Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Raiffeisen-Volksbank Ries Helmuth Wiedenmann

Der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank-Volksbank Ries Helmuth Wiedenmann stand myheimat Rede und Antwort | Foto: Helmuth Wiedenmann
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myheimat: Das Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise neigt sich dem Ende zu. Wie würden sie rückblickend dieses Jahr beschreiben, insbesondere in Hinblick auf die regionale Wirtschaft?

Wiedenmann: Zum einen ist es ein Jahr, in dem sich Regierungen weltweit mit einem außerordentlichen Kraftakt und auch mit beachtlichen Erfolgen der Finanz- und Wirtschaftskrise stellten. Bei uns in Deutschland haben staatliche Hilfsprogramme wie die Abwrackprämie oder der Verlängerung des Kurzarbeitergeldes zweifelsohne dazu beitragen, dass der Konjunktureinbruch abgefedert wurde; sonst würde der Rückgang beim Bruttoinlandsprodukt von voraussichtlich rund sechs Prozent spürbar höher ausfallen.

Es ist aber auch ein Jahr der gespannten Erwartung, was noch kommen wird. Das zeigen zum Beispiel in diesen Wochen die Insolvenz großer Unternehmen und die Verlustmeldungen mancher Finanzkonzerne. Nachbeben sind also nicht auszuschließen, zumal das Vertrauen in das globale Bankensystem weiter zu stabilisieren ist. Insgesamt hat sich unsere regionale, mittelständisch geprägte Wirtschaft in diesem angespannten Umfeld bisher robust behauptet. Die Aussichten werden ebenfalls durchaus optimistisch eingeschätzt, wie jüngst eine Umfrage bei Geschäftsführern und Inhabern von heimischen Firmen ergab. Entscheidend wird auch sein wie stark der Export an Fahrt gewinnt und damit wieder zur Konjunkturlokomotive unserer Volkswirtschaft wird.

myheimat: Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Wirtschaftskrise für Ihre Bank und was können Sie sowohl Ihren Privat- als auch Ihren Geschäftskunden empfehlen?

Wiedenmann: Wir gehören als genossenschaftliche Bank unseren Mitgliedern und praktizieren damit ein nachhaltiges Modell der Wertschöpfung, das sich auch in dieser Wirtschaftskrise bewährt hat. Anders als global agierende Finanzkonzerne unterwerfen wir uns also nicht dem Geschäftsmodell einer rigorosen Gewinnmaximierung, die letztlich zu einer Casino-Mentalität mit irrwitzigen Risiken geführt hat, welche die Finanzkrise auslöste. Wir sind auch keine Bank, die ferngesteuert wird von großen Konzernzentralen in Frankfurt, München, London oder Mailand. Wir betreiben Geschäfte, von denen wir etwas verstehen.
Wir sind eine Heimatbank und machen unsere Geschäftspolitik im Ries für die Menschen im Ries. Und deshalb empfehlen wir auch unseren Mitgliedern und Kunden - übrigens nicht nur in der Finanz- und Wirtschaftskrise - auf das zu setzen, was im Bankgeschäft eben wirklich zählt: Auf Nähe, Sicherheit, Vertrauen.

myheimat: Das genossenschaftliche Modell der Raiffeisen-Volksbank Ries stützt sich auf die von Friedrich Wilhelm Raiffeisen Mitte des 19. Jahrhunderts begründeten Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Ist das heute noch zeitgemäß?

Wiedenmann: Hinter diesen Grundsätzen steckt letztendlich der Glaube an die eigene Gestaltungskraft. Das ist eine pro-aktive Geisteshaltung, Dinge selbst in die Hand zu nehmen und als genossenschaftliches Unternehmen letztlich auch ohne staatliche Trägerschaft und ohne die Kapitalkraft der Börse erfolgreich sind. So ist es auch nicht erstaunlich, dass mitten in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg die Unternehmensform der „eG“ – der eingetragenen Genossenschaft – einen Gründungsboom erfährt. Allein im letzten Jahr wurden in Deutschland über 180 Genossenschaften gegründet und dieser Trend hält auch im laufenden Jahr an.

myheimat: Fühlen Sie sich im Zuge der Krise gerade im Vergleich mit Privatbanken in Ihrer Strategie bestätigt?

Wiedenmann: Wir fühlen uns als genossenschaftliche Bank bestätigt im Vergleich zur Unternehmensphilosophie national oder international tätiger, heimatloser Finanzkonzerne. Denn unsere Welt ist nicht die Welt von unzureichenden und spekulativen Geschäftsmodellen, die sich als Ursache und Brandbeschleuniger der Finanzkrise erwiesen haben. Uns geht es nicht um überzogene Renditen und „schnelles“ Geld. Wir gehören nicht zu jenen, die immer mehr zu Spekulanten und Zockern wurden, anstatt Bürger und Unternehmen mit Geld und Krediten zu versorgen. Wir sind nicht jene, denen das Investmentgeschäft in London wichtiger ist als die heimatliche Verankerung. Im Gegenteil: Wir wissen, wo wir herkommen und - das ist entscheidend: wir wissen, wo wir hingehören. Und während andere Geldinstitute von einer Krise in die nächste gestolpert sind, Milliardenbeträge anschreiben und Verluste ausweisen, machen wir als genossenschaftliche Bank solide Geschäfte. Wir verbrennen weder das Geld unserer Mitglieder und unserer Kunden noch das Geld der Steuerzahler.

myheimat: In Ihren Bankverbänden ist man sich der Rolle des Mittelstandsmotors bewusst. Gibt es auch bei Ihnen konkrete Programme um den Mittelstand zu fördern?

Wiedenmann: Die Förderung unserer Mitglieder und damit des Mittelstands ist der originäre Unternehmenszweck der Raiffeisen-Volksbank Ries und ausdrücklich im § 1 des Genossenschaftsgesetzes verankert. Insofern sind wir als genossenschaftliche Bank bereits an sich ein dauerhaft installiertes und nachhaltiges Programm zur Mittelstansförderung. Das lässt sich auch ganz pragmatisch belegen. So haben wir im laufenden Jahr unsere neu ausgereichten Kredite nochmals deutlich ausgeweitet; bei uns gibt es die oftmals zitierte „Kreditklemme“ nicht. Und wir zählen außerdem zu den zehn besten genossenschaftlichen Fördermittelbanken in Bayern und wurden dafür vor wenigen Wochen ausgezeichnet.

myheimat: Wie haben die Kunden Ihrer Bank auf die Krise reagiert? Wie hat sich das Verhältnis zu Krediten entwickelt?

Wiedenmann: Die Tendenz zur sicheren Geldanlage hat zugenommen. Gefragt sind vor allem kurzfristige Laufzeiten sowie flexible Sparformen. Andererseits herrscht als Folge der im vergangenen Jahr weltweiten Turbulenzen an den Börsen bei Aktien und Aktienfonds immer noch eine gewisse Kaufzurückhaltung. Auf relativ großes Interesse stoßen hingegen Sachwerte, wie zum Beispiel der Kauf oder die Modernisierung von Immobilien. Einen deutlichen Zuwachs verzeichnen wir im Kreditgeschäft. Dabei geht ein kräftiger Wachstumsimpuls vor allem von Investitionen in erneuerbare Energie aus.

myheimat: Den Schwaben wird Sparsamkeit nachgesagt. Wie hat sich durch die Wirtschaftskrise die ohnehin schon hohe Sparquote entwickelt? Hat die Zahl der „Angst-Sparer“ zugenommen?

Wiedenmann: Die Sparquote ist im Jahr 2007 und vor allem auf dem bisherigen Höhepunkt der Finanzkrise im Jahr 2008 stark gestiegen. Heuer dürfte sie mit voraussichtlich 11,2 % des verfügbaren Einkommens etwa auf Vorjahresniveau liegen. Tatsache ist, dass durch die Finanzkrise ein großer Vertrauensverlust in der Bevölkerung entstanden ist. Einer repräsentativen Studie zufolge hat noch vor wenigen Monaten ein Fünftel der Deutschen keiner Bank getraut. Am vertrauenswürdigsten gelten genossenschaftliche Banken und Sparkassen. Zugleich ist das Sicherheitsbedürfnis gewachsen, zumal fast ein Drittel der Befragten aufgrund der Verwerfung an den Finanzmärkten Geld verloren hat. Die Präferenz zu klassischen Bankeinlagen und auch Wohnimmobilien hat sich beträchtlich erhöht. Die Menschen setzen bei ihrer Geldanlage verstärkt auf Sicherheit.

myheimat: Wie ist die Situation der Nördlinger Bürger? Wie stark wurden sie in Mitleidenschaft gezogen?

Wiedenmann: Die große Mehrheit unserer Mitglieder und Kunden ist bei ihrer Geldanlage konservativ ausgerichtet und war von den Auswirkungen der Finanzkrise nicht direkt betroffen. Bei Aktien und Aktienfonds gab es hingegen Kursverluste, die in den letzten Monaten zumindest teilweise kompensiert wurden. Andererseits eröffnete das niedrige Börsenniveau chancenorientierten Anlegern eine gute Gelegenheit zum selektiven Neu- oder Zukauf von Wertpapieren. Entscheidend ist ohnehin, dass nicht alles auf eine Karte gesetzt wird, sondern mit einer ausgewogenen Vermögensstruktur der individuelle Anspruch des Kunden an Sicherheit, Rendite und Liquidität abgebildet wird. Deshalb haben wir gerade auch in Zeiten der Finanzkrise in vielen Beratungsgesprächen mit unseren Mitgliedern und Kunden die einzelnen Geldanlagen auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls neu ausgerichtet.

myheimat: Herr Wiedemann, Sie stehen mit der Raiffeisenbank-Volksbank Ries im Wettbewerb mit der Sparkasse Nördlingen. Befürchten Sie durch eine mögliche Fusion mit der Sparkasse Donauwörth einen erhöhten Konkurrenzdruck?

Wiedenmann: Ich möchte mich nicht an diesen Spekulationen beteiligen. Hier sind die zuständigen Gremien gefragt. Unabhängig davon: Wir stehen Tag für Tag im Wettbewerb mit anderen Finanzdienstleistern. Das ist für uns nichts Neues. Deshalb haben wir als größtes selbstständiges Kreditinstitut im Ries in unserer Unternehmensstrategie „14 plus 1“ eine klare Vorstellung formuliert, wie wir unsere genossenschaftliche Bank in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Hierzu wurden ausgewählte Zukunftsprojekte installiert und es sind auch schon diverse Umsetzungen erfolgt. Wir sind und bleiben also zielgerichtet in Bewegung. Dabei orientieren wir uns zu allererst am Bedarf unserer Mitglieder und Kunden. Das hat uns zum Marktführer werden lassen.

myheimat: Herr Wiedenmann, die Raiffeisen-Volksbank Ries hat vor zwei Jahren die VR-Bürgerstiftung Ries ins Leben gerufen. Was wurde bisher erreicht?

Wiedenmann: Die VR-Bürgerstiftung Ries ist die erste Bürgerstiftung im Ries und hat bisher über 10.000 € für diverse Projekte in unserer Region bereitgestellt. Besonders freut uns, dass sich dabei auch zahlreiche junge Menschen engagieren und eine große Zahl an ehrenamtliche Stunden zum Beispiel zur Renovierung eines alten Schulhauses und zur Schaffung eines Jugendtreffs einbringen. In den nächsten Wochen kommen erneut mehrere tausend Euro für weitere ausgewählte Maßnahmen dazu. Die VR-Bürgerstiftung Ries ist also sehr aktiv und wird dabei von vielen Gemeinden, Bürgern und Unternehmen unterstützt. Zudem wurde auch bereits eine Reihe an Treuhandstiftungen unter dem Dach der VR-Bürgerstiftung Ries gegründet - zuletzt die Margarete-Jaumann-Stiftung.

myheimat: Ihre Bank investiert viel in Bereiche außerhalb des Bankenwesens: Kultur, Sport usw. Wo sind Sie in diesem Jahr als Sponsor aufgetreten und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Wiedenmann: Wir sehen unsere genossenschaftliche Bank natürlich zuerst als qualifizierter Finanzdienstleister für die Menschen im Ries; dafür wurden wir vor 135 Jahren gegründet. Darüber hinaus sind wir mit über 200 Arbeitsplätzen einer der größten Arbeitgeber und Ausbildungsstätte in der Region. Wir sind ein maßgeblicher Steuerzahler für Städte und Gemeinden im Ries. Wir sind Investor und damit wichtiger Auftraggeber für heimische Firmen und wir sind Förderer von kirchlichen, sozialen und kulturellen Anliegen. Das alles sind wir, weil wir von den Menschen im Ries getragen werden - von über 39.000 Kunden (das sind rund vier von fünf Einwohnern in unserem Geschäftsgebiet) und von nahezu 20.000 Mitgliedern und damit Miteigentümer der Raiffeisen-Volksbank Ries. Unsere Bank ist also ein elementarer Bestandteil der Gesellschaft. Und daher ist es logisch, dass wir dieser Gesellschaft über das Bankgeschäft hinaus etwas geben, was zur Bereicherung des Lebens im Ries beiträgt. Das Spektrum dabei ist sehr vielfältig. Angefangen von jährlich wiederkehrenden Veranstaltungen, die wir in Eigenregie ausrichten (z.B. unsere Konzertreihe „Klassik um Ries“, Jazz-Matinee, Seniorennachmittage, Fahrten mit dem Prima-Giro-Club, Kino für junge Leute, Tag der Erstklässler, Jugendwettbewerb, Bewerbungsseminare, Verleihung des Rieser Heimatpreises) bis hin zur direkten Unterstützung von Vereinen und sozialen Institutionen mit Sach- und Geldspenden von jährlich mehreren zehntausend Euro.

myheimat: Herr Wiedenmann, Sie fordern ein „nachhaltiges Bankgeschäft“. Was genau hat es damit auf sich?

Wiedenmann: Es geht im Grunde genommen um die Besinnung auf den ehrbaren Kaufmann. Bundespräsident Horst Köhler sagt dazu: „Banken müssen sich bewusst machen: Zuallererst sind sie Treuhänder derer, die ihnen ihr Erspartes anvertraut haben.“ Es geht also nicht um kurzfristiges Renditestreben, spekulative Geisterfahrten, irrwitzige Risiken und um Geschäfte, die der Kunde nicht versteht. Es geht vielmehr darum zu wissen und danach zu handeln, dass man als verantwortungsvoller Bankmanager und Bankmitarbeiter Tag für Tag nicht mit dem eigenen Geld, sondern mit dem Vermögen der einzelnen Kunden umgeht. Nachhaltiges Bankgeschäft ist also eine faire und langfristige vertrauensvolle Zusammenarbeit von Mensch zu Mensch.

myheimat: Ist 2010 ein Ende der Krise in Sicht? Worauf müssen sich ihre Kunden bei ihrer Bank einstellen?

Wiedenmann: Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich in der schwersten Rezession seit der Nachkriegszeit. Gleichwohl bin ich verhalten optimistisch, dass sich die Lage weiter aufhellt. Allerdings wird es darauf ankommen, dass die für das kommende Jahr prognostizierte höhere Arbeitslosigkeit keine zusätzliche Abwärtsdynamik bewirkt. Das setzt für uns als eine stark exportorientierte Nation vor allem eine schrittweise Erholung der Weltkonjunktur voraus. Nach einem Einbruch unseres Exportes um voraussichtlich rund 17 % im laufenden Jahr ist für 2010 zumindest ein leichtes Plus zu erwarten. Von elementarer Bedeutung wird außerdem sein, wie nachhaltig die Finanzmärkte weiter an Vertrauen und Stabilität gewinnen. Hierzu hat der Weltfinanzgipfel in den USA ordnungspolitische Weichen gestellt. Die Europäische Zentralbank fördert zudem mit einer moderaten Zinspolitik die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Flankierend dürften auch die staatlichen Stützungsmaßnahmen zum Beispiel in Form von Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wirken. Positiv ist schließlich die erwartete niedrige Inflationsrate von etwa 0,5 % zu sehen. Dennoch ist alles in allem lediglich mit einer leichten Belebung unserer Wirtschaft zu rechnen.

Für unsere genossenschaftliche Bank sind wir insgesamt zuversichtlich. Das hat die Planung für das Jahr 2010 bei unserer jüngsten Klausurtagung ergeben. Insbesondere werden wir auch weiterhin jedem vertretbaren Kreditwunsch nachkommen. Unsere Mitglieder und Kunden können sich auf uns verlassen.

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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