Go West – Peiner Auswandererschicksale im 19. Jahrhundert

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1620 waren es die sogenannten Pilger-Väter, die mit der Mayflower in die Neue Welt segelten, aus religiösen Motiven. Sie waren nicht die ersten Siedler dort, doch ihre Geschichte ist wohl die berühmteste hinsichtlich der Auswandererschicksale. Über 2 Jahrhunderte später aber gab es jedoch eine große Auswanderungsbewegung gen Amerika besonders auch aus Niedersachsen, die vorwiegend aus Wirtschaftlichen Bewegründen resultierte.
Als Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals Seitenraddampfschiffe den Atlantik in weniger als 30 Tagen überqueren konnten, wurde der Passagiertransport billiger und somit für eine breite Menschenmasse attraktiv. Als erstes, ausschließlich für Auswanderer eingesetzte Auswandererdampfschiff wird die Indiana angesehen, die ab 1854 unter englischer Flagge fuhr. Der Hauptauswandererhafen bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Le Havre in Frankreich, bis er von den deutschen Häfen Bremen bzw. Bremerhaven und Hamburg übertroffen wurde. Ungünstige innenpolitische Zustände regten die Emigration aus Deutschland an. Bis Mitte der 1880er-Jahre war ein Gleichstand zwischen Segel- und Dampf-Auswandererschiffen erreicht, und um 1900 befuhren, bis auf wenige Ausnahmen, nur noch Dampfschiffe die Auswandererlinien nach Nord- und Südamerika. Auf den Schiffen herrschte Enge; teilweise ging es „drunter und drüber“. Der Platzbedarf für Kessel, Maschine und Kohlevorräte ging zum Teil zu Lasten der Auswandererunterkünfte.
In den Jahrzehnten der Gründerzeit war New York klassischer Ankunftsort der Auswanderer-Schiffe. Der erste Gang führte in das Einwanderer- Büro. Nur wenige Einwanderer blieben allerdings in der aufstrebenden Hafenstadt. Mehrheitlich zogen die Meisten gen Westen um, wo auch immer, zu siedeln. Die niederdeutschen Siedler gründeten Orte mit deutschem Sprachbezug wie „Hanover“ oder auch „Oldenburg“; weit über 200 solcher späteren Städte entstanden im Laufe des 19. Jahrhunderts. Brauchtum der niedersächsischen Heimat, selbst das Plattdeutsch wurde fortan gepflegt. Die Wild-West-Romantik ist jedoch eher eine Erfindung der Traumfabriken Hollywoods, denn der lange Weg in die Freiheit war kein Zuckerschlecken. Die Schiffspassage bedeutete Strapazen und Entbehrungen auf engstem Raum. Eine zeitgenössische Quelle aus den 1870ern schildert die Zustände an Bord der Auswandererschiffe:
„Die Auswanderungsschiffe gehören der besten Klasse der Kauffahrer an und sind meistens Zweidecker, aber mit möglichster Rücksicht auf Raumgewinnung gebaut. Das Zwischendeck, der Wohnungsraum für die Reisenden, bietet ein buntes Bild. Ein Haufen über einander geschichteter Kisten und Koffer nimmt die Mitte ein und läßt nur Raum für schmale Gänge, neben welchen sich in zwei Etagen die von hohen Brettern zusammengezimmerten Schlafstätten ( Kojen) erheben. Diese Kojen, in denen in der Regel je vier und vier Passagiere beisammen liegen, sind Schlafkammer, Empfangszimmer, Speisesaal, Ankleidegemach und für Den, der es bedarf, Studirstube, eben Alles in Allem. Die übrige Einrichtung ist ebenso einfach. Strohsäcke und Decken bilden die Flur der schwimmenden Herberge; das Deck mit Deckknien und Deckbalken, an welchen blecherne Speisegeschirre einträchtig neben Gefäßen zu ganz anderm Zwecke, Waschbecken neben Hutschachteln und wohlgeschmierte Stiefeln neben Mettwürsten und Butterdosen hängen, giebt die Decke ab. Die Truhen und Kassen unten werden als Tische und Stühle benutzt und Jeder placiert und beschäftigt sich nach Gutdünken oder Laune.“

Erst in den 1870er- und 1880er-Jahren setzten sich allgemeine Verbesserungen durch. So wurde für den Bau und die Einrichtung von Auswandererschiffen Verordnungen und Gesetze erlassen, die den Raumbedarf je Passagier, die Schlafplätze, Ventilation, Beleuchtung, sanitäre Einrichtungen, Verpflegung, medizinische Betreuung, Rettungsausrüstung (Schwimmwesten etc.) und die wasserdichte Unterteilung der Schiffe vorschrieben.
Das Peiner Stadtarchiv bewahrt ein besonderes Dokument zum Thema Auswanderung. Es handelt sich um die Auflistung der Peiner Amerika-Auswanderer im Jahre 1845. Genau 29 Personen waren es bereits damals; die Familienvorstände sind wie seinerzeit üblich mit Beruf und Namen erwähnt. „Schaafmeister“ Christian Welge verließ die Fuhsestadt ebenso wie Roßhändler Ludwig Schaubode. Diverse Schuhmacher folgten, dieser Berufszweig war ja bekanntlich seit dem Spätmittelalter der häufigste in Peine. Wie es unseren Vorfahren letztlich gelungen ist im Land der unbegrenzten Möglichkeit Fuß zu verfassen, geht nicht aus dieser Quelle hervor. Eventuelle Zufallsfunde von Auswandererbriefen zwischen alten Papiersachen sollte man deshalb stets beachten und sorgfältig bewahren.
Die Naturkundliche Chronik Nordwestdeutschlands vermerkt noch mit patriotischem Unterton für das Jahr 1923: „Nachkriegsnot bedingt starke Auswanderungswelle vor allem nach den USA.“ Die historische Statistik spricht allerdings eine etwas andere Sprache.

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