Von Himmels-Chemie und Scharlatanen

Von Himmels-Chemie und Scharlatanen

Wie gut es doch die Kinder haben.
Kurz nach ihrer Geburt beginnen sie ihre Welt zu entdecken. Sie be-greifen, sie verstehen.
Vielleicht weil sie nicht soviel lesen oder fern-sehen?

Seit jeher glaubt der Mensch an Übernatürliches, an Dinge und Ereignisse die sich dem Verstand und unserer Vorstellungswelt zu entziehen scheinen, und so ist es bis heute geblieben.
Nicht daß wir heute noch den Regengott antrommeln oder Tiere oder Menschen schlachten für eine gute Ernte oder gegen böse Geister – auch wenn manch einfacher Geist immer noch daran glaubt und wir die Opferungen beispielsweise noch im Erntedankfest fortleben lassen. Das Christentum und andere Religionen setzen die früheren heidnischen oder andere vormalige Bräuche in veränderter Form einfach weiter fort, sie bilden dadurch einen natürlichen Nährboden für die heutige Form des Aberglaubens und seiner politischen Form, der Verschwörungsgläubigkeit; nicht umsonst gedeiht auch Letztere am besten in „Gods own Country“, also dem Land mit den meisten radikal-christlichen Einwohnern. Doch auch hierzulande sind wir nah dran, lassen sich Menschen mit diesem Gift infizieren.

Gift?

Zu Zeiten religiöser Vorherrschaft war das Vorhandensein höherer Mächte scheinbar bewiesen durch damals noch unerklärlichen Phänomenen wie Sonnen- oder Mondfinsternis, Kometen, Epidemien, Erdbeben, Überflutungen, Dürreperioden und ungewöhnlichen Wetterbedingungen. War es eine gute Ernte wurde Gott gedankt, die Pest war keine Krankheit gegen die es einen Schutz gegeben hätte sondern eine Strafe Gottes die von seinen Geschöpfen als Strafe für ihre Sünden hinzunehmen war, und so blieb es viele jahrhundertelang, denn jedes Hinterfragen, jede Neugier wäre Ketzerei gewesen.
Gestern predigten sie die Pest als göttliche Strafe, heute ist es AIDS. Gestern verboten sie selbst den Mundschutz als Risikominderung, heute das Kondom.

Amen.

Wer versuchte mit ebenso natürlichen Mitteln zu helfen lief Gefahr durch die Flammen „gereinigt“ zu werden; Wissenschaft geschah daher meist im Verborgenen. Die Hüter der Macht waren gegen jede Beweisführung immun; auch wenn Archimedes schon vor mehr als 200 Jahren vor unserer Zeitrechnung die wahre Gestalt der Erde experimentell bewiesen hatte durfte dies fast 2000 Jahre lang nicht so sein, denn die religiösen Führer hatten die Bibel anders ausgelegt, sie für ihre Belange hingebogen, der Anspruch auf Unfehlbarkeit ließ lange Zeit Korrekturen auch nicht ansatzweise zu.
Erst das Zeitalter der Renaissance, der Aufklärung, dem Durchbruch von Wissenschaft und Philosophie brachte eine Wandlung. Erstaunt nahmen immer mehr Menschen wahr daß es viele Dinge im Himmel und auf Erden gab die, ihres Mysteriums beraubt, auf einmal natürlich und erklärbar waren und die Schiffe auf den Ozeanen mitnichten Gefahr liefen über den Rand der Erdscheibe zu kippen und kein Thor die Blitze schleuderte. Die Wissenschaft, der Verstand, die reine Vernunft schienen den Sieg davongetragen zu haben über höhere Mächte, die Kirchen und den Aberglauben.

Einen Pyrrhussieg.

Der Rationalismus, die Wissenschaft hat Eines nicht begriffen: viele Menschen können scheinbar nicht mit den Konsequenzen daraus leben. Sie lehnen instinktiv ab daß sie machtlos sind gegen die Naturgesetze, daß wir aus Einzellern entstanden sind die sich vor Millionen Jahren im Wasser entwickelten, daß ein Weiterleben nach dem Tod nicht möglich und der Sinn unseres Daseins keinesfalls göttlichen Ursprungs ist. Die Hürde dieser Erkenntnis und das Verstehen und Akzeptieren darin ist vielen zu hoch und somit nicht akzeptabel.

Der Mensch will glauben.

Er möchte daß es da etwas oder jemanden gibt der ihm ein Ziel setzt, ihm eine Chance auf Ewigkeit und die Tilgung seines schlechten Gewissens gibt.
Und die Wissenschaft hat versagt den Menschen zu erklären was durch die Wissenschaft mit ihren heutigen Methoden und Erkenntnissen nicht erklärbar ist.
Wissenschaftler sind scheinbar nur selten auch Charismatiker wie Prof. Harald Lesch, die in der Lage sind nicht nur komplizierte Sachverhalte begreifbar darzustellen sondern dies auch noch auf eine Art und Weise zu tun die auch den Nicht-Wissenschaftler anzusprechen versteht – wenn der denn bereit ist sich darauf einzulassen, denn: auch dann wird vom Publikum Mitdenken und Verständnis verlangt.

Stattdessen wird lieber konsumiert.

Das hat nicht nur Massenblätter und Medienmogule begriffen, sondern auch Finanzberater, Trickbetrüger, Werbestrategen, selbstgestrickte Enthüllungsautoren und Politiker.
Solange wir keine Erklärungen verlangen und diese hinterfragen, solange wir Zahlen nicht nachprüfen sondern gehorsam schlucken, solange scheinbare Zusammenhänge hingenommen und nicht nachvollzogen werden, solange wir nach scheinbar einfache, plausibel klingende Erklärungen einfach hinnehmen glauben Menschen an sog. Chemtrails, Rassenlehre, Mondlandungsfälschungen, Klimalüge, Holocaustleugnung und Dolchstoßlegenden. Die wohl älteste ist die der Schuld des jüdischen Volkes an der Kreuzigung des Jesus von Nazaret.

Und jede Unwahrheit, jedes Versagen unserer Autoritäten verstärkt diese Tendenz.

Unwahrheit, Mißtrauen, unbequeme Wahrheit, Mißtrauen, Verschwörungsglaube – eine unheilvolle Spirale der zu entziehen uns umso schwerer fällt als die Sachverhalte immer komplizierter, undurchsichtiger und die Protagonisten immer gerissener werden.
War es früher ein Mangel an (unterdrücktem) Wissen ist es jetzt eine Überflutung nicht zuletzt durch das Internet durch dessen Gestrüpp sich kaum noch jemand durcharbeiten kann – und schließlich kapituliert.
Zahlen müssen nicht einmal manipuliert werden – die Art der Darstellung reicht aus.
Wer die Gefahren des Fliegens unterstreichen möchte stellt die Anzahl der Flüge der Zahl der Unfälle und Zwischenfälle gegenüber; wer die Sicherheit des Fliegens betont rechnet mit Passagier-Kilometern, immerhin ein Unterschied von 1 : (Zahl der Insassen x der (Interkontinental)Stecke in km).
Wer die Gefahren einer Religion in den Vordergrund rücken will zählt die Greueltaten derer Anhänger auf; wer dies abstreitet dividiert die Zahl der Anschläge durch die (geschätzte) Zahl der Anhänger und vergleicht dies z.B. mit der Zahl unserer Verkehrsopfer oder anders motivierter Morde.

George W. Bush kontra Mutter Theresa.

Interessenverbände mischen da kräftig mit, suchen ihre Kritiker persönlich diskreditieren zu lassen, nehmen Einfluß auf Studien und Untersuchungen, sitzen gar selbst über Beraterverträge in gesetzesformulierenden Gremien.
Politiker, selber gefangen im Netz aus Informationsüberflutungen, Einflußnahmen, Wählerstimmen und Machterhalt, Lobbyismus und persönlicher Zukunftsplanung, Fraktionszwängen und Stimmabgabe haben doch kaum wirkliche Handlungsspielraum.

Unabhängigkeit?

Verwaltungsbeamte, fern jeder Zukunftsangst erlassen durch (vom Bürger bezahlte) Rechtsgutachten ermittelte Winkelzüge Verordnungen fern jeder Logik und Vernunft – und winden sich anschließend aus jeder Verantwortung heraus während die Menschen im Lande in ohnmächtiger Wut die Hände in den Taschen ballen.
Gerichte, die letzte Hoffnung vieler doch noch auf Gerechtigkeit zu hoffen enttäuschen diese nur allzu oft, auch weil die weisungsgebundenen Staatsanwälte schon im Vorfeld Ermittlungen unmöglich machen oder solange verzögern bis ein Fristablauf die Dinge regelt.

So sieht sie aus, unsere Gewaltenteilung. Alle Macht geht – von der Macht aus – der der Industrie, der Politik, der Verwaltung. Artikel 1: Das Volk ist machtlos.

Wie ist das dann mit der oftbeschworenen Leitkultur – ist es ein als vorbildhaft geltender Wert den Bürgern klare, ungeschönte Fakten vorzuenthalten, ignorant gegenüber dem Bürgerwillen umstrittene Entscheidungen durchzupeitschen, dann dem Bürger Politikverdrossenheit und Wohlstandswiderstand entgegenzuhalten?

Je breiter diese Kluft klafft desdo besser der Nährboden für Berufsskeptiker und Verschwörungsheinis.
Wieviele „...lügen...“ - Seiten und Forenbeiträge – auch bei mh – gibt es inzwischen?
Es gibt inzwischen Verlage die auffälligerweise meist zwischen eindeutig rechtslastiger, wenn nicht rechtsradikaler Bücher auch Verschwörungsliteratur vertreiben – Autoren wie Geise, Wisnewski, Ulfkotte und Sarrazin an der Spitze. Zukunftssorge, Mißtrauen und Islamophobie haben Hochkonjunktur.

Wir haben viele Zusammenhänge herausgefunden.
Wir haben die angeblichen Gesetze der Religionen gegen die tatsächlichen der Natur ausgewechselt – aus eigener Kraft, durch eigene Intelligenz, durch eigene Neugier und Forscherdrang.

Wir haben Phantastisches entdeckt als Menschen in die Tiefen der Ozeane vorstießen,
Wir haben Menschen in den Weltraum und zu einem anderen Himmelskörper geschickt – und dadurch wissen wir nun auch wie wunderbar, wie fragil unser blauer Planet aus der Ferne wirkt.
Wir beginnen aus Rechenmaschinen künstliche Intelligenz zu machen.

Das ist der Sinn des Lebens derer die daran und an den vielen anderen, kleinen und großen Entwicklungen und Erkenntnissen beteiligt waren, die sie ermöglichten.
Das ist unsere Bestimmung.

Und doch glauben viele an die, die sagen das sei falsch, das sei nicht „Gottgewollt“ - ein Widerspruch in sich, eine Anmaßung.

Und dann sind da noch die die behaupten das alles wäre eine Illusion, eine Fälschung. Beweise haben sie keine....

So viel wurde erreicht. So weit sind wir gekommen.
Und doch sind viele in ihrem Denken Höhlenmenschen geblieben.

Sie glauben was ihnen jemand erzählt, was sie irgendwo lesen.

Wir haben in der Datenübertragung Checksummen eingeführt. Der Computer überprüft alles was er an Informationen bekommt ob das auch plausibel ist, das haben wir ihm beigebracht.
Doch wir selber tun es nicht.
Selbst der größte Unfug – die vielfachen (und doch nie stattgefundenen) Weltverschwörungen, Arche Noah und die Sintflut, die Mondlandungslüge, die „Schuld“ der Juden, der Nazi-Schatz und Hitler am Nordpol – wird geglaubt.
Ob es plausibel ist, ob die Checksumme stimmt – viele interessiert das nicht.
Glauben wollen statt Tatsachen. BILD statt Bildung.

Der größte Treppenwitz aber: Es sind meist diejenigen die behaupten nicht alles zu glauben was man ihnen erzählt – tun genau das.
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Bürgerreporter:in:

Edgard Fuß aus Tessin

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