"Das Historische Stadtmauerfest war für mich ein Höhepunkt in diesem Jahr": Interview mit Nördlingens Oberbürgermeister Hermann Faul

Oberbürgermeister Hermann Faul

Nördlingens Oberbürgermeister stellt sich den Fragen des mh-bayern-Teams im Rahmen eines Jahresrückblick und sprach über die demografische Entwicklung Nördlingens, seine Haushaltspolitik und kulturelle Höhepunkte.

mh-bayern-Team: Beim Neujahresempfang sprachen Sie davon, dass für die Zukunft Nördlingens die Bevölkerungszahl stabilisiert werden müsse. Konnten Sie dieses Jahr bereits Maßnahmen auf den Weg bringen, um Ihrem Ziel näherzukommen?

Hermann Faul: Die demografische Entwicklung macht mir Sorgen. Für den Bereich der Stadt Nördlingen sind sinkende Einwohnerzahlen prognostiziert. Die Stadt kann nur dadurch entgegenwirken, dass die Rahmenbedingungen für ansiedlungswillige Unternehmen, zuziehende Bürgerinnen und Bürger und Familien gestärkt werden. Bei den von mir ins Leben gerufenen „Neubürgerempfängen“ wird mir stets versichert, dass sich die Stadt um die neu zugezogenen Bürger kümmert und ihnen Informationen und Angebote zukommen lässt, damit sie sich in Nördlingen wohlfühlen. Eine ausreichende Versorgung mit preiswerten Baugrundstücken, Betreuungsangeboten von Kinderkrippe bis Kinderhort, guten Schulmöglichkeiten und hervorragenden Freizeiteinrichtungen sind Voraussetzungen, wodurch es lebens- und liebenswert ist, in Nördlingen zu wohnen und zu arbeiten. Deshalb investieren wir sehr viel Geld, um unter dem Motto „Bildung - Betreuung - Erziehung“ unsere Kindertagesstätten auszubauen und die Schulen weiterzuentwickeln.

mh-bayern-Team: Ein wichtiges und mit 20 Millionen Euro auch sehr teures Projekt ist die Sanierung der Kläranlage. Warum ist es aus gesetzlichen Gründen notwendig, die Kosten auf die Bürger umzulegen? Stehen weitere Projekte dieses Ausmaßes im nächsten Jahr an, dessen Kosten die Nördlinger tragen müssen?

Hermann Faul: Die Erweiterung und Ertüchtigung unserer Kläranlage ist ein gutes Beispiel und zugleich Antwort auf Ihre Frage. Über 20 Bürgerversammlungen haben wir in diesem Jahr zur frühzeitigen Information der Bürgerschaft durchgeführt. Über die technischen Anforderungen, gesetzlichen Grundlagen und Kosten haben wir vorab informiert und nach der Erhebung aller relevanten Daten sind im Herbst bei den Bürgerversammlungen die voraussichtlichen Beiträge und Gebühren mitgeteilt worden. Angesichts eines Investitionsvolumens von mehr als 16 Mio. Euro, die von den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Wirtschaft und Institutionen zu tragen sind, ist klar, dass wir finanziell und personell nicht in der Lage sind, in jedem Jahr solche Projekte umzusetzen. Ich bin aber sicher, dass wir mit der Offenheit, der Transparenz und frühzeitigen Information einen positiven Weg gegangen sind, um auch deutlich darauf hinzuweisen, dass die finanziellen Belastungen für die Bürgerschaft und die Wirtschaft in diesem Fall tragbar und notwendig sind. Die Sanierung und Erweiterung der Kläranlage ist eine Baumaßnahme der Stadtwerke und trifft nicht sosehr den städtischen Haushalt. Aber auch auf die Stadt kommen in den nächsten Jahren große Investitionsmaßnahmen zu, im Bereich der Kanalsanierungen, Straßenausbau Lerchenstraße, Kerschensteiner Straße oder vieles mehr.

mh-bayern-Team: Der Haushalt in Nördlingen umfasst eine Rekordhöhe von 45,6 Mio. Euro. Sicher muss an verschiedenen Stellen gespart werden. Gäbe es einen unerwarteten Geldsegen, welche Projekte würden Sie davon finanzieren?

Hermann Faul: Ich bin sehr froh, dass sich die „prognostizierte“ Krise nicht so gravierend ausgewirkt hat. Die finanzielle Situation der Stadt Nördlingen ist nach wie vor sehr gut. Wir haben am Anfang des Jahres mit weniger Steuereinnahmen gerechnet und im Rahmen eines Haushaltskonsolidierungskonzeptes alle Ausgabenansätze und Einnahmenpositionen überprüft. Durch die positive wirtschaftliche Entwicklung sind unsere Gewerbesteuereinnahmen höher als im Ansatz geplant. Dennoch möchte ich nicht von einem unerwarteten Geldsegen sprechen. Selbstverständlich finanzieren wir damit nur das absolut Machbare und Notwendige. Investitionen müssen immer auf Notwendigkeit, Nachhaltigkeit und Folgekosten „abgeklopft“ werden. Der Erhalt und die Verbesserung der Infrastruktur wie z.B. Ausbau Lerchenstraße, Rückbau Wemdinger Unterführung oder der Kauf einer Feuerwehr-Drehleiter müssen finanziert werden.

mh-bayern-Team: Investitionen einerseits, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln, stehen der notwendigen Entschuldung andererseits gegenüber. Wie werden Sie sich im nächsten Jahr in diesem Spannungsfeld bewegen?

Hermann Faul: Wie erwähnt, entwickeln sich die Steuereinnahmen positiv. Insofern müssen wir im Haushaltsjahr 2010 weniger Mitteil aus den Rücklagen entnehmen, um unsere Investitionen zu tätigen. Wir haben mit vielen Baumaßnahmen, unter anderem im Konjunkturpaket II der Bundesregierung, die Grundschule Schillerstraße ebenso saniert, wie wichtige Baumaßnahmen im Rahmen des integrierten Stadtentwicklungskonzepts umgesetzt. Zu nennen sind der Bau des Parkhauses und Busbahnhofs, der Ausbau der Bürgermeister-Reiger-Straße ebenso wie der Bau zweier Kreisverkehre und Parkflächen am Luntenbuck. Aber auch weitere Straßenbaumaßnahmen, z.B. die Erschließung des Baugebietes Mühlweg Ost in Baldingen und viele Bau- und Sanierungsarbeiten wirken sich positiv für unsere heimische Wirtschaft und die regionalen Firmen aus.

mh-bayern-Team: Sie beschreiben Ihre Finanzpolitik als solide und vorausschauend. Welche Kriterien legen Sie Ihren Entscheidungen zugrunde? Besteht dabei nicht die Gefahr, dass am falschen Ende gespart wird?

Hermann Faul: Wie erwähnt, möchte ich verstärkt Wert darauf legen, dass wir bei allen Entscheidungen stets das Notwendige und Machbare umsetzen und Wünschenswertes zurückstellen, bis eine „vernünftige“ Finanzierung gesichert ist. Insofern sehe ich keine Gefahr, dass wir am „falschen Ende“ sparen. Mit den geplanten 12 Mio. Euro Investitionen und den 3 Mio. Euro sog. Haushaltsausgaberesten haben wir eine sehr hohe Investitionsrate, von der erfreulicherweise 70 % abgearbeitet werden konnte. So ist die Turnhalle in Löpsingen fertig und das Feuerwehrhaus in Pfäfflingen in Bau. Viele weitere kleineren Projekte, die allerdings im „Ganzen, und zusammen gesehen werden müssen“, tragen zu diesem hohen Investitionsvolumen bei.

mh-bayern-Team: Können Sie schon abschätzen, wie hoch die Gewerbesteuereinnahmen für 2010 sein werden?

Hermann Faul: Wir rechnen mit Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von ca. 11 Mio. Euro. Dies wären drei Mio. mehr als im Haushaltsansatz 2010 eingeplant.

mh-bayern-Team: Kann 2011 wie geplant das Projekt Bahnhofsvorplatz in Angriff genommen werden? Gibt es schon konkrete Ideen, wie der Platz optisch ansprechend gestaltet werden soll?

Hermann Faul: Der Bahnhofsvorplatz wird 2011 umgebaut. Ein Vorentwurf ist bereits im zuständige Bau-, Verwaltungs- und Umweltausschuss vorgestellt worden. Auf Grundlage dieses Entwurfs, vom Architekturbüro, das auch für die Planung des Busbahnhofs verantwortlich war, wird derzeit an der Ausführungsplanung gearbeitet. Auch diese Ausführungsplanung wird zunächst dem Stadtratsausschuss zur Entscheidung vorgelegt. Ich gehe davon aus, dass wir den Bahnhofsvorplatz bis Ende 2011 fertig stellen können.

mh-bayern-Team: Ein besonderes Jubiläum konnte dies Jahr gefeiert werden: Seit 40 Jahren besteht die Städtepartnerschaft mit Riom. Damit hat auch Nördlingen bewiesen, dass über viele Jahre aus einer deutsch-französischen Feindschaft Freundschaft werden kann. 2010 bewegte die Integrationsdebatte die Gemüter. Wie gut sind Ihrer Meinung nach ausländische Mitbürger in Nördlingen integriert und ist auch die Bereitschaft der Nördlinger groß genug, diese in der Gesellschaft aufzunehmen?

Hermann Faul: Ich denke, dass unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger hervorragend in Nördlingen integriert sind. Seit einigen Jahren versuchen wir in Netzwerken das Gespräch zwischen allen relevanten Gruppen, den Kirchen, der Diakonie Donau-Ries und der Caritas zu suchen und Initiativen zur besseren Integration zu unterstützen. Aus diesem Gesprächskreisen mit den Sozialeinrichtigen, Stadtverwaltung und anderen Behörden haben sich sehr viele positive Ansätze entwickelt. Ein Beleg dafür, neben vielen, sind die „Wochen der Integration“ in Nördlingen. Zunächst haben wir uns an der bundesweiten „Woche der Integration“ beteiligt und bieten nun - in diesem Jahr - mit Hilfe von 16 Organisationen und Institutionen ein mehrwöchiges Programm mit vielfältigen Veranstaltungen. Höhepunkt war die Ausstellung „Kopftuch-Kulturen“ mit Vorträgen und Lesungen in der „Alten Schranne“. Ich darf an dieser Stelle ganz herzlich allen engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern und allen Institutionen herzlich für ihren Einsatz zur Integration von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, aber auch von Jugendlichen mit Migrationshintergrund danken.

mh-bayern-Team: Nach dem Jugendfußballturnier der Interkulturelle Wochen sagten Sie: „Wer einmal zusammen Fußball gespielt hat, wird sich später auch auf der Straße freundlich und friedlich begegnen.“ Welche Bemühungen gibt es darüber hinaus in Nördlingen, um die Weichen für eine gelungene Integration zu stellen?

Hermann Faul: Dieses Jugendfußballturnier ist ein wichtiger Bestandteil der Integration. Eine Sozialarbeiterin beschäftigt sich ausschließlich mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Sie und der von der Stadt Nördlingen eingestellte Jugendsozialarbeiter sind Garant dafür, dass sie sich bei gemeinsamen Aktivitäten und Veranstaltungen begegnen können und Vertrauen und Freundschaften wachsen.

mh-bayern-Team: Das Historische Stadtmauerfest war wohl sicherlich der kulturelle Höhepunkt des Jahres. Was hat Ihnen in diesem Jahr besonders gut gefallen?

Hermann Faul: Das „Historische Stadtmauerfest“ war sicher nicht nur für viele Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für mich und vor allem sehr viele Gäste und Besucher, ein Höhepunkt in diesem Jahr. Die Vielzahl von Nördlingerinnen und Nördlinger, die historisch gekleidet, beim Programm, bei Veranstaltungen, seien es Tänze oder Vorführungen und bei den vielen anderen Attraktionen, wie Lagerleben, Bauerngarten und den beiden großartigen Umzügen mitwirkten, beeindruckt mich immer wieder.

mh-bayern-Team: Herzlichen Dank für das Interview!

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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