Mein Sommer 2010

Der erste Urlaubstag. Er begann, wie ein erster Urlaubstag eben beginnen sollte, mit wolkenlosem, strahlendblauem Himmel und Morgentemperatur von 17 Grad. Bei der obligatorischen Tasse Morgenkaffee entschloss ich mich, meine ehemaligen Kollegen auf einer archäologischen Grabung unweit von unserer Stadt zu besuchen. Gedacht, getan. Während meines Rundganges, bei dem ich mich mit dem Einen oder Anderen über den Stand der Arbeiten, manchmal auch Persönliches, unterhielt, entdeckte ich zwei Grabungstechnikerinnen, die gerade dabei waren, die Reste eines jungsteinzeitlichen Hauses zu präparieren. Gut sichtbar waren die Pfahllöcher und der verbrannte Hüttenlehm verband diese, wie auf der Zeichnung aus einem Architekturbüro. In der Mitte des imaginären Raumes befand sich eine Feuerstelle, um die allerlei Scherben und zerbrochene Gebrauchsgegenstände der damaligen Zeit verstreut lagen. Ich setzte mich an den Grubenrand, um den beiden Damen zuzuschauen und es wurde immer wärmer, die Sonne knallte mir auf den Kopf, sodass meine Konzentration und Beobachtungsgabe erheblich nachließ.

Plötzlich sah ich die Beiden.
Sie, eine Robuste, modern in Biberfell gekleidet und mit ockerfarbenem Lehm an den Wangen aufgehübschte Schöne, stand in der Mitte des Raumes an einer offenen Herdstelle. Ein irdenes Gefäß, wunderschön mit einer Art Fischgrätenmuster verziert, aus welchem brodelnde Geräusche kamen, stand auf dem Glutbett und die bereits erwähnte Schöne rührte mit einem etwas klobig geratenen aber riesengroßen, löffelähnlichen Gerät in besagtem Gefäß. Sie schien zu kochen. Ab und an legte sie einige Holzscheide nach, was zur Folge hatte, dass Myriaden von Funken gegen die mit Ried und Lehm abgedichtete Decke sprühten. Ihre Laune schien nicht die Beste, denn immer wieder schaute sie mit wütendem Blick in Richtung Eingang und schimpfte, was das Zeug hielt. Dort saß der, dem die bösen Worte galten, ihr Gefährte und er machte das, was in fast jedem Haushalt für Unruhe sorgt, er rauchte!!!
Nein …, natürlich keine F6 oder Juwel, denn das, was wir heute unter Tabak verstehen, war zu jener Zeit noch gar nicht in Europa angekommen. Das war einige Jahrtausende später, na ja, und Zigaretten sind sowieso erst vor einiger Zeit erfunden worden. Er hatte so ein komisches, irgendwie bekanntes Röhrchen in der Hand und ich erinnerte mich, früher als wir noch Kinder waren, solche Geräte als Pusterohre aus Holunder gebaut zu haben, um die noch unreifen Früchte dieser Gattung in der Gegend zu verschießen. So ähnlich sah es jedenfalls aus.
Nun gut, er saß also da, hatte in der rechten Hand dieses qualmende Röhrchen und man konnte mit etwas gutem Willen Spitzwegerich, Kastanienblätter und ähnliches Grünzeug aus dem Rauch heraus riechen. Links neben ihm stand ein etwas größeres, dem auf der Herdstelle sehr ähnlich sehendes Gefäß, aus welchem ab und an ein kräftiger Schluck genommen wurde, was zur Folge hatte, dass die Augen des Trinkenden immer kleiner und verschleierter wurden. Es muss irgendwie ein berauschendes Getränk gewesen sein, denn die Stimmung der am Herd stehenden Gefährtin wurde proportional zum immer geringer werdenden Inhalt besagten Gefäßes und den immer kleiner und verschleierter werdenden Augen des Mannes aggressiver. Sie beschuldigte ihn lautstark, seit Wochen seine „jägerischen“ Pflichten, von den ehelichen ganz zu schweigen, vernachlässigt zu haben und kein Fleisch und Fisch mehr in der Vorratsgrube sei, die Kinder nur noch Brei bekämen. Das kümmere den Herrn ja alles nicht, er müsse ja rauchend und saufend vor der Hütte sitzen und sie überlege schon manchmal, ihm irgendwann Mutterkorn mit ins Essen zu packen, das würde keinem auffallen. Und apropos Rauchen …Er wisse genau, dass die Feuerwehr noch nicht erfunden sei, und ginge trotzdem so leichtsinnig mit dem offenen Feuer seiner Rauchutensilien um, ob er denn die Hütte in Brand setzen wolle.
In dem sie ihm so eine Standpauke hielt, warf sie erneut einige Holzscheide ins Feuer, was zur Folge hatte, dass wieder Myriaden von Funken gegen die mit Ried und Lehm abgedichtete Decke stobten.
Ich schreckte hoch, die Damen hatten sich in den Schatten verzogen, mir war von der Sonne ganz drehlich im Kopf und das eben erlebte ließ mich irgendwie nicht los. Na das war ja ein Urlaubsanfang. Mit mir musste wohl die Fantasie durchgegangen sein, oder hatte ich gerade eine Zeitreise hinter mir? Auf jeden Fall ist es schade, dass ich das Erlebte nicht weiter erzählen kann, denn jeder Zuhörer würde mich mit Sicherheit für einen Spinner halten …, oder?

Bürgerreporter:in:

Karl Heinz Winkler aus Naumburg (Saale)

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