Kellner werden war nicht schwer, in der sogenannten DDR (1)

Es muss erst einmal grundsätzlich festgestellt werden, dass in der DDR jeder Kellner werden konnte der es nur wollte. Auch solche Typen, bei denen man genau wusste, dass sie nie einen Turnschuh von einem Tablett unterscheiden werden können, hatten gute Chancen. Dem entsprechend sahen auch die Besatzungen in den HO-Gaststätten aus und der Gast hatte es auszubaden. Das galt für Männer und Frauen gleichermaßen, denn von beiden Spezies gab es reichlich dubiose Exemplare. Dieser eigentlich untragbare Umstand resultierte aus dem allgemeinen Arbeitskräftemangel und der Tatsache, dass man es als Kellner nicht so leicht hatte, wie es sich so manche Leute vorstellten. Eine Knochenarbeit und ich weiß wovon ich rede, da ich diesem Beruf viele Jahre nachging. Es wurde zwar wieder und wieder behauptet, dass man es als Kellner gut habe, immer in weißen Hemden, schwarzem Anzug, Fliege, nie schmutzige Hände und ein riesiger Verdienst, aber die Wirklichkeit war doch eine ganz andere. Wie wir als ehemalige DDR-Bürger wissen, war das Einkommen nicht gerade rosig und die Trinkgelder...na ja, schweigen wir darüber, denn sie waren zum Einkommen hin gesehen doch recht üppig. Viele zum Beruf passende Bewerber wurden von dem Arbeitsvertrag abgeschreckt in dem es hieß, dass der Sonn- und Feiertag als Werktag zu betrachten sei. Dazu kam, dass in fast jeder Gaststätte Nachtarbeit angesagt und das nicht jedermann Sache war. Also daher der Mangel und es war erstaunlich, dass diejenigen, welche den Kellnerberuf als DIE Erfüllung ansahen, sich lieber den Hintern in einem Büro breit drückten statt in die Gastronomie zu wechseln.

Es gab mehrere Varianten in diesen Beruf zu rutschen.

Die erste Möglichkeit bestand darin, Aushilfskellner zu werden. Das waren die Leute, die zum Beispiel bei Tanzveranstaltungen verpflichtet wurden und in der Regel bunt zusammen gewürfelte, zeitlich meist am Wochenende, begrenzte Belegschaften, die aus den verschiedensten Berufsgruppen kommend, sich etwas Geld dazu verdienen konnten. Es war nicht schwer da Fuß zu fassen. Sie hatten auch keinerlei Verpflichtungen der HO gegenüber, sondern rechneten nach getaner Arbeit ihre Einnahmen ab, zählten das oft reichliche Trinkgeld, gingen meist zufrieden und angetrunken heim und damit war die Sache erledigt. War es eine gute Kraft, konnte damit gerechnet werden bei der nächsten Veranstaltung wieder dabei zu sein.

Die zweite Möglichkeit bestand in der Bewerbung bei der HO um eine Anstellung als Saisonkellner. Da war man mit festem, aber begrenztem Arbeitsvertrag abgesichert. Die Saison erstreckte sich in den meisten Gaststätten von Mitte Mai bis Mitte Oktober und danach musste sich dieser Kollege oder Kollegin eine andere Arbeit suchen. In der DDR war es ja nur schwer möglich ein halbes Jahr nichts zu tun, obwohl nach einer straffen Saison in einem stark besuchten Ausflugslokal, ein halbes Jahr Regenerationszeit sehr erstrebenswert war. Hier bestand allerdings in den Wintermonaten die Möglichkeit an den Wochenenden in einer normalen Gaststätte zu arbeiten, also eine andere Arbeit wäre irgendwie nicht nötig gewesen. Es stresste auch sehr nach einem schweren Kellnerhalbjahr und den Wochenendeinsätzen noch in einem normalen Betrieb zu arbeiten.

Das bewog nun viel den dritten Weg der "Kellnerwerdung" zu beschreiten. Dazu war es nur nötig bei der HO Bescheid zu sagen, dass man den Beruf wechseln wolle. Es wurde ein Antrittstermin und die Gaststätte des künftigen Einsatzes festgelegt und das war meist gleich der nächste oder übernächste Tag. Im alten Betrieb wurde ein Aufhebungsvertrag gemacht, der neue Arbeitsvertrag als "Ungelernter Kellner" unterschrieben und man wurde bar jeder Ahnung und ohne auch nur die geringste Ahnung von der Materie auf die Menschheit losgelassen. Das wirkte sich natürlich sehr negativ auf das Niveau der Gaststätte aus, aber was soll`s, wir kannten es ja nicht anders. Dem geneigten Altbundesbürger sei mal erklärend gesagt, das es Zeiten gab in denen das Arbeitsverhältnis bei einem DDR Betrieb mit sofortiger Wirkung beendet werden konnte, also Knall auf Fall ohne das irgendwelche Nachteile entstanden. Die Abteilung "Inneres" beim Rat des Kreises achtete nur darauf, dass keine Leerzeiten entstanden. Wie es trotzdem einige Zeitgenossen gelang ihr DDR-Dasein ohne Arbeit zu fristen blieb auch den normalen Ostmenschen ein Rätsel.

Bürgerreporter:in:

Karl Heinz Winkler aus Naumburg (Saale)

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