann Verlag, ISBN 3-89508-540-5.
Die Fakten zu Maria Theresia sind zum großen Teil dem Buch „Maria Theresia“, Kap. XI u. XII, von Barbara Stollberg-Rilinger, Verlag C. H. Beck, ISBN 978 3 406 697487, entnommen. Kursive Texte sind wörtliche Übernahmen.

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Heise aus Ilsede

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